Die Rückkehr des Zinses
Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat weltweit eine Preissteigerungsspirale in Gang gesetzt, die nun die Zentralbanken zwingen, die geldpolitischen Zügel deutlich anzuziehen. Die amerikanische Notenbank hat bereits reagiert, die EZB dürfte in diesem Sommer mit den ersten Zinsschritten folgen. Die Kreditmärkte haben die Zinswende bereits vorweggenommen, der durchschnittliche Zins für eine 10-jährige Baufinanzierung ist innerhalb von zwei Monaten um rund 250 Basispunkte gestiegen. Eigentliche gute Nachrichten für Banken. Die Freude dürfte sich jedoch derzeit noch in Grenzen halten, da die Kreditnachfrage abnimmt und die Risikokosten spürbar steigen. Gleichzeitig kommen alte Sorgen wieder auf: Die Euro-Staatenkrise könnte wieder zurückkehren, da hochverschuldete Euro-Länder eine höhere Zinslast kaum schultern können.
Dämpfer für den Baufinanzierungs-Boom
Das Baufinanzierungsgeschäft war in den letzten Jahren der stabile Wachstumsmotor für alle Banken. Selbst die COVID-19-Pandemie konnte den Nachfrage-Boom nur kurzzeitig dämpfen. Nun könnte der rasante Zinsanstieg die Nachfrage drosseln, da Kreditnehmer, mit inflations-bedingten Mehrkosten und höheren Zinslasten zu kämpfen haben. Der Bauboom ist durch Bezugs- und Lieferprobleme sowie Ressourcenknappheit deutlich abgekühlt. Die Folge: Bereits in Q2 2022 ist die Nachfrage nach Baufinanzierungen spürbar zurückgegangen und erste Finanzierer haben ihre Prognosen für 2022 zurückgenommen.
Hoffnung: Wachstum in der gewerblichen Finanzierung
Bleibt noch die Hoffnung, dass eine erhöhte Nachfrage nach gewerblichen Finanzierungen könnte die Lücke ausgleichen. Unternehmen stehen vor drastischen Transformationen, um auf die neuen Marktgegebenheiten zu reagieren: Viele produzierende Unternehmen haben Lager in Betrieb genommen bzw. ausgebaut und den Lagerbestand deutlich erhöht, einige haben ihre Wertschöpfungskette verlängert und den Eigenfertigungsanteil erhöht. Gleichzeitig hat die Umstellung auf eine ressourcen-schonende und nachhaltige Produktion Fahrt aufgenommen. Dieser Umbau der heimischen Industrie erfordert ein massives Investitions-volumen, welches den gewerblichen Kreditmarkt einen starken Stimulus geben sollte.
Risikomanagement vor neuen Herausforderungen
Sorgen bereiten den meisten Häusern, die wachsende Rezessionsrisiken und die damit verbundenen Auswirkungen auf das Risikoergebnis. In den letzten zwei Jahren wurden pandemie-bedingte wirtschaftliche Einschränkungen durch staatliche Unterstützungs-programme erfolgreich abgefedert. Die Kombination aus Preissteigerungen, Lieferengpässen und Ressourcenknappheit dürfte die Anzahl der Insolvenzen aber wieder deutlich steigen lassen. Schlimmer noch: Diese Unternehmenskrisen werden zukünftig immer schwerer zu prognostizieren sein, da erfolgreichen Geschäftsmodellen von gestern, über Nacht und ohne Vorwarnung die Geschäftsgrundlage entzogen werden könnte. Risiken lassen sich zukünftig viel schwerer bewerten. Dies dürfte selbst die besten Risikomanagement-System fordern.
Das Ende des Hypes bei Venture-Finanzierungen
Im Markt ist daher bereits eine wachsende Risikoaversion zu spüren. Erste Auswirkungen werden derzeit bei den Finanzierungsrunden von jungen Wachstumsunternehmen sichtbar. Die Bewertungen gehen zurück, die Finanzierungsvolumen wird deutlich kleiner, was noch vor einem Jahr problemlos Financiers fand, findet heute keine Folgefinanzierung mehr. Junge Wachstumsunternehmen müssen ihre Ambitionen deutlich reduzieren und auf bessere Zeiten hoffen.
Regulatorik: Neue Anforderungen an Betriebsmodell und Eigenkapital
Auch von der Regulatorikseite droht den Banken weiteres Ungemach. Die neue EBA-Guideline geht deutlich über die bisherigen Anforderungen der MaRisk hinaus und dürfte den Umsetzungs- und Bewirtschaftungsaufwand im Kreditgeschäft weiter erhöhen. Wir beobachten ferner ein deutliches Anziehen der externen Prüfungen mit abnehmenden Toleranzschwellen. Last but not least müssen Banken sich auf steigende Eigenkapitalanforderungen einstellen.
Neue Herausforderungen: Weitere Anstrengungen erforderlich
Die Rückkehr des Zinses ist nicht die erhoffte Rückkehr in die alte Normalität. Die Zeiten von Kreditwachstum in allen Kreditarten bei gleichzeitig geringen Risiken sind vorbei. Die Begleitumstände führen dazu, dass Banken erhebliche Anstrengungen unternehmen müssen, ihr Geschäfts- und Betriebsmodell Kreditgeschäft wettbewerbsfähig, risikoarm und regulatorik-konform zu halten.