Zwischen Importunabhängigkeit und ambitionierten Klimaschutzzielen: aktuelle Herausforderungen für die Energieversorgung in Deutschland

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Ein Blick auf die aktuellen Herausforderungen für die Energiewirtschaft in Deutschland kann die geopolitischen Geschehnisse der letzten Wochen nicht ausblenden. Der russische Angriffskrieg hat uns eines deutlich vor Augen geführt: wie erheblich unsere Abhängigkeit in Europa ist und wie notwendig es daher sein wird, die erneuerbaren Energien noch massiver und schneller auszubauen. Nur wenn wir konsequent auf erneuerbare Energien setzen, schaffen wir es, die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern und von Kohle- und Gasimporten zu überwinden.

Das beinhaltet zum einen sofortige und kurzfristige Maßnahmen, um die Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit und auf die Preise für Wirtschaft und Verbraucher so gering wie möglich zu halten. Zum anderen müssen für die mittel- und langfristige Umstellung des Energiesystems die besten Rahmenbedingungen geschaffen werden. Wir bei den Stadtwerken München (SWM) treiben diese als Gestalter der Energie- und Wärmewende mit den Ausbauoffensiven Erneuerbare Energien und Erneuerbare Wärme schon seit Jahren konsequent voran.

Welche Auswirkungen der Krieg in der Ukraine auf die ambitionierten Klimazielsetzungen und die Energiewirtschaft in Gänze hat, kann noch gar nicht abgeschätzt werden. Klar ist, dass derzeit diskutierte regulatorische Vorhaben wie das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG 2023) noch einmal nachgebessert werden sollten. Die Bundesregierung muss jetzt konkret handeln und die Weichen für den zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien stellen.

Ein zentraler Knackpunkt für den Erfolg der Energiewende ist und bleibt dabei die Akzeptanz in Bevölkerung und Wirtschaft. Hier ist es an der Politik, allen Beteiligten klar zu machen, dass die notwendigen Schritte getan werden müssen, um unsere ambitionierten Klimaschutzziele zu erreichen und Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Das betrifft vor allem den Windkraftausbau an Land, der immer noch auf erheblichen Widerstand stößt. Hier müssen deutlich mehr Flächen für Wind an Land zur Verfügung gestellt, Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigt, Repowering erleichtert und das Artenschutzrecht vereinheitlicht werden. Investitionsentscheidungen im Energiebereich treffen Festlegungen für Jahrzehnte. Daher müssen Planungssicherheit und Verlässlichkeit zentrale Aspekte der Energiepolitik sein.

Auch im Hinblick auf die Wärmewende kann man, unabhängig vom geopolitischen Geschehen, heute eines mit Sicherheit sagen: Sie stellt nach wie vor die große Herausforderung dar. Die geplanten 50 Prozent Erneuerbaren-Anteil bei der Wärmeversorgung sind sehr ambitioniert. Da erscheint es vollkommen klar, dass das Potenzial von Geothermie vollständig erkannt und gefördert werden muss – schon lange eine der Hauptforderungen der SWM. Denn Geothermie ist „grüne Fernwärme“. Sie dekarbonisiert die Wärme- und Kälteversorgung, verringert Energieimporte und damit Abhängigkeiten – und schafft nicht zuletzt Wertschöpfung in Deutschland.

Für die SWM ist die Tiefengeothermie der wesentliche Pfeiler zur Umsetzung der Wärmewende. Um das Potenzial der Geothermie für die Wärmewende in ganz Deutschland heben zu können, braucht es dringend Verbesserungen der Rahmenbedingungen. An dieser Stelle soll der Blick auf zwei Beispiele genügen:

Erstens ist es erforderlich, die Fristen für die Genehmigung von Geothermieprojekten zu verkürzen. Nur durch die Anpassung der Fristenregelungen wird vermieden, dass Wasserkraft- und Geothermieanlagen gegenüber fossilen Kraftwerken benachteiligt werden. Die Genehmigung solcher Erneuerbare-Energie-Anlagen ist auch nicht komplexer oder aufwändiger als die Genehmigung von Industrieanlagen, die immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftig sind. Zudem sollte durch die Verbesserung der Förderbedingungen ein stärkerer Anreiz für Geothermieprojekte in ganz Deutschland gesetzt werden.

Zweitens: Für eine effiziente, volkwirtschaftlich optimale Wärmewende fehlt es aktuell an einer verpflichtenden kommunalen Wärmeplanung. Nur sie bietet die Chance, Maßnahmen zu priorisieren und Fehlallokationen von Investitionsmitteln zu vermeiden. Damit dient sie dazu, eine realistische Einschätzung der Handlungsoptionen geben zu können und gleichzeitig unrealistische Erwartungen zu vermeiden, die aus technischer oder kaufmännischer Sicht nicht umsetzbar sind.

Die aktuellen Herausforderungen für die Energiewirtschaft sind weitreichend. Die Bundesregierung muss mit den regulatorischen Vorgaben nun den Spagat zwischen Unabhängigkeit der Energieversorgung in Deutschland, Ausbau der erneuerbaren Energien und Versorgungssicherheit meistern, um nicht zuletzt auch den ambitionierten Klimazielsetzungen gerecht zu werden. Das geht nur, wenn jetzt konkrete Maßnahmen folgen, die den Bau von Erneuerbare-Energien-Anlagen tatsächlich vorantreiben.