Auf die Stromnetze kommt es an

Advertorial

Artikel aus dem Handelsblatt Journal „Energiewirtschaft“ vom 23.01.2024

Die erneuerbaren Energien standen bisher im Mittelpunkt der Energiewende. Wie viele Windräder und Photovoltaikanlagen sind erforderlich, um unseren Energiebedarf zukünftig aus diesen Quellen decken zu können? Wie dieser Strom zu den Verbrauchern kommt und wie unsere Stromnetze weiterhin zuverlässig betrieben werden können, war im politischen Diskurs eher zweitrangig. Stromleitungen? Ja klar. Brauchen wir auch – irgendwie. Aber bitte nicht zu sichtbar und möglichst dort, wo sie weder Mensch noch Tier noch Pflanze stören.

Dank der von der Ampel-Koalition eingeleiteten Trendwende wurden 2023 Windräder und PV-Anlagen mit einer Leistung von rund 15.000 Megawatt in Betrieb genommen. Das ist eine gute Nachricht. Mittlerweise decken die Erneuerbaren etwa die Hälfte des Jahresstrombedarfs in Deutschland, im Netzgebiet von 50Hertz sogar zwei Drittel. Beschleunigter Zubau ist erforderlich, um das Ziel der Klimaneutralität 2045 zu erreichen.

Mehr volkswirtschaftliche Effizienz

Die logische Folge einer Beschleunigung des Erneuerbaren- Ausbaus ohne die gleiche Beschleunigung des Netzausbaus sind immer mehr Staus in den regionalen und überregionalen Stromnetzen, die nur mit großem Kosteneinsatz aufzulösen sind. Schon heute sind die Verteilnetze beim Anschluss neuer EE-Anlagen am Limit und die Kosten für das Engpassmanangement durch Redipatchmaßnahmen steigen. Das bezahlen alle Stromkunden über die Netznutzungsentgelte – private Haushalte genauso wie Industrie und Wirtschaft. Damit diese Schere in den kommenden Jahren nicht immer weiter auseinanderklafft, muss volkswirtschaftliche Effizienz das neue Leitmotiv beim Erreichen des übergeordneten Ziels Klimaneutralität sein. Was bedeutet das konkret?

  • Fokussierung auf das wirklich Notwendige. Jedes zu groß oder falsch dimensionierte Infrastrukturprojekt benötigt Investitionen, die an anderer Stelle fehlen. Das gilt für Gleichstromverbindungen und Umspannwerke genauso wie für die Ansiedlung von Wasserstoff-Elektrolyseuren oder neue Backup-Kraftwerke.
  • In europäischen und internationalen Lösungen denken. Nicht jede Kilowattstunde Strom, insbesondere für die Wärmewende oder die Industrie, muss auf deutschem Territorium an Land oder auf See erzeugt werden. Der Stromaustausch mit unseren Nachbarländern und der Import von grünem Wasserstoff in großem Stil sind unverzichtbar.
  • Vorrang für den Klimaschutz. Netzausbauvorhaben sollten nicht länger mit einer Fülle an sicherlich ehrenwerten Nebenauflagen überfrachtet werden, die zu Zeitverlust und  Kostensteigerungen führen.

Warum müssen archäologische Baugrunduntersuchungen in bestimmten Bundesländern entlang der gesamten Trasse durchgängig erfolgen anstatt nur in Stichproben? Warum muss durch Düngung belasteter Ackerboden über Erdkabeltrassen entsorgt und durch neuen unbelasteten Mutterboden ersetzt werden? Warum dürfen Schwerlasttransporte zum Beispiel für Kabeltrommeln nicht mehr im Konvoi fahren und müssen stattdessen durch spezielle Begleitfahrzeuge separat eskortiert werden, die am Markt kaum noch verfügbar sind? Warum müssen beim Verlegen von Gleichstromkabeln selbst ausgetrocknete Bachläufe, Feldwege oder ökologisch wertloses Gestrüpp aufwändig im Bohrverfahren unterquert werden, anstatt die Leitungen in offener Bauweise zu verlegen?

Knappe Ressourcen besser nutzen

Und noch viel grundsätzlicher: Müssen wir die nach 2030 erforderlichen Gleichstromleitungen wirklich alle unterirdisch verlegen? Warum nutzen wir nicht – wie so viele andere Länder auch – dafür bei ausgewählten Projekten auch kostengünstigere und schneller zu bauende Freileitungssysteme?

Die Energiewende und das Ziel der Klimaneutralität sind eine gesellschaftliche Mammutaufgabe. Die Ressourcen an Kapital, Material und Arbeitskräften sind knapp und werden in den nächsten Jahren noch knapper. Denn entgegen populistischen Behauptungen ist die Energiewende kein deutscher Sonderweg. Das Ausbautempo bei den Erneuerbaren, insbesondere in China, Indien und den Entwicklungs- und Schwellenländern ist enorm. Und bei den Stromnetzen ebenso. Die Internationale Energieagentur (IEA) geht davon aus, dass sich die Länge der Hoch- und Höchstspannungsleitungen weltweit bis 2050 verdoppeln wird.

Überall gibt es eine riesige Nachfrage nach Rohstoffen wie Kupfer, Stahl oder Aluminium, nach Technologien spezialisierter internationaler Konzerne sowie nach Expertinnen und Experten aus ganz vielen Disziplinen – von der IT-Expertin bis hin zum Freileitungsmonteur. Allein wegen dieser drohenden globalen Knappheit bei diesen Ressourcen darf sich Deutschland keinen verschwenderischen Luxus mehr bei der Planungs-, Genehmigung- und baulichen Umsetzung großer Netzausbauvorhaben leisten.

50Hertz

www.50hertz.com

 

Die logische Folge einer Beschleunigung des Erneuerbaren-Ausbaus ohne die gleiche Beschleunigung des Netzausbaus sind immer mehr Staus in den regionalen und überregionalen Stromnetzen.

Stefan KapfererVorsitzender der Geschäftsführung, 50Hertz
Das aktuelle Handelsblatt Journal
Dieser Artikel ist im aktuellen Handelsblatt Journal „Energiewirtschaft“ erschienen. Das vollständige Journal können Sie sich hier kostenlos herunterladen:
Zum Journal