Deutschland braucht einen Kapazitätsmechanismus nach belgischem Vorbild

Durch den Kohleausstieg entsteht eine Lücke von mindestens 15GW flexibler Leistung

Wind- und Sonnenenergie bilden das Fundament unserer künftigen klimaneutralen Stromversorgung. Doch um Energien sicher zu transformieren und die Energiewende bezahlbar und krisenfest zu realisieren, brauchen sie ein Back-Up. Denn die Stromproduktion durch Photovoltaik- und Windkraftanlagen ist wetterabhängig, stark schwankend und deshalb nicht immer in vollem Umfang verfügbar. Im Zuge der wachsenden Nachfrage nach Strom bedarf es daher verlässlich abrufbarer, flexibler Kapazitäten, um die Versorgungssicherheit aufrecht zu erhalten. Insbesondere Wasserstoffkraftwerke werden bei der Absicherung unserer Energieversorgung künftig eine große Rolle spielen. Und das schon sehr bald: Um die durch den Kohleausstieg entstehende Stromlücke von mindestens 15 Gigawatt bis 2031 decken zu können, wird die Leistung von 20 bis 30 zusätzlichen Kraftwerken benötigt. Ideale Einsatzfelder für Kraftwerke, die mit neuen Gasen wie Wasserstoff, synthetischem Erdgas und Biomethan betrieben werden können. Dies hat auch die Bundesregierung erkannt. Allerdings bestehen für Investoren aktuell nicht genügend Anreize, damit deren Zubau auch wirklich stattfindet. Daher ist zügiges Handeln seitens der Politik gefragt, denn da für Konzeption und Betrieb eines neuen Gaskraftwerks rund 7 Jahre nötig sind, droht andernfalls der Ausstieg aus der Kohle in Deutschland zu scheitern.

Investitionsanreize in Wasserstoffkraftwerke fehlen bislang

Kern des Problems: Das aktuelle Strommarktdesign passt nicht mehr zu den neuen Anforderungen der Energiewende. Im sogenannten Energy-Only Markt (EOM) bilden sich die Preise ausschließlich aus Angebot und Nachfrage der tatsächlichen Stromerzeugung. Da Grünstrom bei der Einspeisung Vorrang hat, bedeutet dies künftig, dass Gaskraftwerke nur noch für sehr wenige Stunden laufen. Während dieser Zeit ist die Nachfrage dann sehr hoch, Strom infolge sehr teuer. Investitionen müssen also in zunehmend sinkenden Betriebsstunden mit sehr hohen Strompreisen refinanziert werden.

Das Investorenrisiko steigt zusätzlich durch die Vorgabe, dass neue Kraftwerke innerhalb ihrer Amortisationszeiträume auf neue Gase wie Wasserstoff umgerüstet werden müssen. Ein weiterer Unsicherheitsfaktor, denn wichtige Voraussetzungen wie Mengenbeschaffung und Regulierung sind aktuell noch unklar.

Eine Lösung könnte sein, den Betreibern auch das Vorhalten von Kapazitäten zu vergüten. Ein solches Konzept vermag der künftigen Versorgungssicherheit einen Preis zu geben und dadurch Anreize zu erhöhen, in die dringend benötigten Kraftwerke zu investieren.

Kapazitätsmarkt schafft Wettbewerb zwischen allen flexiblen Stromerzeugern

Ein sinnvoller Ansatz wäre ein umfassender Kapazitätsmarkt nach Vorbild vieler anderer EU-Staaten. Besonders geeignet erscheint das System Belgiens. Zukunft Gas als Stimme der Gas- und Wasserstoffwirtschaft hat auf dieser Basis ein detailliertes Konzept vorgelegt: Eine zentrale Instanz ermittelt die erforderliche Kapazitätsmenge, um den Ausbau der regenerativen Energien abzusichern und die Stromlücke zu schließen. Die benötigten Kapazitäten werden dann in einer Ausschreibung auktioniert, an welcher sich alle Betreiber gesicherter Leistungen beteiligen können. Die entstehende Konkurrenzsituation zwischen unterschiedlichen Technologien wie Wasserstoff-Kraftwerken, Batterien, oder industriellem Lastmanagement reizt ein möglichst effizientes Technologieportfolio für die Kapazitätsbereitstellung an – und verspricht gleichzeitig eine hohe Kosteneffizienz bei deren Beschaffung.

Ein weiterer Vorteil des belgischen Ansatzes ist, dass die EU diesen bereits als sinnvolle Lösung anerkannt hat. Beihilferechtliche Risiken, wie sie sich derzeit bei den geplanten Ausschreibungen für Wasserstoff-Kraftwerke abzeichnen, werden so vermieden.

Zukunft Gas empfiehlt, dass die Einführung eines umfassenden Kapazitätsmarkts im Zuge der Kraftwerksstrategie 2026 betrachtet wird. Zugleich gilt es, den Wasserstoffhochlauf anzuschieben. Schließlich benötigen Investoren zeitnah Klarheit über verfügbare Mengen, künftige Bezugsorte und den Handel von Wasserstoff für die neuen Kraftwerke. Für bezahlbaren, sicheren und klimaneutralen Strom in Zukunft brauchen wir eine Reform hin zu einem Marktkonzept, das Investitionen in Kapazitäten anreizt und die Wasserstoffbereitstellung löst.