Wir brauchen eine starke Rüstungsindustrie

Artikel aus dem Handelsblatt Journal Sicherheitspolitik und Verteidigungsindustrie vom 16.2.2024

Russland führt einen unvermindert brutalen Angriffskrieg gegen die Ukraine – mit unermesslichem Leid für die Bevölkerung und rücksichtsloser Zerstörung der Infrastruktur. Dieser Krieg zeigt: Frieden in Europa ist keine Selbstverständlichkeit. Wir erleben weltweit sicherheitspolitische Umbrüche, die auch für uns in Deutschland zu Zäsuren werden und uns wachrütteln. Deshalb müssen wir unsere Werte und unsere Sicherheit gemeinsam mit unseren Verbündeten verteidigen können und aktiv Verantwortung  übernehmen. Das bedeutet: Wir müssen kriegstüchtig sein. Dies ist die Grundlage für eine glaubhafte Abschreckung und Verteidigung. Unsere Bürgerinnen und Bürger sowie unsere Verbündeten erwarten mehr denn je eine moderne, voll ausgestattete sowie einsatzbereite Bundeswehr. Zeitgemäße Landes- und Bündnisverteidigung ist wieder Kernauftrag der Bundeswehr. Über Jahrzehnte entstandene materielle Lücken sind schnellstmöglich wieder zu füllen. Das ist eine große Herausforderung, auch für die wehrtechnische Industrie.

Planungssicherheit zum Kapazitätsaufbau
Das Sondervermögen Bundeswehr ist dabei ein erster Schritt. Die Optimierung des Beschaffungswesens ein weiterer. Mit dem Faktor „Zeit“ als bestimmendes Merkmal wurde ein Paradigmenwechsel für die Beschaffung vollzogen. Die Nutzung von marktverfügbaren Lösungen und die Außerkraftsetzung interner Regelungshemmnisse eröffnen neue Handlungsspielräume. Dies gilt auch für die verbesserten rechtlichen Rahmenbedingungen, beispielsweise durch das Bundeswehrbeschaffungsbeschleunigungsgesetz.

Im zurückliegenden Jahr wurde eine Rekordzahl von 55 großvolumigen Verträgen jeweils oberhalb von 25 Millionen Euro durch das Parlament zur Beschaffung frei gegeben. Das bedeutet, dass der Ball zur Umsetzung dieser Vorhaben sowie der vielen weiteren geschlossenen Verträge nun im Feld der Industrie liegt. Unsere nationale wehrtechnische Industrie liefert Spitzentechnologie, ist innovativ, leistungs- und wettbewerbsfähig. Hinzu kommt, dass Deutschland einen exzellenten Industriemix von „Global Playern“ und wehrtechnischem Mittelstand als Rückgrat der Branche aufweist. Das ist unsere Stärke.

Die Kriegstüchtigkeit der Bundeswehr setzt eine schnell und nachhaltig lieferfähige Industrie voraus. Die Schaffung von Planungssicherheit zum Kapazitätsaufbau ist dabei ein bedeutendes Element. So können letztendlich nicht nur die Produktionsmengen erhöht, sondern auch Lieferzeiten verkürzt werden. Planungssicherheit erfordert, dass langfristig über das Sondervermögen der Bundeswehr hinaus zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung bereitgestellt werden. Sicherheit gibt es nicht zum Nulltarif!

Rüstungsexportpolitik neu denken
Planungssicherheit bedeutet aber auch Verlässlichkeit beim Rüstungsexport. Der Rüstungsexport ist  neben der nationalen Nachfrage die wesentliche Säule für die nationale wehrtechnische Industrie. Deshalb gehört es dazu, Rüstungsexportpolitik neu- und Sicherheitsinteressen strategischer Partner mitzudenken. Gegenüber unseren Partnern stehen sonst unsere Glaubwürdigkeit, Verlässlichkeit und Kooperationsfähigkeit auf dem Spiel. Kostspielige parallele Entwicklungen sind aufgrund des Zeithorizonts und finanzieller Rahmenbedingungen nicht mehr akzeptabel. Gleichzeitig sollten wir in Europa unsere Interessen durchsetzen, um eine nationale und europäische souveräne verteidigungsindustrielle Basis mitzugestalten. Hierfür gilt es, die nationale, europäische und transatlantische Beschaffung sorgfältig abzuwägen und auszubalancieren.

Mehr Eigeninitiative der Industrie
Sicherheit heißt auch, resiliente Lieferketten, die Energie- und Rohstoffversorgung sowie die Verfügbarkeit von Fachkräften im Sinne der staatlichen Vorsorge zu gewährleisten. Dazu gehört anzuerkennen, dass wirtschaftliche Aktivitäten dieser Industrie zur Sicherheit unseres Landes beitragen. Bei allen von uns getroffenen Maßnahmen ist auch die wehrtechnische Industrie gefordert, Leistungen in der vertraglich vereinbarten Zeit, qualitativ hochwertig und im Kostenrahmen zu erfüllen. Hierzu braucht es mehr Eigeninitiative, um marktverfügbare Lösungen bereitzustellen. Das verlangt mehr unternehmerisches Risiko – was in Zeiten sicherheitspolitischer Hochkonjunktur durchaus lohnenswert erscheint. Die Sicherheits- und Verteidigungsindustrie ist für unser Land von großer Bedeutung: aus wirtschaftlicher, technologischer und sicherheitspolitischer Sicht. Die Gestaltung der Zeitenwende ist eine Daueraufgabe und wir können die aktuellen Herausforderungen nur zusammen meistern. Sorgen wir also gemeinsam dafür, die Sicherheit Deutschlands zu gewährleisten. ■

Deutschland weist einen exzellenten Industriemix von „Global Playern“ und wehrtechnischem Mittelstand auf. Das ist unsere Stärke.

Das aktuelle Handelsblatt Journal
Dieser Artikel ist im aktuellen Handelsblatt Journal „Sicherheitspolitik und Verteidigungsindustrie“ erschienen. Das vollständige Journal können Sie sich hier kostenlos herunterladen:
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