Anspruch und Wirklichkeit in deutschen Stromnetzen: Die Auswirkungen des §14a EnWG und die Zukunft der Netzflexibilität

Das Jahr 2024 begann für deutsche Verteilnetzbetreiber mit einem zumindest gut gemeinten Vorsatz der Bundesnetzagentur: Dem Beschluss zur Integration und Steuerung von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen und Netzanschlüssen, bekannt als der neue §14a EnWG. Dieser Beschluss, der am 1. Januar in Kraft getreten ist, bringt eine Vielzahl von regulatorischen Neuerungen mit sich, die nicht nur kurzfristige Anpassungen erfordern, sondern auch langfristige Implikationen für die Netzinfrastruktur in Deutschland haben werden. Im Fokus stehen insbesondere das Flexibilitätsmanagement in Niederspannungsnetzen sowie die Einführung der netzdienlichen Steuerung und dynamischer Netzentgelte. Diese Veränderungen werfen zahlreiche Fragen und Herausforderungen auf, bergen aber auch das Potenzial, Deutschland als Vorreiter in Sachen Netzflexibilität zu etablieren.

Flexibilitätsmanagement und netzdienliche Steuerung:

Ein zentraler Aspekt des §14a EnWG ist die Verpflichtung zur Einführung eines Flexibilitätsmanagements in Niederspannungsnetzen. Dies umfasst die Einbindung steuerbarer Verbrauchseinrichtungen wie z.B. nicht öffentlicher Ladepunkte für Elektroautos oder Heizungsanlagen mit Wärmepumpen. Ziel ist es, die Netzstabilität auch bei zunehmender Flexibilität der Verbraucher zu gewährleisten und die verfügbare Flexibilität zur Vermeidung von Netzengpässen zu nutzen. Der Beschluss verpflichtet alle Netzbetreiber zur Umsetzung der netzorientierten Steuerung, unabhängig davon, ob ihre Netze aktuell überlastet sind oder nicht. Diese Steuerung ermöglicht es den Netzbetreibern, bei Bedarf den Leistungsbezug von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen kurzfristig zu reduzieren, um Netzüberlastungen zu vermeiden.

Herausforderungen durch die Digitalisierung:

Die Umsetzung des §14a EnWG stellt die Netzbetreiber vor erhebliche Herausforderungen, insbesondere im Hinblick auf die Digitalisierung ihrer Netze. Viele Niederspannungsnetze in Deutschland sind noch nicht ausreichend digitalisiert, was die effektive Steuerung und Überwachung erschwert. Die Installation von intelligenten Messsystemen oder Smart Metern, die für ein dynamisches Netzmanagement erforderlich sind, hinkt in Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern stark hinterher. Dies führt dazu, dass viele Niederspannungsnetze eine Art „Blackbox“ darstellen, bei der detaillierte Daten oft in getrennten Silos lagern und Informationen über den Netzzustand fehlen.

Chancen durch den §14a EnWG:

Trotz dieser Herausforderungen bietet der Beschluss des §14a EnWG aber auch Chancen. Er könnte einen dringend benötigten Schub für die Digitalisierung der deutschen Netze bringen und den Ausbau von Smart-Meter-Infrastrukturen vorantreiben, da der Datenerhebung ein (weiterer) Zweck zur Seite gestellt wird. Eine verbesserte Digitalisierung und Datenverfügbarkeit würde es Netzbetreibern ermöglichen, ihre Netze effizienter zu planen und instand zu halten, aber auch zu betreiben und mögliche Engpässe rechtzeitig zu erkennen und zu verhindern.

Softwarelösungen für mehr Transparenz:

Ein Beispiel für innovative Lösungen zur Verbesserung der Netztransparenz ist die Software Gridscale X™ LV Insights von Siemens. Sie wird bereits erfolgreich in Österreich und Norwegen eingesetzt. Die Software erstellt auf Basis vorhandener Daten ein digitales Modell des Niederspannungsnetzes. Dadurch können Netzbetreiber den Netzstatus überwachen, kritische Netzabschnitte identifizieren und schnell verwertbare Erkenntnisse gewinnen. Dies stellt die Basis für netzorientiertes Steuern dar, was als Erweiterungsmodul auf der Roadmap ist / in kommenden Monaten an den Markt kommt. Durch den Einsatz solcher Softwarelösungen können Netzbetreiber die Effizienz und Aufnahmefähigkeit ihrer Netze erhöhen, ohne sofort auf zeitaufwendige physische Netzausbaumaßnahmen angewiesen zu sein, auch wenn mittel- bis langfristig Netzausbau sicher notwendig bleibt.

Fazit und Ausblick:

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Beschluss des §14a EnWG deutsche Verteilnetzbetreiber vor bedeutende Herausforderungen stellt, jedoch auch die Möglichkeit bietet, die Digitalisierung der Netze voranzutreiben und Deutschland als Vorreiter in diesem Bereich zu positionieren. Die Umsetzung erfordert eine sorgfältige Planung und Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten, und an einigen Stellen auch ein Umdenken bestehender Strukturen und Denkweisen. Durch den Einsatz innovativer Softwarelösungen können Netzbetreiber die Transparenz und Effizienz ihrer Netze verbessern und sich so für die Zukunft wappnen.