Stahlschrott und die Elektrolichtbogenroute: Ressourceneffizienz unter dem Druck der Transformationspolitik

Schrott und Strom zu Stahl – dies ist seit über 30 Jahren unsere Erfolgsformel in Riesa. Wir legen höchsten Wert auf umweltschonende Verfahren; sie sind Teil der Feralpi-Wurzeln. Carlo N. Pasini, Gründer der Feralpi Group, prägte den Satz: „Produzieren und Wachsen mit Rücksicht auf die Menschen und die Umwelt“ – er ist nach wie vor der Maßstab unseres Handelns.

Unser Elektrostahlwerk in Riesa ist Teil der Sekundärroute, die 30 % des deutschen Stahls produziert. Der CO₂-Ausstoß pro Tonne Stahl liegt im Vergleich zu den Werken der Primärroute bei nur einem Fünftel. Die Herstellung unseres Baustahls ist Kreislaufwirtschaft in Perfektion: Wir stellen ihn zu 100 % aus Schrott her. Der Recyclinganteil in unseren Endprodukten liegt bei 97,8 %.

In Deutschland ist FERALPI STAHL als eines von nur zwei Stahlwerken EMAS-zertifiziert – ein Gütesiegel, das weit über die gesetzlichen Vorgaben im Bereich Umwelt hinausgeht. Innerhalb der Feralpi Group verwenden wir über 94 % unserer in der Herstellung entstehenden Nebenprodukte wieder bzw. verkaufen sie weiter, etwa an Straßenbau-Unternehmen, die unsere Ofenschlacke verwerten.

Aktuell investiert die Feralpi Group über 220 Mio. Euro aus Eigenmitteln am Standort Riesa. Wir wollen hier zeigen, wie die Transformation unserer Industrie gelingen kann. Der Investitionsplan umfasst u. a. ein neues, emissionsfreies Spooler-Walzwerk und eine hochmoderne Schrottaufbereitungsanlage sowie Investitionen in die Infrastruktur.

Wir waren schon einmal Vorreiter – mit Mut und Weitsicht kaufte der Präsident der Feralpi Group, Giuseppe Pasini, die Grundstücke des ehemaligen Stahlkombinats in Riesa der Treuhand ab und baute ein modernes Elektrostahlwerk. Heute befinden wir uns auf dem Weg zum grünen Stahl inmitten einer riesigen Transformation. Damit diese gelingt, brauchen wir wettbewerbsfähige Strompreise. Nur so können wir mit einem Standort in Deutschland international wettbewerbsfähig produzieren.

Ohne erneuerbar erzeugten Strom kein grüner Stahl
Denn so groß das Potential der Sekundärroute für die ökologische Transformation auch ist: Die Abhängigkeit von Strom-Mix und Marktpreisen bleibt. Schon heute liegt unser jährlicher Stromverbrauch in Riesa mit ca. 540 GWh auf einer Höhe mit dem Jahresbedarf aller Privathaushalte der Stadt Dresden mit ihren 550.000 Einwohnern. Durch die Inbetriebnahme unseres neuen Walzwerkes steigern wir unseren Verbrauch um mehr als ein Drittel auf über 700 GWh.

Könnten wir unseren aktuellen Strombedarf vollständig mit Erneuerbaren decken, so würden unsere CO2-Emissionen nach Scope 1 und Scope 2 auf einen Schlag – und ohne weitere Investitionen in unser Werk – um ca. 90 % sinken.

An der Erreichung dieses Ziel arbeiten wir bereits, indem wir mit lokalen Partnern direkt in die Erzeugung grüner Energie, also in Wind- und Solarparks in der Region, investieren. Parallel zum Ausbau der erneuerbaren Energien benötigen wir auch eine stabile Grundlast, um verlässlich produzieren zu können.

Im aktuellen krisengeprägten Umfeld bedeutet der Einsatz von Strom für die Stahlherstellung allerdings unvorhergesehen hohe Kostensteigerungen. Allein durch die Anhebung der Netzentgelte und den Wegfall staatlicher Unterstützung zum Jahreswechsel sind wir 2024 bei den Stromnebenkosten mit Mehrkosten von über 11 Mio. Euro konfrontiert.

Die Transformation unserer Industrie und die Stärkung der Kreislaufwirtschaft erfordern jedoch international wettbewerbsfähige Strompreise. Ansonsten gefährden wir die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Stahlindustrie.

Die Stärkung der Kreislaufwirtschaft braucht ein faires Marktumfeld
Wir brauchen jetzt Planungssicherheit sowie ein faires Marktumfeld. Das gilt auch für den Zugang zu unserem Sekundärrohstoff Schrott. Wir als mittelständische Stahlindustrie recyceln Schrott effizient und benötigen die Sicherheit, diesen für unsere Stahlproduktion in ausreichender Menge und Güte vom europäischen Markt zu beziehen.

Ein faires Marktumfeld bedeutet vor allem auch einheitliche Regeln und Standards. Insbesondere auf EU-Ebene benötigen wir dringend eine Einigung, nach welchen Kriterien der „grüne Stahl“ der Zukunft produziert werden muss, und entsprechende transparente Richtlinien für einen grünen Leitmarkt.

Nur unter diesen Voraussetzungen – mit gemeinsamen Standards und ausreichenden Mengen grünen Stroms sowie grünem Wasserstoff als Substitut für Erdgas zu wettbewerbsfähigen Preisen – sind die ökologische Transformation und die Stärkung der Kreislaufwirtschaft eine Investition in eine nachhaltige Zukunft. Aktuell fehlen viele Voraussetzungen für eine strukturierte Transformation, die die Existenz des energieintensiven Mittelstands langfristig sichert.

Ich freue mich auf die Panel-Diskussion am 13. März mit Bernd Fleschenberg von TSR Recycling und Dr. Evin Zozan vom VDA bei der Handelsblatt Jahrestagung Zukunft Stahl in Essen.