Was bedeuten Inflation und Zinswende für die deutsche Lebensversicherung?

Was bedeuten Inflation und Zinswende für die deutsche Lebensversicherung?

Das alltägliche Leben wird für die Menschen in Deutschland immer teurer – die Preise steigen, vor allem für Energieprodukte und Lebensmittel. Geld verliert immer mehr an Wert und ständig ist von Inflation die Rede. Was bedeutet Inflation und die damit einhergehende Zinswende für die deutschen Lebensversicherer?

(1) Welche Auswirkungen hat die Inflation auf die Lebensversicherung
Eine Inflation kann durch verschiedene Faktoren ausgelöst oder beschleunigt werden. Den Boden für die aktuelle Inflation bereitete die Corona Pandemie. Steigende Nachfrage und Nachholeffekte trafen auf gestörte Lieferketten. Die durch den Ukraine Krieg verursachten Rohstoffengpässe wirken als Brandbeschleuniger. Die Inflationsrate in Deutschland ist so hoch wie seit fast 50 Jahren nicht mehr. Eine hohe Inflation verursacht unterschiedliche Reaktionen mit Relevanz für die Lebensversicherer:

Kurzfristig sorgt die Inflation für hohe Unsicherheit bzgl. der Entwicklung der Haushaltskosten und Kunden fangen an, nicht zwingend notwendigen Ausgaben zu reduzieren. Das trifft auch die Lebensversicherung. Einerseits werden Kunden existierende LVs stornieren oder zumindest ruhend stellen. Andererseits neigen Kunden dazu bei Unsicherheit keine langfristigen Verpflichtungen – wie Altersvorsorge – einzugehen, was sich tendenziell negativ aufs Neugeschäft auswirken wird.

Langfristig werden Kunden die Frage stellen, ob ihre Altersvorsorge bei entsprechender Geldentwertung ausreicht, ihren Lebensstil im Alter zu sichern. Hier sind die Versicherer als Partner der Kunden gefordert. Bei vielen Verträgen kommt es nun darauf an, Parameter an den neuen Gegebenheiten auszurichten, Kapitalbildungsziele nach oben anzupassen oder weitere Absicherungsbausteine hinzuzufügen. Gegen Inflation schützen vor allem Investitionen in Sachwerte, wozu nicht nur Immobilien und Edelmetalle, sondern auch Aktien zählen. Im Rahmen einer Lebensversicherung bieten sich somit besonders fondsgebundene oder teilweise auch hybride Produkte an.

Die Versicherer sind gefordert ihre Produkte an die neue Realität anzupassen und gleichzeitig flexibler zu machen. In jedem Fall ist vor allem der Vertrieb gefordert, die Kunden adäquat zu beraten und Ihnen hilfreich zur Seite zu stehen.

(2) Welche Auswirkungen hat die Zinswende auf die Lebensversicherung
Die EZB hat die Zinswende eingeleitet, um der Inflation entgegen zu wirken. Mit Blick auf andere Zentralbanken sind weiter Schritte wahrscheinlich.

Steigende Zinsen erzeugen sowohl positive als auch negative Effekte in der Lebensversicherung. Auf der Positiv-Seite ist folgendes zu erwarten:

  • Verbesserung der S2-Quoten. Der Barwert künftiger Verbindlichkeiten verringert sich aufgrund der längeren Duration stärker als der Barwert der Vermögenswerte, was unter Solvency II eine Zunahme der Eigenmittel bedeutet.
  • Verlangsamung des ZZR-Aufbaus bzw. sogar ein -Abbau, da der Referenzzins deutlich angestiegen ist. Auch dieser Effekt wirkt positiv auf die Solvenz.
  • Erhöhung der bei Reinvestition in festverzinsliche Wertpapiere erzielten Erträge.

Auf der Negativ-Seite sind folgende Effekte zu erwarten:

  • Aufbau stiller Lasten bei festverzinslichen Wertpapieren. Viele Versicherer werden geneigt sein, die Lasten bilanziell eher zu verarbeiten, als Überschüsse an die Kunden auszuschütten. Für Versicherer, die sich übermäßig mit langlaufenden Anleihen eingedeckt haben, kann das
    dazu führen, dass die Fähigkeit Überschüsse zu generieren nachhaltig geschwächt wird und damit dem Neugeschäft schadet.
  • Konkurrierende Bankprodukte werden bei weiter steigenden Zinsen wieder attraktiver werden, wobei sich dieser Effekt typischerweise erst zeitversetzt einstellt, wenn Banken die höheren Zinsen auch tatsächlich an ihre Kunden weitergeben.

Moderat steigende Zinsen haben überwiegend positive Effekte auf die Lebensversicherer, werden sich jedoch erst mittelfristig auch für die Kunden positiv auswirken. Sollte es zu einem steileren Zinsanstieg kommen, werden die genannten negativen Effekte deutlich verstärkt und LVs verlieren stark an Wettbewerbsfähigkeit. In einem solchen Szenario müssten sie sich fragen, wie sie produktseitig schnell reagieren können. Evtl. macht dann sogar die Gründung eines zweiten Rechtsträgers ohne „Altlasten“ Sinn.

Fazit: Die hohe Inflation setzt kurzfristig das Neugeschäft unter Druck, wird jedoch langfristig eine erhöhte Nachfrage verursachen. Die Lebensversicherer sind aufgefordert die entsprechenden Produkte, mit Rendite über Inflation, hoher Flexibilität und Sicherheit zur Verfügung zu stellen. Die momentan moderat steigenden Zinsen helfen die Solvenz der LVs zu verbessern. Sollte sich der Zinsanstieg beschleunigen, verursacht dies Probleme für die LVs. Die Versicherer sind aufgefordert in einem Basisszenario zu planen, jedoch entsprechende Risikoszenarien zu betrachten und Strategien zu entwickeln, wie sie sich im jeweiligen Umfeld positionieren wollen.