Zirkuläre Geschäftsmodelle: Der Antrieb des grünen Wandels in der Chemieindustrie

Lieferkettenprobleme, eine schwankende Nachfrage und die steigende Inflation haben zu Unsicherheit in der europäischen Chemieindustrie geführt und die Konkurrenzfähigkeit im Vergleich zum Rest der Welt geschwächt. Die Konsequenzen waren reduzierte Kapazitäten sowie stillgelegte Anlagen. Doch in der Krise bieten sich auch Chancen. Um diese zu nutzen, müssen die Unternehmen nachhaltige oder zirkuläre Geschäftsmodelle implementieren und so ihre Resilienz für zukünftige Herausforderungen erhöhen.

Oftmals haben Unternehmen Schwierigkeiten, das notwendige Kapital für den Wandel hin zum zirkulären Wirtschaften zu beschaffen. Hinzu kommt, dass viele andere Unternehmen innerhalb der Wertschöpfungskette noch nicht die Voraussetzungen für entsprechende Geschäftsmodelle geschaffen haben und Zweifel an einer ausreichenden Nachfrage und der eigenen preislichen Konkurrenzfähigkeit haben. Auch regulatorische Unsicherheiten sind ein Faktor, der die Bereitschaft für Investitionen hemmt.

Der Pfad zum zirkulären Geschäftsmodell ist vordefiniert. Nachhaltige Fertigungsprozesse und Produktportfolios werden als Weiterführung der ESG-Kriterien zur Norm in Chemieunternehmen. Bis dahin braucht es jedoch ein noch umfassenderes Umdenken: Energie- und Ressourceneffizienz, Recycling und ein geringerer Einsatz nicht-erneuerbarer Ressourcen sind bei nachhaltigen Geschäftsmodellen im Fokus.

Kundenbedürfnisse stehen im Mittelpunkt

Durch nachhaltige Geschäftsmodelle verändert sich auch die Beziehung zu den Kunden. Während bislang hauptsächlich der Einsatz von Erneuerbaren oder energieeffiziente Produktionsprozesse im Vordergrund standen, liegt der Schwerpunkt nun auf den Bedürfnissen der Kunden. Wichtige Punkte sind hierbei die Vermeidung von Kosten – erzielte Gewinne können unter den Partnern geteilt werden – und die Versorgungssicherheit für die Kunden, etwa bei recycelten Materialien. Innerhalb der Wertschöpfungskette können nachhaltige Geschäftsmodelle durch Partnerschaften vorangetrieben werden, wobei Unternehmen entsprechende Roadmaps für ihre Ziele erstellen sollten.

Europäische Chemieunternehmen müssen ihre Kooperationsfähigkeit verbessern und sich bei nachhaltigen Geschäftsmodellen an engen und erfolgreichen Partnerschaften mit Kunden ausrichten. In vielen Fällen sind diese Geschäftsmodelle nicht von Beginn an gewinnbringend. Daher müssen Gewinne in den klassischen Sparten erzielt werden, die dann wieder als Subventionen in die neuen Modelle reinvestiert werden. Hier lohnt es sich, schnell zu sein: Gelingt die frühe Skalierung des Geschäftsmodells, hat man in neuen Märkten einen Vorsprung gegenüber der Konkurrenz.

Zuverlässige Rahmenbedingungen und flexible Prozesse

Damit die grüne Transformation in der europäischen Chemieindustrie gelingt, muss die Politik die nötigen Rahmenbedingungen schaffen. Andernfalls besteht das Risiko, dass Unternehmen aus anderen Regionen der Welt den Markt mit günstigeren Angeboten – zum Beispiel dank unbürokratischerer Regulierung oder niedrigeren Lohnkosten – dominieren. Die Entwicklung der Solarindustrie kann hier als mahnendes Beispiel dienen.

Investitionen in nachhaltige Geschäftsmodelle benötigen langfristige Planungssicherheit – beispielsweise über Förderungen. Ebenso können Maßnahmen wie der Grenzausgleichsmechanismus für Kohlendioxid für gleiche Bedingungen sorgen.

Die Chemieindustrie stellt einige der entscheidenden Werkstoffe für mehr Nachhaltigkeit bereit – ob für Mobilität, Landwirtschaft oder Konsumgüter. Unternehmen müssen daher die Bedürfnisse ihrer Kunden genau kennen, um ihre Fertigungsprozesse im folgenden Schritt flexibel daran auszurichten.

Die erhöhte Wettbewerbsfähigkeit, die aus dieser Flexibilität hervorgeht, zahlt sich auch im globalen Geschäft aus. Denn eines ist klar: Die Politik wird die gesetzlichen Vorgaben für Umwelt- und Klimaschutz weiter verschärfen und damit den Erfolg nachhaltiger Geschäftsmodelle begünstigen.