Nur wer neu denkt, kann Neues schaffen

AXA-Chef Thilo Schumacher über Digitalisierung im Versicherungsgeschäft und die Notwendigkeit, erst die passende Kultur zu schaffen

Versicherung sind langweilig und überflüssig. Dieses Gefühl haben viele Menschen – zumindest, so lange sie glauben, keine Versicherung zu brauchen. Auch ich würde mir wünschen, dass wir in solchen Zeiten lebten. Dass wir unsere Relevanz intensiv erläutern müssten, weil die Menschen auch ohne uns ausreichend viel Sicherheit und Stabilität empfinden.

Klimawandel, Energiekrise und Inflation sind nur einige der Themen, die die ganze Gesellschaft beschäftigen. Die Welt wirkt immer unsicherer, der Wunsch nach Sicherheit steigt. Versicherer können hierzu ihren Beitrag leisten, weil sie in der Lage sind, eine Absicherung gegen existenzielle Risiken zu geben. Das kann sowohl emotional als auch real einen echten Unterschied machen.

Als Versicherer sind wir Experten für Risiken und müssen langfristig denken und handeln, um unser Leistungsversprechen jederzeit erfüllen zu können. Die Basis unserer Prämienkalkulation sind Eintrittswahrscheinlichkeiten von Ereignissen. Dabei unterscheiden wir „unmöglich“ und „unwahrscheinlich“. Im täglichen Sprachgebrauch sagen wir oft, „das kann nicht sein“. Für uns Versicherer ist zwischen Unmöglichkeit und Unwahrscheinlichkeit ein riesengroßer Unterschied: Ersteres müssen wir nicht einplanen, zweiteres schon. Schäden, die früher als quasi unmöglich angesehen wurden, sind heute Realität. Wer hätte vor 20 Jahren gedacht, wie heftig und oft Extremwetter auftreten, oder dass Hacker ganze Unternehmen lahmlegen? Genauso müssen wir uns jetzt darüber Gedanken machen, welche Gefahren, die heute undenkbar sind, in 20 Jahren real sein könnten. Dieses Managen von Risiken liegt in unserer DNA als Versicherer. Sicherheit zu geben – auch in unsicheren Zeiten – ist unsere Kernkompetenz und unsere Mission als AXA. Um diese zu erfüllen, müssen wir jeden Tag dazulernen und uns mit zukünftigen Risiken auseinandersetzen.

Technologie und Mensch im Zusammenspiel – das ist der Schlüssel
Wir möchten alles, überall und jederzeit, das gilt auch für Versicherungen. Einfache Dinge erledigen wir gerne digital. Komplexe Themen und mit Unsicherheit behaftete Fragestellungen besprechen wir noch immer am liebsten mit einem Menschen und nicht mit einem Chatbot oder Avatar. Daher ist für uns die optimale Zusammenarbeit von Mensch und Maschine entscheidend. Jeder, der möchte, wird auch in Zukunft bei AXA persönliche Ansprechpartner: innen haben. Mit Hilfe technologischer Unterstützung können wir die persönliche Betreuung vereinfachen, beschleunigen und effizienter gestalten – und unsere Teams dort einsetzen, wo die Kund:innen es schätzen. Gerade im Krisenfall brauchen Menschen andere Menschen, nehmen technologische Unterstützung aber dankbar an. Die Hochwasserkatastrophe nach dem Tief „Bernd“ im letzten Jahr hat leider eindrucksvoll gezeigt, wie wichtig den Betroffenen der persönliche Kontakt zu unseren Agenturen und Schadenregulierern vor Ort war. Die Möglichkeit, Dokumente über unser Portal „My AXA“ digital einreichen zu können, ist dazu eine gute Ergänzung, die den Papierkram für unsere Kund:innen und auch unsere Vertriebspartner:innen vereinfacht.

Digitalisierung funktioniert nur, wenn sie richtig gedacht und gemacht wird: und zwar Ende-zu-Ende.

Digitalisierung muss Ende-zu-Ende gedacht werden – von Anfang an
Digitalisierung funktioniert nur, wenn sie richtig gedacht und gemacht wird: und zwar Ende-zu-Ende. Intuitive Kundenschnittstellen wie „My AXA“, die mittlerweile zu zwei Dritteln über Mobilgeräte abgerufen wird, sind wichtig – aber nur eine Seite der Medaille. Nur, wenn auch die dahinterliegenden Prozesse aus Sicht der Nutzer:innen digitalisiert und designt werden, werden Kund:innen Self-Services annehmen. Im Rahmen unseres Transformationsprogramms in der Sachversicherung werden wir innerhalb von 3 Jahren den Automatisierungsgrad verdoppeln, damit Kund:innen nach der digitalen Eingabe noch schneller Ergebnisse bekommen. Auch Künstliche Intelligenz leistet hierzu einen wertvollen Beitrag. Bei AXA haben wir unter anderem eine KI im Einsatz, die in nur fünf Minuten 500.000 Schadenakten auswerten kann. Sie hilft unseren Mitarbeitenden dabei, Schaden von unseren Versicherten abzuwenden. So schützen wir unsere Kund:innen in der Sachversicherung vor unberechtigten Forderungen Dritter und verhindern damit, dass sie in Zukunft deshalb höhere Prämien zahlen müssten.

Transformation beginnt im Kopf
Für Prozesse, die Ende-zu-Ende gedacht, entwickelt und umgesetzt werden, bedarf es crossfunktionaler Zusammenarbeit. Dabei müssen fachliche Einheiten und Tech-Teams dauerhaft, eng und vertrauensvoll zusammenarbeiten, um das beste Angebot für Kund:innen zu schaffen. Agile Strukturen machen dieses crossfunktionale Arbeiten leichter. Eine Agile Organisation funktioniert aber nur, wenn sie nicht einer unvorbereiteten Belegschaft übergestülpt wird. Transformation muss deshalb früher beginnen: bei der Unternehmenskultur. Für uns bei AXA hat es den entscheidenden Unterschied gemacht, dass wir erst die Barrieren in unseren Köpfen abgebaut und danach die Organisation verändert haben.

Schon 2012, vor zehn Jahren, haben wir einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess in den operativen Einheiten geschaffen. 2016 ging es weiter mit New Way of Working, neuen Planungsritualen und Duzkultur. 2020 starteten mit zwei Tribes die ersten agilen Einheiten. Ende diesen Jahres werden wir einen weiteren Meilenstein erreichen, wenn bei AXA dann rund 1.500 Menschen in 14 Tribes arbeiten – fast ein Fünftel aller Mitarbeitenden. Wichtig ist dabei auch, dass es auf Vorstandsebene, nicht nur im IT-Ressort, neben fachlichen Skills ein grundlegendes Verständnis von Technologie gibt. Es geht nicht darum, selbst programmieren zu können. Aber darum, Technik und IT zu verstehen, um deren bestmöglichen Einsatz bewerten zu können.

Da, wo es sinnvoll ist, wollen wir wie ein Tech-Unternehmen ticken. Nur so gelingen ambitionierte Projekte, die Versicherung und Technologie zusammenbringen, wie unser mehrfach ausgezeichnetes Kundenportal “My AXA” oder unser großangelegtes Transformationsprogramm in der Sachversicherung. Aber im Kern wollen wir trotzdem ein Versicherungsunternehmen bleiben.

Wir wollen unseren Kund:innen Sicherheit geben – so einfach wie möglich, gerade in unsicheren Zeiten. Das ist das, wofür wir jeden Morgen aufstehen. ■

Für Prozesse, die Ende-zu-Ende gedacht, entwickelt und umgesetzt werden, bedarf es crossfunktionaler Zusammenarbeit.

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