Eba-Chef: „Banken müssen sich auf mehrjährige Krise einstellen“

Der Leiter der europäischen Bankenaufsichtsbehörde Eba warnt Geldhäuser vor lang anhaltenden Belastungen durch den Preisverfall bei Gewerbeimmobilien.

Frankfurt. Die EU-Bankenaufsichtsbehörde Eba warnt Geldhäuser vor lang anhaltenden Belastungen durch den Preisverfall bei Gewerbeimmobilien. „Die Banken müssen sich auf eine mehrjährige Krise einstellen“, sagte Eba-Chef José Manuel Campa dem Handelsblatt. Institute, die auf Gewerbeimmobilien spezialisiert seien, könnten dabei „größere Herausforderungen bekommen als andere, breiter aufgestellte Banken“.

Besonders stark ist der Druck derzeit auf Gewerbeimmobilien in den USA. Dies sei auf die gestiegenen Zinsen und den Trend zu mehr Homeoffice zurückzuführen, sagte Campa. „Die Auswirkungen dürften in Europa vermutlich nicht so stark ausfallen wie in den USA, aber der zugrunde liegende Trend ist ähnlich. Die Anpassungen in Europa werden also noch eine Weile andauern.“

Lesen Sie hier das gesamte Interview mit José Manuel Campa:

Herr Campa, wie gefährlich kann die Krise bei Gewerbeimmobilien für die Banken werden? 
Gewerbeimmobilien zählen aktuell zu den größten Risiken für den Bankensektor – neben dem Umgang mit Zinsrisiken und den Folgen der konjunkturellen und geopolitischen Unsicherheiten für die Wirtschaftsentwicklung. Glücklicherweise ist der Anteil der Gewerbeimmobilienkredite am Finanzierungsportfolio von europäischen Banken branchenweit nicht sehr hoch. Aber für Banken, die auf Gewerbeimmobilien spezialisiert sind, ist das natürlich herausfordernder als für breiter aufgestellte Banken.

Besonders stark steht bisher der US-Büromarkt unter Druck. Sind Kredite für europäische Gewerbeimmobilien weniger riskant, oder schwappen die Probleme früher oder später auch nach Europa über?
Die Probleme in den USA sind vor allem auf die stark gestiegenen Zinsen und den Trend zu mehr Homeoffice zurückzuführen. Die Auswirkungen dürften in Europa vermutlich nicht so stark ausfallen wie in den USA, aber der zugrunde liegende Trend ist ähnlich. Die Anpassungen in Europa werden also noch eine Weile andauern. Die Banken müssen sich auf eine mehrjährige Krise einstellen.

Könnten die Probleme bei Gewerbeimmobilien auch zu Bankenpleiten führen?
Einige Banken, die auf Gewerbeimmobilienfinanzierung spezialisiert sind, könnten größere Herausforderungen bekommen als andere, breiter aufgestellte Banken. Für das Bankensystem als Ganzes sehe ich jedoch keine systemische Gefahr.

Deutsche Banken sind besonders stark am US-Immobilienmarkt investiert. Ist das die Wiederkehr von „Stupid German Money“ – dummes deutsches Geld –, über das vor und während der Finanzkrise 2008 gespottet wurde?
Einige deutsche Banken sind überdurchschnittlich stark im Gewerbeimmobilienmarkt engagiert, auch in den US-Markt. Aber ich würde da nicht von „Stupid German Money“ sprechen. In Deutschland gibt es einen Überhang an Spareinlagen. Deshalb ist es logisch, dass deutsche Banken außerhalb Deutschlands investieren müssen. Manchmal treffen sie dabei eben gute Anlageentscheidungen und manchmal schlechtere.

Wie steht die europäische Bankenbranche derzeit da?
Insgesamt sind die Banken in Europa gut kapitalisiert, haben ausreichend Liquidität, und die Kreditqualität ist gut. Aufgrund der gestiegenen Zinsen waren die Banken im vergangenen Jahr im Durchschnitt sehr profitabel, auch wenn sie in unterschiedlichem Ausmaß von der Zinswende profitiert haben.

Mittlerweile belasten die hohen Zinsen jedoch immer stärker die Wirtschaft und damit die Kunden der Banken. Wir erwarten deshalb mehr Kreditausfälle, was die Gewinne der Banken schmälern wird. Wegen der fallenden Zinsen dürfte die Profitabilität der Banken in Zukunft ebenfalls wieder abnehmen.

Wir erwarten mehr Kreditausfälle, was die Gewinne der Banken schmälern wird.

José Manuel Campa

Mehrere deutsche Banker sehen bisher wenige Anzeichen für eine Insolvenzwelle und führen das auf den starken Arbeitsmarkt zurück. Könnte es dieses Mal weniger Pleiten geben als bei früheren Wirtschafsabschwüngen?
Entscheidend dafür ist letztlich die Wirtschaftsentwicklung. Bislang sind die Auswirkungen der gestiegenen Zinsen auf die Konjunktur noch milde. Hoffen wir, dass es dabei bleibt.

Ein anderes Phänomen, das derzeit viele umtreibt, ist der wachsende Schattenbankensektor. Darunter versteht man unter anderem Versicherer, Kreditfonds, Hedgefonds oder Pensionskassen, die seit Jahren verstärkt als Kreditgeber auftreten. In den USA hat deren Finanzierungsvolumen mittlerweile die Billionengrenze überschritten. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?
Diese Entwicklung macht Finanzaufsehern weltweit Sorgen. Denn obwohl die Bedeutung der Nicht-Banken stark gewachsen ist, haben wir wenig Informationen darüber, was diese häufig weniger intensiv überwachten Finanzmarktteilnehmer tun oder nicht tun. Wir benötigen dringend mehr Informationen – und gehen dieses Thema mit dem Europäischen Stabilitätsrat und dem weltweiten Finanzstabilitätsrat (FSB) an.

Was genau macht Sie nervös?
Sorgen bereitet mir, dass mögliche Verwerfungen bei diesen Nicht-Banken auf den Bankensektor übergreifen könnten. Unsere letzten Daten dazu von Juni 2023 zeigen, dass europäische Banken den Nicht-Banken etwa zwei Billionen Euro geliehen haben. Das entspricht etwa sieben Prozent der Bilanzsumme europäischer Institute. Das Engagement konzentriert sich allerdings auf wenige große Banken. Insgesamt haben sich die Zahlen in den vergangenen drei Jahren kaum verändert.

Woher rühren dann Ihre Sorgen?
Neben den direkten Verbindungen – zum Beispiel durch Kredite oder den Verkauf von Bankanleihen – gibt es auch zahlreiche indirekte Verbindungen, zum Beispiel bei Gewerbeimmobilien. Da ist der Anteil der Schattenbanken bei der Kreditvergabe in den vergangenen drei Jahren von 35 Prozent auf über 50 Prozent gestiegen.

Regulierung des Schattenbanksektors

Was bedeutet das für die Banken?
Sollten sich Nicht-Banken plötzlich aus diesem Markt zurückziehen, könnten Banken gedrängt werden, einzuspringen und den Firmen zu helfen. Dann würde ihr Risiko in diesem Marktsegment steigen. Auch wenn Nicht-Banken Notverkäufe starten, hätte das negative Folgen für die Engagements von Banken.

Muss der Schattenbankensektor strenger reguliert werden?
Wir müssen zunächst für mehr Transparenz sorgen. Sollte sich dann herausstellen, dass es dort große Risiken gibt, die schlecht gemanagt werden, bräuchte es eine strengere Regulierung.

Sollten Banken ihre Geschäfte mit Schattenbanken kappen?
Nein. Der Schattenbankensektor ist nicht per se negativ. Dazu gehören beispielsweise auch Versicherer, die im Finanzsystem eine wichtige Rolle spielen. Banken müssen bei Geschäften mit Schattenbanken aber darauf achten, dass sie keine Risiken eingehen, die ihre eigene Stabilität und die des Finanzsystems gefährden könnten.

Wer in Kryptowährungen investiert, geht hohe Risiken ein.

José Manuel Campa

Immer mehr europäische und deutsche Banken bieten ihren Kunden den Handel und die Verwahrung von Kryptowährungen an. Beunruhigt Sie das?
Nein. Seit Sommer 2023 ist die europäische Mica-Verordnung in Kraft, die große Teile des Kryptogeschäfts reguliert. Sie sieht unter anderem vor, dass Anbieter von Kryptowährungen in der EU in einem Dokument (Whitepaper) darlegen müssen, wie Kryptowährungen funktionieren. Banken, die den Handel und die Verwahrung von Kryptoassets anbieten, müssen ihre Kunden vor den damit verbundenen Risiken warnen.

Wollen Sie damit sagen, durch Mica seien Investitionen in Kryptowährungen sicher geworden?
Keineswegs! Die Geschäftsmodelle hinter Bitcoin und vielen anderen Kryptoassets sind zumindest teilweise äußert fragwürdig – daran hat sich durch das neue Regelwerk nichts geändert. Wer in Kryptowährungen investiert, geht hohe Risiken ein. Von den wenigen Banken in der EU, die Kryptowährungen auf die eigene Bilanz nehmen, verlangen wir deshalb sehr hohe Sicherheitspuffer. Wir tun alles, um das für Geldhäuser unattraktiv zu machen.

Vita José Manuel Campa

Der Aufseher

Der 59-jährige Spanier hat als Universitätsprofessor sowie im spanischen Wirtschafts- und Finanzministerium gearbeitet. Vor seinem Wechsel zur Eba war er bei der Großbank Santander für Regierungsbeziehungen zuständig. Campa leitet die EU-Bankenaufsicht Eba seit Mai 2019.

Die Behörde

Die European Banking Authority (Eba) ist die Bankenaufsichtsbehörde der Europäischen Union. Sie soll für möglichst einheitliche Regeln bei der Bankenregulierung in der EU sorgen. Sie beaufsichtigt Banken nicht direkt, sondern veröffentlicht verbindliche Standards, an die sich nationale Aufsichtsbehörden und auch die EZB-Bankenaufsicht halten müssen.