Vom Sozialpartner- zum Erfolgsmodell – Kollektive Einbringung bereits erdienter Versorgungsanwartschaften in die reine Beitragszusage

Dr. Rafael Krönung & Roland Horbrügger, Aon

Das Eis ist gebrochen. Die bereits seit 2018 bestehende Möglichkeit der Tarifvertragsparteien, eine betriebliche Altersversorgung (bAV) in Gestalt einer reinen Beitragszusage (rBZ), dem sog. „Sozialpartnermodell“, einzuführen, wurde bislang in der Praxis noch nicht umgesetzt. Dies ändert sich nun durch die Einführung der ersten Sozialpartnermodelle, dem bereits verkündeten Modell bei Uniper und der für die Chemiebranche angekündigten Lösung.

Es steht zu erwarten, dass weitere Branchen nachziehen und von der Einführung der rBZ Gebrauch machen werden. Dies wird die über Jahrzehnte gewachsene betriebliche Versorgungslandschaft über kurz oder lang verändern. Immerhin entfällt die Subsidiärhaftung der Arbeitgeber sowie der gesetzliche Insolvenzschutz der Anwartschaften aus einer rBZ. Für die Höhe der Leistungen aus einer rBZ bestehen keine Garantien mehr, sodass diese auch in der Rentenbezugsphase der Höhe nach schwanken kann. Auf der anderen Seite ermöglichen die fehlenden Garantien eine attraktivere Kapitalanlage und somit die Chance auf deutlich höhere Leistungen als in der klassischen bAV.

Sind Arbeitgeber erst einmal durch oder aufgrund eines Tarifvertrags (TV) zur Erteilung einer rBZ verpflichtet, ist es unproblematisch, bestehende Versorgungssysteme für neu eintretende Mitarbeiter zu schließen und diese ausschließlich über die rBZ zu versorgen. Dies ändert aber nichts am Fortbestehen der vorhandenen Versorgungszusagen. Daher werden viele Arbeitgeber daran interessiert sein, auch bestehende bAV-Systeme durch eine rBZ abzulösen und zumindest die zukünftig noch zu erdienenden Anwartschaften, den sog. „Future Service“, aber im besten Fall auch die erdienten Anwartschaften, den sog. „Past-Service“, als Einmalbeitrag in eine rBZ einzubringen und dann nach den dafür geltenden Rahmenbedingungen fortzuführen.

Ablösung des Past Service über die rBZ?

Die Einbringung des Past Service in Gestalt eines Besitzstandes als Initialbaustein in die rBZ ist dabei kein abwegiger Gedanke. So sehen die §§ 4 Abs. 3 S. 5 und 22 Abs. 3 Nr. 1b) BetrAVG diese Möglichkeit im Zusammenhang mit einem Arbeitgeberwechsel explizit vor, setzen allerdings die Zustimmung des Versorgungsberechtigten voraus. Für die Ablösung eines bestehenden bAV-Systems durch eine rBZ enthält das BetrAVG hingegen keine Vorschriften, sodass sie derzeit anhand der bisherigen Rechtsprechung zu Eingriffen in Versorgungszusagen zu messen sein wird. Unter der Annahme, dass die meisten Arbeitgeber in erster Linie an einer kollektivrechtlichen Ablösung des bisherigen Systems, also einer Ablösung durch Betriebsvereinbarung (BV) oder Tarifvertrag (TV) interessiert sind, kommt man zu folgenden Überlegungen:

Eine Änderung der Versorgungszusage durch BV ist nur dann wirksam, wenn die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes gewahrt werden, die von der Rechtsprechung durch die sog. „Drei-Stufen-Theorie“ konkretisiert wurden. Danach sind Eingriffe in Besitzstände der bAV nur dann wirksam, wenn dafür entsprechende Rechtfertigungsgründe vorhanden sind. Sofern die Einbringung des Past Service in eine rBZ durch TV erfolgt, ist die Ablösung daran zu messen, ob sie gegen das Grundgesetz oder höherrangiges Recht verstößt. Letztlich ist eine tarifvertragliche Ablösung ebenfalls an den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit zu messen.

In beiden Fällen gilt: Die zugesagte bAV stellt einen Entgeltbestandteil des Mitarbeiters dar, für den Past Service hat der Mitarbeiter seine Gegenleistung bereits erbracht. Aus diesem Grund soll die hierfür zugesagte Versorgungsleistung nur noch entzogen werden können, wenn zwingende Gründe dies rechtfertigen. Diese Hürde ist so hoch, dass die Einbringung des Past Service in die rBZ mittels BV grundsätzlich nur dann möglich sein wird, wenn dabei keine Nachteile für den Mitarbeiter entstehen.

Änderung zugunsten der Versorgungsberechtigten?

Nachteilhaft wirkt sich sicherlich der Entfall von Garantien und der gesetzlichen Insolvenzsicherung für die erdiente Anwartschaft aus. Allerdings wollte der Gesetzgeber die bAV durch die Einführung der rBZ ausdrücklich stärken und sah in den Chancen auf eine hohe Versorgungsleistung einen hinreichenden Grund dafür, das Risiko von Leistungsschwankungen für die Versorgungsberechtigten – auch vor dem Hintergrund der notwendigen Mitwirkung durch die Tarifpartner – zu akzeptieren. Spannend ist in diesem Zusammenhang die Frage, ob die Chance auf höhere Leistungen in der rBZ die Möglichkeit einer geringeren als der zum Umstellungszeitpunkt erdienten Versorgungsleistung ausgleicht, so dass sich die Ablösung des Past Service als insgesamt nicht nachteilhaft für die Versorgungsberechtigten darstellt und somit wirksam ist.

Anderenfalls könnte erst im Leistungsfall bewertet werden, ob die Ablösung für die Versorgungsberechtigten nachteilig war. Müsste der Arbeitgeber gegebenenfalls dafür einstehen, falls die Leistung aus dem Sozialpartnermodell unter die erdiente Anwartschaft bei Umstellung fällt, wäre die Attraktivität einer solchen Ablösung der bestehenden Versorgungszusage nur noch bedingt gegeben, da der Arbeitgeber dauerhaft damit rechnen müsste, für eine möglicherweise zukünftig entstehende Lücke in Anspruch genommen werden zu können.

Es stellt sich somit die Grundsatzfrage, wie die Ablösung einer bislang durch den Arbeitgeber garantierten Anwartschaft durch eine reine Beitragszusage arbeitsrechtlich zu werten ist. Dies betrifft zum einen den hier diskutierten Past Service. Die Frage stellt sich aber auch hinsichtlich der Ablösung des Future Service einer Versorgungszusage und somit für den Fall, dass Mitarbeiter mit bestehenden Zusagen für künftige Anwartschaftssteigerungen auf eine rBZ überführt werden sollen.

Um die rBZ von einem Sozialpartner- zu einem enormen Erfolgsmodell zu entwickeln, könnten die bestehenden Unsicherheiten hinsichtlich der Ablösung bestehender Versorgungszusagen durch eine rBZ beseitigt werden. Wünschenswert wäre eine gesetzliche Regelung zur kollektiven Einbringung des Past Service in eine rBZ und zur rechtssicheren Ablösung des Future Service. Weiterhin ist die Übernahme des Past Service gemäß § 3 Nr. 66 EStG bislang steuerlich nur dann unschädlich, wenn sie von einem Pensionsfonds, nicht aber, wenn sie von einer Direktversicherung oder einer Pensionskasse erfolgt. Dies sollte gegebenenfalls erweitert werden, um Direktversicherungen und Pensionskassen hinsichtlich der Durchführung der rBZ nicht unangemessen zu benachteiligen.