Artikel aus dem Handelsblatt Journal „Betriebliche Altersversorge und Kapitalanlage“ vom 25.05.2022
Gut zwanzig Jahre nach der Grundsatzentscheidung für mehr Kapitalbildung in der Altersversorgung fällt sie Zwischenbilanz ernüchternd aus. Viel wurde erreicht, aber von einer nachhaltigen, zukunftsfesten Bewältigung der demografischen Herausforderungen kann keine Rede sein. Zur Sicherung des Lebensstandards im Alter ist die gesetzliche Rente zwingend durch kapitalgedeckte Altersvorsorge zu ergänzen. Weiteres Engagement ist erforderlich, um die Altersversorgung in Deutschland zukunftsfest zu machen.
Hier kann und muss die betriebliche Altersversorgung einen noch weit bedeutenderen Beitrag leisten. Dank ihrer kollektiven Struktur bietet sie bei größtmöglicher Sicherheit erhebliche Effizienz- und Kostenvorteile, die gilt es zu nutzen.
Die Betriebsrente zukunftsfähig machen
Damit Betriebsrenten ihre zentrale Rolle in der Zusatzvorsorge weiter ausbauen können, müssen sie besser als bislang für die Zukunft gerüstet werden. Dafür muss der Gesetzgeber einige Maßnahmen ergreifen sowie andere unbedingt unterlassen. Und die gute Nachricht ist: Die meisten der Maßnahmen kosten den Staat nichts!
Angesichts von Dauerzinstief, den Folgen von Corona, dem Krieg in der Ukraine und den enormen Herausforderungen in Sachen Klimaschutz und Digitalisierung ist es wichtiger denn je, dass Unternehmen renditestarke und den neuen Kapitalmarktverhältnissen angepasste Betriebsrentenzusagen erteilen können. Vor diesem Hintergrund war es richtig, auch in Deutschland die reine Beitragszusage zu ermöglichen. Falsch war es jedoch, die Hürden für die Einführung so hoch anzusetzen. Auch jenseits von Flächentarifverträgen müssen Unternehmen aufgrund von Tariföffnungsklauseln solche Systeme rechtssicher vereinbaren können. Den Sozialpartnern muss klipp und klar gesagt werden, welche Risiken sie mit der „Durchführung und Steuerung“ eines Sozialpartnermodells eingehen. Gesetzgeber und/oder
Aufsicht sollten hier Farbe bekennen.
Auch jenseits von Sozialpartnermodellen müssen Versorgungseinrichtungen renditestärkere Investitionen tätigen können. Dafür ist es erforderlich, Anlage- und Bedeckungsvorschriften anzupassen. Nur wenn das erfolgt, werden Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung als besonders langfristige Anleger einen Beitrag zu Finanzierung von Infrastrukturmaßnahmen leisten können, die im Rahmen der Energiewende Deutschlands unverzichtbar sind.
Eine weitere Baustelle, die angegangen werden muss: Dauerniedrigzins und hohe Garantien schließen einander aus. Betriebsrentenzusagen müssen auch mit einem Garantieniveau unter 100% der eingezahlten Beiträge rechtssicher erteilt werden können.
Und bereits erteilte Zusagen müssen für die Zukunft abänderbar sein, um die begrenzten Mittel der Arbeitgeber generationengerecht verteilen zu können. Hierbei geht es nicht um Betriebsrentenkürzungen, bereits erdiente Versorgungsanteile müssen erhalten bleiben. Für zukünftige Arbeitsjahre sollten Betriebsrenten der Mitarbeiter aber mittels reiner Beitragszusagen chancenreicher und generationengerecht gestaltet werden können.
Wichtige Korrekturen, die jetzt vorgenommen werden müssen
Kontraproduktive Dinge, die dringend unterlassen werden müssen: Rudimentäre, schöngerechnete, rechtlich nicht geprüfte Staatsfondsmodelle dürfen nicht zur Basis neuer Richtungsentscheidungen in der Altersversorgung werden und bestehende Systeme der betrieblichen Altersversorgung kannibalisieren.
Und weitere Regulierungsvorhaben wie der anstehende Review der EbAV-II-Richtlinie dürfen nicht zu weiteren Belastungen führen. Es ist daher gut, dass im Koalitionsvertrag steht, man wolle für eine „stärker proportionale Regulierung“ bei EbAVs sorgen.
Längst überfällige Korrekturen der bestehenden Rahmenbedingungen im Steuer- und Sozialversicherungsrecht wären haushaltswirksam. Es muss endlich Schluss sein mit der Besteuerung von Scheingewinnen. Die aktuelle steuerliche Diskriminierung von Betriebsrentenverpflichtungen aus Direktzusagen durch § 6a EStG muss beendet werden.
Zudem sollte geprüft werden, ob im Zuge der Geringverdienerförderung der Förderbetrag auf z.B. 50% erhöht werden könnte. Das kostet den Staat keine Unsummen, aber damit könnte die Erfolgsgeschichte dieser Förderung für Niedrigverdiener noch wirksamer fortgesetzt werden.
Und zu guter Letzt: Die für 2023 anstehende BRSG-Evaluierung sollte aufgeschoben werden. Die Frist ist angesichts der Themenkomplexität zu kurz. Die Evaluierung darf nicht dazu genutzt werden, ein bAV-Obligatorium einzuführen.