Interview mit Nina Scholz, Country Manager Germany, Equinor

Interview mit Nina Scholz, Country Manager Germany, Equinor

Equinor beteiligt sich an Projekten für sowohl blauen als auch grünen Wasserstoff. Wieso sollten wir auf beide Formen setzen?

Der Bedarf an Alternativen zu Erdgas, Kohle und Öl ist enorm und wird angesichts der hohen Klimaziele in Deutschland und der Europäischen Union in den nächsten Jahrzehnten weiter steigen. Wasserstoff wird gerade bei der Dekarbonisierung der Industrie und Teilen des Transportsektors eine zentrale Rolle spielen. Im Zentrum der öffentlichen Debatte steht dabei meist grüner Wasserstoff.

Auch Equinor beteiligt sich in Europa an Projekten zur Herstellung von Wasserstoff aus erneuerbarem Strom. Hierfür müssen ausreichend erneuerbarer Strom und entsprechend groß-skalige Elektrolysekapazitäten zur Verfügung stehen. Gleichzeitig sollen die erneuerbaren Energien den deutschen Strommix noch schneller als bisher klimaneutral stellen. Die Dekarbonisierung in allen Sektoren treibt den Bedarf an erneuerbaren Energien. Das politische Ziel zum zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien ist erkannt worden, aber jetzt müssen auch Taten folgen. Der notwendige Ausbau wird jedoch nicht über Nacht erfolgen.

Und hier ist blauer Wasserstoff die Lösung?

Blauer und grüner Wasserstoff können in absehbarer Zukunft ihre Stärken dann am besten ausspielen, wenn sie komplementär eingesetzt werden. Blauer Wasserstoff wird mithilfe des erprobten Verfahrens der Reformierung aus Erdgas gewonnen. Das in diesem Prozess entstehende CO2 wird anschließend dauerhaft unterirdisch gespeichert. Der Vorteil des blauen Wasserstoffs ist, dass er schnell und verlässlich in großem Maßstab zur Verfügung steht. Durch die CO2-Speicherung ist er außerdem nahezu klimaneutral. Er kann grünen Wasserstoff ergänzen und zu einem konstanten Angebot von Wasserstoff beitragen. Verlässliche Verfügbarkeit ist eines der Hauptkriterien für Abnehmer, auf eine wasserstoffbasierte Produktion umzustellen. Größere Mengen an bereitgestellten Wasserstoff erleichtern die Umstellung und Investitionen in die Infrastruktur und können so als Kickstarter für andere Projekte dienen. Blauer und grüner Wasserstoff können daher gemeinsam den schnellen Hochlauf des Wasserstoffmarktes ermöglichen.

Was entgegnen Sie Kritikern, die bemängeln, blauer Wasserstoff sei aufgrund von Methan-Leckagen und geringen CO2-Abscheideraten klimaschädlicher als die direkte Verbrennung seines Ausgangsprodukts Erdgas?

Die mir bekannte Kritik stützt sich auf Annahmen für Upstream-Methanemissionen und Abscheidungsraten in Reformern, die nicht den Realitäten der aktuellen europäischen Projekte entspricht. Beispielsweise gehen manche Kritiker von Methanemissionen von mehr als drei Prozent aus. Auf dem norwegischen Festlandsockel beträgt dieser Wert bei der Erdgasförderung tatsächlich allerdings nur 0,01 Prozent. Hinzu kommt, dass die Technologie stetig weiterentwickelt wird und dadurch auch die CO2-Abscheidungsrate bereits heute deutlich höher ist als in einigen Studien angenommen. Equinors Wasserstoffprojekte basieren auf äußerst modernen und hocheffizienten Reformierungsanlagen, die eine Abscheidungsrate von circa 95 Prozent ermöglichen. Der in unseren Projekten hergestellte blaue Wasserstoff ist daher nahezu klimaneutral und hat eindeutig geringere Emissionen als die direkte Verbrennung von Erdgas. Damit die Nutzung von blauem Wasserstoff tatsächlich zu einer Reduktion von Emissionen führt, setzen wir uns für ein Zertifizierungssystem ein, das den Treibhausgas-Fußabdruck von blauem Wasserstoff entlang der gesamten Wertschöpfungskette transparent macht.

Bei der Herstellung von blauem Wasserstoff wird das entstandene CO2 gespeichert, damit es nicht in die Atmosphäre gelangt. Wie sicher ist das Verfahren?

Equinor hat über 25 Jahren Erfahrung mit CO2-Speicherung. Im Projekt „Sleipner“ haben wir bereits über 20 Millionen Tonnen CO2 ohne Probleme tief unter dem Meeresboden sicher gespeichert. Die Speicheranlage wird dabei streng überwacht und die Analysen werden den zuständigen Behörden übermittelt. Auch stellen wir alle Daten Dritten zur Verfügung, um Transparenz zu gewährleisten. Durch ein konstantes Monitoring wird sowohl der Druck als auch die Ausbreitung des CO2 überwacht – übrigens auch, wenn die Speicherkapazitäten eines Tages erschöpft sein werden. Beim Sleipner-Projekt gab es zu keinem Zeitpunkt Anzeichen von Druckerhöhung oder CO2-Austritt. Die Erfahrung aus dem Sleipner-Projekt ermöglicht es uns, ab 2024 die Speicherung von CO2 auch im industriellen Maßstab umzusetzen. Mit unseren Partnern werden wir im gemeinsamen Unternehmen Northern Lights im ersten Schritt bis zu 1,5 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr speichern können, später bis zu 5 Millionen Tonnen. Die geologischen Möglichkeiten sind damit noch lange nicht erschöpft. Allein in der Nordsee wird das Speicherpotenzial auf 160 Milliarden Tonnen geschätzt. Das wäre ausreichend, um 75 Jahre lang die heutigen CO2-Emissionen der europäischen Industrie zu speichern.