Please mind the gap…

Artikel aus dem Handelsblatt Journal „Betriebliche Altersversorge und Kapitalanlage“ vom 25.05.2022

… between a man’s and a woman’s pension. Denn die finanzielle Kluft, die zwischen den Geschlechtern im Alter entsteht, ist gravierend – mit Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft, wenn man den demographischen Wandel bedenkt.

Artikel, Bücher, Dating-Portale beschäftigen sich damit, welche Eigenschaften es zur Traumfrau braucht. Darunter finden sich wahlweise und mit unterschiedlicher Ausprägung Attribute wie Treue, Intelligenz oder Humor. Und durchweg die Werte Einfühlungsvermögen oder Familiensinn. Was im Dating-Kontext noch unwesentlich klingen mag, wird viele Jahre später, nämlich mit Renteneintritt, zum Problem für 50,7 Prozent der deutschen Bevölkerung: Frauen haben eine hohe Wahrscheinlichkeit, im Alter unter die Armutsgrenze zu rutschen. Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen: Frauen über 65 sind derzeit mit einem Anteil von 20 Prozent stärker armutsgefährdet als gleichaltrige Männer mit 15 Prozent. Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung steigt die Zahl der alleinstehenden Frauen im Rentenalter, deren Einkommen nicht fürs Leben reicht, kontinuierlich an: Waren es 2016 noch gut 16 Prozent, sollen es 2036 sogar fast 30 Prozent sein. Und das beschriebene Einfühlungsvermögen und der ausgeprägte Familiensinn sind Gründe dafür: Denn Frauen übernehmen überproportional oft die sogenannten Care-Tätigkeiten innerhalb der Familie, kümmern sich um Kinder oder pflegebedürftige Angehörige, und werden dafür nicht entlohnt.

Rentenlücke doppelt so hoch wie Einkommenslücke
Mit Blick auf das Einkommen fallen bei Frauen also gleich mehrere Dinge zusammen. Zum einen klafft noch eine große Lücke zwischen den Gehältern der Geschlechter. Gleiche Arbeit wird überwiegend nicht gleich entlohnt. Destatis rechnet für 2020 vor, dass Männer noch immer rund 18 Prozent mehr verdienen als Frauen. Damit gehört Deutschland innerhalb der Europäischen Union zur Spitze der Länder mit ungleicher Bezahlung. Der EUweite Durchschnitt betrug laut EU-Kommission im selben Jahr 14,1 Prozent. Konkret heißt das: In Deutschland verdienten Frauen 2021 pro Stunde im Durchschnitt 19,12 Euro Bruttolohn – gegenüber 23,20 Euro bei den Männern. Diese Differenz von 4,08 Euro pro Stunde heute fehlt den Frauen genauso, um die Rente von morgen zu finanzieren, ebenso wie die unbezahlten Stunden, die für Care-Tätigkeiten geleistet werden. Daher ist nicht nur die Teilzeitquote bei den Frauen hoch, sie sind auch sehr viel öfter nicht berufstätig als Männer, haben häufiger und länger Erwerbsunterbrechungen oder arbeiten in Minijobs ohne Rentenversicherung. In Summe sorgen diese Faktoren dafür, dass der Gender- Pay-Gap von rund 18 Prozent im Alter zu einem doppelt so hohen Gender-Pension-Gap von 36,3 Prozent wird, wie die Statistikbehörde Eurostat ermittelt hat. Der Deutschen Rentenversicherung zufolge bekamen Frauen im Jahr 2021 lediglich durchschnittlich 710 Euro Rente brutto. Bei Männern waren es im Durchschnitt 1.139 Euro – also 429 Euro mehr.

Altersvorsorge – mehr als nur eine Säule
Auch auf politischer Ebene kann noch mehr getan werden. Beispielsweise beim Ehegattensplitting, das dem individuellen Paar oft Vorteile bringt, wenn sich die Einkünfte stark unterscheiden. Idealerweise fußt die Altersvorsorge jedoch auf drei Säulen und da können gerade für Frauen die private und die betriebliche Vorsorge einen Teil der Rentenlücke ausgleichen. Was wir hierfür brauchen ist ein Mehr an Aufklärung und Transparenz. Denn auch wenn der Gender-Pension-Gap hauptsächlich Frauen betrifft, ist er doch ein gesamtgesellschaftliches Thema. Wer im Alter nicht auf eigenen Füßen steht, muss anderweitig unterstützt werden – das heißt, in der Regel vom Staat – und dafür kommen wir alle auf.

Zusätzlich vorsorgen?
Wichtig ist zunächst, dass wir über den Gender-Pension- Gap sprechen. Ein Großteil der Bevölkerung verlässt sich nach wie vor – unabhängig vom Geschlecht – auf die gesetzliche Rente. Private und betriebliche Altersvorsorge kommen oft zu kurz. Dabei wächst schon bei einem Fonds- oder ETF-Sparplan, der mit 50 Euro monatlich bespart wird, über die Jahre eine stolze Summe an, weil auch der Zinseszinseffekt wirkt. Was viele nicht wissen: Alle sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in Deutschland haben Anspruch auf eine betriebliche Altersvorsorge. Seit Anfang dieses Jahres sind Arbeitgeber sogar zu einem Zuschuss von 15 Prozent verpflichtet. Hinzu kommen Ersparnisse bei Sozialabgaben und Steuern. Bei einer Vollzeitbeschäftigten mit einem Bruttoeinkommen von 3.223 Euro – durchschnittlicher Stundenlohn einer Frau von 19,12 Euro bei 38,9 Stunden pro Woche – und einem Nettoeinsatz von 122 Euro in die bAV über 20 Jahre könnte „Frau“ beispielsweise eine zusätzliche Rente von 200 Euro monatlich auf Lebenszeit erzielen.

Digitale Lösungen schaffen Transparenz
Es gibt sie also, Lösungen, mit denen sich die Geschlechterschere im Alter verkleinern lässt. Interessanterweise sind diese Lösungen nicht neu, sondern über viele Jahre etabliert. Wenn sie dennoch von zu wenigen Menschen hierzulande genutzt werden, stimmt etwas mit der Kommunikation nicht. Was wir brauchen, ist eine transparente Aufklärung über die Rentenlücke, die vor allem Frauen betrifft, wenn sie ihre Vorsorge nicht selbst in die Hand nehmen. Studien zeigen, dass sich gerade Frauen wünschen, in ihrer spezifischen Lebenssituation abgeholt zu werden. Damit sind einerseits die Vermittlerinnen und Vermittler gefragt, die rund um private und betriebliche Altersvorsorgeprodukte beraten. Zum anderen hat die zunehmende Digitalisierung das Potenzial, für Aufklärung zu sorgen. Denn mit digitalen Tools stehen Informationen und Daten in einem anderen Ausmaß bereit, können individualisiert aufbereitet werden und auf Basis von Alter, Familienstand und beruflicher Entwicklung den individuellen Vorsorgebedarf ermitteln. Wie gut die digitale bAV-Beratung zur Aufklärung beiträgt, unterstreichen die Daten unserer Plattform. Im Schnitt liegt der Arbeitgeberzuschuss dort nämlich bei 32 Prozent – also deutlich über den 15 Prozent, die gesetzlich vorgeschrieben sind. Für Arbeitnehmende ein wichtiger Hebel.

Altersvorsorge neu denken?
Neben den digitalen Lösungen, mit denen sich der Gender-Pension-Gap bereits verringern ließe, macht es sicherlich auch Sinn, über Reformen für die bAV nachzudenken. In anderen Ländern ist das Modell auch deshalb erfolgreich(er), weil sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht aktiv für die betriebliche Altersvorsorge entscheiden müssen (Opting-in), sondern ihr widersprechen müssen (Opting-out), sollten sie partout kein Interesse haben. Eine solche Variante wäre auch nach deutschem Recht möglich und Experten glauben, dass damit auch jene Angestellte erreicht werden könnten, an denen die bAV bisher vorbeigegangen ist. Mit Blick auf Studien und Daten betrifft das besonders Frauen, die ihre Altersvorsorge noch immer stärker vernachlässigen als Männer. Wir haben 2022, packen wir’s an. ■


Monika Ritzer,
Director Sales, Xempus

Es gibt sie, Lösungen, mit denen sich die Geschlechterschere im Alter verkleinern lässt.

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