Die EU-Verbandsklage und ihre Auswirkungen auf die D&O-Versicherung und die Produkthaftpflichtversicherung

Andreas Oevermann

Am 25.12.2020 ist die EU-Verbandsklage-Richtlinie in Kraft getreten. Eine Umsetzung in Deutschland ist in Vorbereitung. Dies muss bis zum 25.12.2022 geschehen, da das neue Gesetz ab dem 25.06.2023 angewandt werden soll. Ende September 2022 hat das Bundesjustizministerium einen Gesetzesentwurf zur Ressortabstimmung vorgelegt.

Ziel der europäischen Verbandsklage ist es, die Durchsetzung von Verbraucherschutzrecht zu erleichtern und eine weitere Harmonisierung zwischen den Mitgliedsstaaten zu erreichen. Des Weiteren sollen Wettbewerbsverzerrungen zwischen gesetzestreuen und nicht gesetzestreuen Unternehmen vermieden werden.

Neu ist an der durch die EU-Richtlinie vorgegebene Verbandsklage, dass diese – anders als die im Jahre 2018 eingeführte Musterfeststellungsklage – nicht nur auf Feststellung gerichtet ist, sondern eine direkte Leistung einklagbar ist. In der Richtlinie wird die Leistung als Abhilfe bezeichnet – daher auch die Bezeichnung als „Abhilfeklage“. Die Abhilfe kann je nach Klagegegenstand in Schadenersatz, Reparatur, Ersatzleistung, Preisminderung, Vertragsauflösung oder Erstattung des gezahlten Preises sein.

War vorher noch fraglich, ob bei der Umsetzung ins nationale Recht auf die bestehende Musterfeststellungsklage abgestellt oder ein neues Instrument geschaffen wird, so stellt der Referentenentwurf nun klar, dass die Musterfeststellungsklage und die neue Verbandsklage im Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz zusammengefasst werden. Die Musterfeststellungsklage sollte zwar auch die Verbraucherrechte stärken, erfüllt aber nicht die von der neuen Richtlinie vorgegebenen Anforderungen, da keine Abhilfemöglichkeit besteht. Der Verbraucher kann also mit Erhalt eines für ihn positiven Urteils keine unmittelbare Leistung erlangen. Mit der Musterfeststellungsklage kann – wie der Name schon impliziert – nur ein Feststellungsurteil erreicht werden. Der geschädigte Verbraucher muss danach noch individuell gegen den Beklagten vorgehen.

Was die EU-Verbandsklage mit der Musterfeststellungklage verbindet ist, dass weiterhin nur bestimmte Einrichtungen klagebefugt sind; die sogenannten „qualifizierten Einrichtungen“. Der einzelne Verbraucher ist also nicht unmittelbar klagebefugt. Als typische qualifizierte Einrichtungen werden die Verbraucherschutzverbände genannt.

Auswirkungen auf die Versicherer in den Sparten D&O/E&O-Versicherung und Produkthaftpflichtversicherung

Sofern mit Einführung der Verbandsklage die Klagefreudigkeit von Verbrauchern ansteigt, so werden im gleichen Maße die Prozessrisiken für Unternehmen steigen. Neue Möglichkeiten Klagen prozess- und kostenoptimiert, zum Beispiel über Legal Techs, abzuwickeln oder die Frage wie Prozessfinanzierer eingebunden werden, erhöhen das Risiko für Unternehmen, künftig häufiger in Anspruch genommen zu werden. Allerdings möchte die EU auch nicht, dass die neue Verbandsklage missbraucht wird.

Dazu mag die Aufmerksamkeit, die die ersten EU-Verbandsklagen hervorrufen, die Unternehmen vor eine Reputationsproblematik stellen. Hier mag das Unternehmen schneller als „Täter“ stigmatisiert werden als ihm lieb ist.

Die D&O-Versicherung dürfte vordergründig nicht betroffen sein, da sich die Klagen zuerst gegen das Unternehmen und nicht gegen dessen Manager richten. D&O-Fälle können aber im Nachklang zu einer Verbandsklage entstehen, wenn Regressansprüche der verurteilten Unternehmen gegen dessen Manager gerichtet werden. Eine andere Situation kann allerdings dann entstehen, wenn der D&O-Versicherungsvertrag des Unternehmens eine sogenannte Eigenschadenklausel enthält. Dann ist es möglich, dass das Unternehmen den Schaden bei Vorliegen der Klauselvoraussetzungen (z. B. Vorliegen einer Freistellung oder Entlastung des Managers) direkt von der Versicherung erhalten kann, ohne dass dieser Schaden vorher bei dem Manager regressiert werden muss.

Auch kann nun die DSGVO in zivilrechtlicher Hinsicht für versicherte Unternehmen bedeutsam werden. Bislang sind die im Einzelfall zugesprochenen Geldleistungen im Rahmen einer Schadensersatzklage nach der DSGVO für den einzelnen Verbraucher gering und somit für das Unternehmen verkraftbar. Werden diese Summen jedoch mit einer großen Anzahl Klägern multipliziert, kann ein Verlust eines Verbandsklageprozesses für einige Unternehmen einen großen finanziellen Schaden bedeuten.

Insbesondere die Produkthaftpflichtversicherung dürfte nach der neuen Richtlinie stärker in den Fokus rücken.

Die Haftung für fehlerhafte Produkte ist im Anhang zur Richtlinie gleich in Ziffer 1 als möglicher Gegenstand für eine EU-Verbandsklage genannt. Hier werden produzierendes Gewerbe und der Versicherer ein genaues Auge auf die Entwicklungen der EU-Verbandsklage haben müssen. Dies insbesondere, da die EU-Kommission Ende September 2022 einen Entwurf für eine neue Produkthaftungsrichtlinie vorgelegt hat, die zu einer deutlichen Verschärfung der Produkthaftung führen wird.

Ob und wie die neue Klagemöglichkeit angenommen wird und welche Auswirkungen die EU-Verbandsklage auf die Unternehmen und die dahinterstehende Versicherungswirtschaft hat, wird die Praxis zeigen. Es ist aber damit zu rechnen, dass künftig vermehrte Verbraucherprozesse zu verzeichnen sind und die Kosten für die (Versicherungs-)Wirtschaft ansteigen werden.