… so der Titel des Vortrags von Prof. Dr. Thomas Klindt, einer der Referenten des Food Safety Kongresses 2023. Im Vorfeld des Kongresses stand er uns für ein paar Fragen zum Thema Rede und Antwort.
Produktüberwachung in Europa: Wie ist da eigentlich der Stand?
Klindt: Nun, auch ohne die neuen Kommissions-Vorschläge sind die gesetzlichen Regeln schon jetzt sehr schneidig und sehr ambitioniert – was ja aus Sicht des Verbraucherschutzes grundsätzlich auch nur begrüßt werden kann. Aber zwischen den komplexen Regularien der EU und dem oft hemdsärmeligen Vorgehen der Marktüberwachungsbehörden klafft doch ein großes Loch: die behördlichen Risikobewertungen sind manchmal wirklich plump. Die gesetzlichen Anforderungen werden nicht selten überobligatorisch ausgelegt; und technische Normen werden zum Maß aller Dinge erhoben (was sie nicht sind). Am ärgerlichsten aber wird es, wenn die Behörden strukturell unfair vorgehen.
Was meinen Sie mit struktureller Unfairness der Behörden?
Klindt: Diverse EU-Regeln und Kommissionspapiere gehen ganz selbstverständlich davon aus, dass sich behördliche Produktrügen ganz vorrangig an den in Europa ansässigen Hersteller zu wenden haben: er kennt sein Produkt am besten, kann Unklarheiten aufklären und vor allem irgendwelche Zweifel an der Safety am kundigsten entkräften. Wer das alles nicht kann, ist der Händler. Und trotzdem wenden sich die Behörden sehr häufig eben nicht an den Hersteller, sondern an den Händler. Dessen Interesse, sich mit der Behörde über ein fremdes Produkt zu verbeißen, dürfte gegen Null gehen. Lieber kommt er der behördlichen Aufforderung zur Auslistung des Produkts nach, was sich dann über die Warenbewirtschaftungs-EDV in der gesamten Konzern-IT verbreitet. Ohne dass der Hersteller jemals eine Anhörungs-Chance bekam, sein Produkt zu verteidigen, hat die Behörde – bei kleinem Amtshaftungsrisiko – schon den großen Wurf einer freiwilligen Vertriebssperre erreicht.
Was wäre denn Ihr Gegenvorschlag?
Klindt: Wir brauchen dringend im Regulierungsrecht eine verbindliche Vorschrift, die dieses Gebaren unterbindet. In Deutschland gab es das übrigens bis 2011 sogar; leider wurde das ersatzlos gestrichen. Zeitgemäß gehörte so eine Prioritätsvorgabe heute allerdings ohnehin ins EU-Recht!
Sie sprechen neue Änderungsentwürfe an. Was ist denn alles in der Pipeline?
Klindt: Fulfillment-Dienstleister rücken nun auch bei der EU-Produkthaftung in die Rolle des Verantwortlichen; der ganze Fernabsatz überhaupt ist seit Jahren im Fokus der Regulierung. Vernetzte Produkte und vernetzte Verpackungen werden unter dem Gesichtspunkt der CyberSecurity verstärkt für den Gesetzgeber relevant. Und neben die Produktregulierung wird zunehmend die Produktionsregulierung treten. Wir sehen das beim Lieferkettenrecht; und wir werden es auch beim Entwaldungsverbot sehen!