Artikel aus dem Handelsblatt Journal „Betriebliche Altersversorge und Kapitalanlage“ vom 24.05.2023
Der Fachdialog zur Stärkung der Betriebsrenten wurde mit einer gemeinsamen Gesprächsrunde von BMAS, BMF und einigen Verbänden und Einzelsachverständigen am 11. Mai abgeschlossen. Ende Juni will die Fokusgruppe private Altersvorsorge ihren Bericht vorlegen. Wer jetzt eine nachhaltige, Generationengerechtigkeit bringende, große Reform der kapitalgedeckten Altersversorgung in Deutschland erwartet, der wird enttäuscht werden. Das BMAS hat nun zwar eine aktualisierte Liste der schon hinlänglich bekannten Reformbedarfe und Reformvorschläge, denn seien wir mal ehrlich, ein Erkenntnisproblem haben wir diesbezüglich doch nun wirklich nicht gehabt. Eine Umsetzung wird aber vielfach daran scheitern, dass Besitzstandsschutz und Uneinigkeit unter den Sozialpartnern entgegenstehen. Das BMF wird einen Bericht vorlegen, der, so hofft es das BMF, nicht zu viele Minderheitsvoten enthält. Aber auch insoweit ist der große Wurf wohl nicht zu erwarten.
Die Kunst: Reformvorschläge unter einen Hut bringen
Und nicht gerade ermutigend war es, dass nahezu zeitgleich zu den Diskussionsprozessen schon wieder neue Fehlanreize gesetzt wurden. Zunächst die Zementierung von Schriftformerfordernissen im Arbeitsrecht durch das Nachweisgesetz, jetzt die Umsetzung der Pflegereform. Erst die lautstarke Intervention durch viele Verbände hat zu einer (Teil-)Bändigung des Bürokratiemonsters, das der Referentenentwurf des Pflegeunterstützungs- und Entlastungsgesetzes (PUEG) war, geführt. Aber es ist noch nicht die Zeit für eine vollkommene Entwarnung.
Und niemandem kann man folgendes vermitteln: Die Bundesregierung erklärt die Energiewende und fordert mehr Klimaschutz, Pensionskassen will sie aber bestrafen, wenn sie diese hehren Ziele unterstützen wollen. Eine steuerbefreite Pensionskasse soll nämlich ihre Steuerbefreiung verlieren, wenn sie z.B. eine ihr gehörende Immobilie mit Solarpanels und E-Ladestationen ausstattet und die Anlagen betreibt.
Der große Wurf vs. kurzfristige Maßnahmen
Um der bAV dennoch einen neuen Schub zu verleihen, sollte man nicht dem großen Wurf zu lange nachtrauern, sondern kleine Schritte in die richtige Richtung machen. Hilfreich wäre es z.B. die oben genannten drei Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Weitere Vorschläge zur Entbürokratisierung und Digitalisierung findet man zudem in der Stellungnahme der aba zum Fachdialog.
Die aktuellen Zahlen zur Verbreitung der bAV zeigen ein weiteres Mal, dass wir uns mehr um die Geringverdiener kümmern müssen. Die Geringverdienerförderung nach § 100 EStG hat sich bewährt, bedarf aber einer Stärkung durch Anhebung der Förderquote und Dynamisierung der Einkommensgrenzen. Das würde sofortige Wirkungen zeigen.
Helfen würde auch eine Öffnung der Sozialpartnermodelle für leitende Angestellte und nicht tarifgebundene Arbeitnehmer sowie für „Branchenfremde Nichttarifgebundene“.
Und die von der Koalition geforderten „Anlagemöglichkeiten mit höheren Renditen“ für Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung (EbAV) ließen sich auch relativ leicht erreichen. Statt starrer Bedeckungsanforderungen sollte dafür mittels der Instrumente des Asset Liability Managements die Steuerung von Pensionskassen auf die Maximierung der Wahrscheinlichkeit der Leistungserbringung zu den konkreten Fälligkeitsstichtagen der Leistungen hin ausgerichtet werden. Übergangsweise kämen Pufferlösungen in Betracht, welche temporär eine klar definierte Unterdeckung zulassen. Auch hinsichtlich der Überarbeitung der Vorschriften zur Kapitalanlage haben wir den Ministerien einfach umsetzbare Modernisierungen der sog. Anlageverordnung vorgelegt. Die o.g. aba-Stellungnahme enthält eine Fülle weiterer Vorschläge zur Deregulierung und Entbürokratisierung.
Und man sollte endlich umdenken: EbAV gehören nicht undifferenziert in die „Finanzmarktregulierung“! Wenn man das anerkennen würde, dann könnte eine gesamtheitliche Überprüfung der Regulierung große Erleichterungen bringen.
Und dann sollte man endlich die ertragssteuerliche und handelsbilanzielle Bewertung von Direktzusagen anpassen und soweit wie möglich vereinheitlichen und nicht noch länger abwarten, was das Bundesverfassungsgericht zu dem Thema irgendwann einmal sagen wird.
Endlich loslaufen
Das sind zwar eine ganze Reihe von Maßnahmen, sie ließen sich aber zumeist kurzfristig in Angriff nehmen. Dafür biete ich auch die Hilfe der geballten Kompetenz der aba an.
Mit solch kleinen Schritten kann man dann dem Ziel der Stärkung der betrieblichen Altersversorgung näherkommen, wenn man nur genügend von ihnen macht. Es gilt nur endlich loszulaufen!