Wie Phönix aus der Asche

Artikel aus dem Handelsblatt Journal Future Workplace vom 07.08.2023

Von halbleeren Büros zu florierenden Orten der Innovation

Sagt Ihnen der Begriff „Zombie- Gebäude“ etwas? Keine schöne Vorstellung, wie ich finde – und doch betitelten vor wenigen Wochen die Autoren einer McKinsey-Studie Bürogebäude, die eine Auslastung von weniger als 50 Prozent aufweisen, mit diesem Begriff. Noch sind es wenige Bürogebäude, die eine solche Bezeichnung verdienen, und doch scheint der Trend zu weniger Zeit im Büro und mehr Zeit zu Hause klar.

So prognostizierten wir als Fraunhofer IAO im Rahmen unserer Studien im Office 21-Projekt im Juni 2020 und 2021 eine Homeoffice-Nutzung von sieben bzw. sechseinhalb Tagen pro Monat. Im Herbst 2022 wurde vom Münchener Ifo-Institut der Anteil an der Arbeitszeit erfasst, der von zu Hause gearbeitet wird: 1,4 Tagen pro Woche. Rechnen wir die Abwesenheiten für Krankheit oder Reisen hinzu, auch wenn letztere abgenommen haben, dann haben wir in Deutschland zwar noch keine Zombie-Gebäude, aber doch sehr viele Zombie-Tage in den Büros. Nun beschäftige ich mich beruflich nicht mit dem Befüllen leerer oder halbleerer Immobilien, sondern mit dem Entstehen von Kreativität, Innovation und der Gestaltung guter Arbeit. Und aus diesem Grund stimmen mich diese Nutzungszahlen nachdenklich.

Informalität und spontane Begegnungen auf dem Rückzug

Trotz der positiven Erfahrungen mit virtueller oder hybrider Arbeit im Hinblick auf Produktivität und Mitarbeiterzufriedenheit wünschen sich die meisten Unternehmen aktuell deutlich mehr Präsenz der Mitarbeitenden in den Büros. Es herrscht Sorge vor den mittel- und langfristigen Folgen einer hohen Virtualität mit Blick auf Gemeinsamkeit, Leistungsfähigkeit und Innovationskraft. Diese Sorge ist nicht unbegründet. Unsere Studien zeigen, dass bei jeder vierten Person die emotionale Bindung an die eigene Organisation nachgelassen hat.

Knapp die Hälfte gibt an, dass es in ihrer Organisation kaum Anlässe gibt, andere Kolleginnen und Kollegen einfach mal so zu treffen und miteinander ins Gespräch zu kommen. Das Gespräch beim Kaffee oder beim Mittagessen, bei dem Gedanken weitergesponnen oder Probleme spontan gelöst werden, findet kaum noch statt. Die Zahl der Erfindungsmeldungen, Patente und Verbesserungsvorschläge ist zurückgegangen. Gleichzeitig berichten Personalverantwortliche, dass die Informiertheit über aktuelle Unternehmensentwicklungen bei der Belegschaft zurückgeht.

Nun soll es nicht darum gehen, alle wieder Vollzeit zurück ins Büro zu holen. Vielmehr muss es uns gelingen, sowohl im physischen als auch im virtuellen Raum Anlässe, Orte und Gemeinsamkeiten zu schaffen, welche Kreativität und Innovation unterstützen und befördern. Das Zusammenkommen und miteinander Arbeiten sollte so attraktiv sein, dass optimalerweise eine gewisse „Fear of Missing Out“ entsteht – also die Sorge, etwas vor Ort zu verpassen. Dafür muss sich zunächst das Büro als Ort der (kreativen und innovativen) Arbeit neu erfinden. Durch den zunehmenden Einsatz immersiver Technologien wird es im nächsten Schritt dann auch um die Gestaltung virtueller Arbeitsräume gehen.

Vielfältigkeit als Erfolgsvoraussetzung

Bei den Überlegungen, wie Büros in einer hybriden Arbeitswelt aussehen können, wird häufig auf Konzepte zurückgegriffen, die unmittelbar vor der Pandemie als modern galten. Dies waren vorwiegend flexible, oft sehr offene und teilweise stark verdichtete Konzepte, häufig mit wenig Rückzugsoptionen. Diese Konzepte werden nun für die neue Zeit in eine Richtung weiterentwickelt, bei der die Anzahl an klassischen Arbeitsplätzen in offen gehaltenen Raumzonen etwas reduziert und die so gewonnenen Flächen für unterschiedliche Workshopformate und soziale Begegnungen ausgebaut werden. Zugleich wird häufig angeführt, dass fokussiertes Arbeiten besser zu Hause zu erledigen sei und die Büros vor allem für Kommunikation, Begegnung und kreativen Austausch genutzt werden sollten.

Das ist nicht falsch, aber es reicht nicht aus, um dem Wandel unserer Arbeitswelt gerecht zu werden und dem Büro neues Leben einzuhauchen. Unsere Studien zeigen, dass eines der wichtigsten Motive für den Weg ins Büro die Erwartung ist, Menschen zu treffen. Zugleich steht aber die Befürchtung, sich im Büro nicht ausreichend konzentrieren zu können, ganz oben auf der Liste der Hemmnisse, sogar noch vor einem langen Arbeitsweg. Weiterhin sind die Motive für oder gegen eine Rückkehr sehr individuell. Deswegen arbeiten wir in unserem Office 21-Projekt mit Unternehmen daran, ein Instrument zu entwickeln, anhand dessen wir die persönlichen Präferenzen und Bedürfnisse der Mitarbeitenden bei der Wahl ihres Arbeitsortes analysieren. Mit solchen Typologien lassen sich wertvolle Erkenntnisse generieren, mit denen Unternehmen Arbeitsräume zielgruppenspezifisch gestalten können. An dieser Studie kann man sich aktuell noch beteiligen.

Die ersten Auswertungen sind vielversprechend, so haben wir beispielweise einen Typus identifiziert, der gerne mehr im Büro wäre, aber wegen zu wenig Kolleginnen und Kollegen vor Ort den Weg nicht auf sich nimmt. Für diese Gruppe ginge es also darum, eine kritische Masse an Menschen, wie eine Art „Tipping Point“, für den Weg ins Büro zu erzeugen.

Mit einem digitalen Layer zum Hub für Begegnung und Innovation

Neben der innenarchitektonischen Gestaltung attraktiver Begegnungs- und Austauschräume bedarf es intelligenter Raum- und Arbeitsplatzbuchungssysteme, die zum einen sicherstellen, dass vor Ort die gewünschte Arbeitssituation tatsächlich verfügbar ist, und die zum anderen eine soziale Komponente übernehmen. So könnten die Systeme beispielsweise spielerisch auf die geplanten Anwesenheiten von „Peers“ aufmerksam machen und dadurch den Impuls geben, sich selbst dorthin zu begeben. Diese Personen können Kolleginnen und Kollegen aus dem eigenen Team sein, aber ebenso aus anderen Fach- und Funktionsbereichen. Damit würde das Büro nicht nur zur räumlichen Fortsetzung des digitalen sozialen Netzwerks, sondern wieder mehr zum Ort der zufälligen Begegnung als Basis für Austausch und Ideengenerierung. So könnten an nutzungsarmen Tagen gezielt neue Nutzungsmuster angeregt werden. Warum sollte ich an einem Freitag nicht mal einen Arbeitsplatz in der räumlichen Nähe eines Kollegen reservieren, der aus einer anderen Einheit stammt, aber ebenfalls Austausch und Inspiration sucht? Damit ließe sich ein „Serendipity-Effekt“, durch den neue Problemlösungsansätze oder Ideen entstehen, erzeugen.

Büros als soziale Orte

Das Ganze lässt sich vielfältig weiterdenken. Ich bin überzeugt, dass rund um das Ökosystem Büro in Kürze neue interessante Modelle entstehen. So könnten Co- Working Betreiber gezielt Menschen aus unterschiedlichen Branchen und unterschiedlicher Disziplinen auf ihren Projektflächen oder Workshopräumen zusammenbringen. Durch die Inszenierung und das Kuratieren des zukünftigen Bürolebens und von Büroimmobilien, die sich mit ihrem Umfeld digital und real vernetzen, wird ein regelmäßiger Besuch im Büro – zumindest für einen Teil der Menschen – wieder attraktiv. Büros, die sich mit dem umgebenden Quartier vernetzen und ein Eintauchen in vielfältige Arten von Gastronomie, Kultur, Events aber auch das miteinander Feiern und Vernetzen ermöglichen, werden soziale Orte für Austausch und Begegnung, wo sich Menschen gerne aufhalten. Also keine Zombie-Gebäude, sondern lebendige, pulsierende und kreative Orte des Zusammenkommens. Im nächsten Schritt könnten diese Orte dann einen digitalen Zwilling erhalten und es so allen ermöglichen, sich zu begegnen, auszutauschen, um miteinander kreativ und innovativ zu sein.

Ich freue mich, wenn das scheinbar Unmögliche gedacht wird und wir schon bald erste Prototypen und Experimente erleben können. Gutes Gelingen!

Unsere Studien zeigen, dass bei jeder vierten Person die emotionale Bindung an die eigene Organisation nachgelassen hat.

Prof. Dr. Katharina HölzleLeiterin, Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO, und Institut für Arbeitswissenschaft IAT der Universität Stuttgart
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