Artikel Handelsblatt 23.01.2023
Die Finanzaufsicht warnt: Bislang haben Banken Bewertungsverluste ihrer Anlageportfolios oft durch Reserven abgefedert. Doch diese gehen nun zur Neige.
Normalerweise sorgen steigende Zinsen bei Banken für höhere Einnahmen aus dem Kreditgeschäft. Die daraus erzielten Zinsüberschüsse der Institute sind nach Beobachtung der Bafin auch tatsächlich gestiegen, zumal die Institute die Zinsen, die sie an Sparerinnen und Sparer zahlen, noch nicht im gleichen Maße erhöht haben wie ihre Kreditzinsen.
Doch der Zinsanstieg sorgt zugleich dafür, dass der Marktwert älterer Anleihen und Kredite sinkt, da sie niedriger verzinst sind. „Das drückt kurzfristig auf die Profitabilität der betroffenen Banken – vor allem der weniger bedeutenden Institute“, sagte Bafin-Präsident Mark Branson auf dem Neujahrsempfang der Finanzaufsicht. Als „weniger bedeutende Institute“ bezeichnen europäische Bankenaufseher die kleineren Banken, die nicht von der EZB, sondern von nationalen Aufsehern überwacht werden.
Die Folge: Bei diesen kleineren Banken und Sparkassen ist die wichtige Aufwands-Ertrags-Relation, die vor Abzug von Steuern berechnet wird, bis Ende September 2022 von rund 70 Prozent auf 96 Prozent gestiegen. Die Institute mussten also 96 Cent aufwenden, um einen Euro zu verdienen. „Nach Steuern entstand so ein negatives Ergebnis“, warnte Branson.
Für kleine Banken ist 2022 im Schnitt ein Verlustjahr
Bis zum Ende des Jahres 2022 hätten „fast alle Institute“ die Verluste noch durch ihre Bewertungsreserven auffangen können. Nur „einzelne Banken“ haben wegen der Zinseffekte ihre Kapitalvorgaben nicht eingehalten.
Doch ihre Reserven haben die Banken „nun größtenteils aufgebraucht. Die erste Verteidigungslinie ist weggefallen“, warnte der Bafin-Präsident. Sollten die Marktzinsen weiter steigen und diese bilanziellen Wertverluste weiter vergrößern, stünden den Instituten daher ihre bereits verbrauchten Reserven nicht mehr als Puffer zur Verfügung, heißt es im Bafin-Bericht.
>> Lesen Sie hier: Zinswende erhöht Druck auf Sparkasse Zwickau
Was die Lage für viele Institute noch verschärft: Im zweiten Halbjahr haben sich die Marktzinsen für kurzfristige und langfristige Laufzeiten immer weiter angenähert, teilweise sind kurzfristige Zinsen mittlerweile sogar höher als die langfristigen. Das geschieht in Marktphasen, in denen Investoren mit einer Rezession rechnen, die die Notenbanken mittelfristig wieder zu Zinssenkungen zwingt. Das torpediert das traditionelle Geschäftsmodell vieler Banken, Geld längerfristig für höhere Zinsen zu verleihen und die meist kurzfristigeren Spareinlagen niedriger zu verzinsen.
„Angesichts dieser Gemengelage ist ein aufmerksames Management der Zinsänderungsrisiken essenziell – vor allem für die im internationalen Vergleich stark exponierten kleinen deutschen Institute. Besonders problematisch ist es, wenn Bewertungsreserven bereits aufgezehrt worden sind und die Erträge weiter unter Druck geraten“, warnen die Finanzaufseher.
Mittelfristig werden Banken zwar von höheren Zinsen profitieren. Doch die Bafin hatte schon vor Monaten gewarnt, dass womöglich nicht alle Institute diese schwierige Übergangsphase überstehen, während der Zinsanstieg mehr negative als positive Folgen hat. „Die Bafin erwartet zurzeit, dass nach der Auflösung der Reserven und dem Einsatz weiterer Steuerungsmöglichkeiten nur einzelne Banken zum Jahresende 2022 ihre Kapitalvorgaben wegen der Zinseffekte unterschreiten“, heißt es im Bericht.
Gefährdet sind durch die potenziell weiter steigenden Zinsen vor allem die Institute, „die keine Reserven mehr haben, wenig Überschusskapital und größere offene Zinspositionen“, betonte Branson. „Diese Institute monitoren wir im Moment besonders eng, vor allem ihre Kapitalplanung.“
Mehr: Bafin-Bankenaufseher warnt: „Zweistellige Zahl von Banken bekommt ernsthafte Probleme“