Wie Backpulver Werbung und Fitness Influencer:innen den Frauenanteil in der IT beeinflussen

Ein Kommentar zum Frauenbild auf Social Media von Lena John, Co-Founder und Laura John, Co-Founder –  ITgirls

Millionen Views – vor wenigen Wochen ist eine Dr. Oetker Werbung für Backpulver aus dem Jahr 1954 auf TikTok und Instagram viral gegangen. Für Aufregung hat dabei vor allem eine Aussage geführt: „Eine Frau hat zwei Lebensfragen: Was soll ich anziehen und was soll ich kochen?” Die gesamte Werbung hat in mir (und offensichtlich vielen anderen) ein befremdliches Gefühl ausgelöst. Sowas wurde noch vor 70 Jahren im öffentlichen Fernsehen ausgestrahlt? Echt jetzt? Während ich mir weiter ein Reel nach dem anderen anschaue, werde ich plötzlich nachdenklich. Viele bekannte Influencer:innen auf meinem Screen erzählen zu einem überwiegenden Teil von drei Dingen: Fitness, Lifestyle, Fashion. Ein Gedanke lässt mich daher nicht mehr los: Wie weit sind wir heute wirklich von dem Frauenbild aus der Backpulver Werbung entfernt?

Social Media bestimmt maßgeblich die Wahrnehmung und Ziele unserer Generation. Hierbei entsteht eins der vielen Probleme, die einen Einfluss auf den geringen Frauenanteil in IT-Berufen haben. Die sozialen Medien replizieren ein stereotypes Frauenbild. Fast alle großen Influencer:innen sind damit bekannt geworden, ihrer (überwiegend weiblichen) Followerschaft die besten Fitnessrezepte und neusten Fashiontrends zu zeigen. Damit setzen sie die Themen und Trends, mit denen sich Mädchen und junge Frauen täglich befassen – und prägen letztlich auch ihre Berufswünsche.

Zwei Dinge sollten an dieser Stelle nicht unbeachtet bleiben. Erstens gibt es zunehmend Gegenbewegungen. Influencer:innen, die mit Fashion bekannt geworden sind, erklären ihren Follower:innen heute Investments und klären über Nachhaltigkeit auf. Zweitens sind viele erfolgreiche Influencer:innen wie Pamela Reif extrem intelligente und erfolgreiche Unternehmerinnen. Doch diese Seite zeigen sie eben nicht. Ihre Follower:innen bekommen im Wesentlichen den Teil ihres Lebens mit, in dem sie sich um Fitness und Fashion kümmern. Infolgedessen fehlt es an weiblichen Vorbildern in IT-Berufen, an Inspiration, sich mit der Zukunft von Technologien auseinanderzusetzen und an nahbaren Informationen, wie eine Karriere in der IT aussehen kann.

Genau diese Lücke wollen mit ITgirls füllen. Unser Ziel ist es, dass jede Schülerin einmal in ihrer Schulzeit mit IT als Beruf positiv in Berührung kommt. Wir zeigen vielfältige Einstiegsmöglichkeiten, Berufsbilder und Karrierechancen auf unseren Social Media Kanälen und unserem Blog. Von jungen Frauen für junge Frauen. Es muss zum Trend werden, dass Frauen ihren Weg als Softwareentwicklerin oder als Spezialistin für Cybersecurity darstellen. Und zwar sowohl von bereits erfolgreichen Persönlichkeiten, die es glücklicherweise immer mehr gibt (Lea-Sophie Cramer, Karlie Kloss, Mira Murati, Annahita Esmailzadeh, Aya Jaff, Yaël Meier, …) als auch von Frauen, die selbst noch auf dem Weg sind.

Dies kann aber nur ein Element einer gesamten Kette an Maßnahmen für einen höheren Frauenanteil in der IT sein. Der Austausch mit unserer Community zeigt immer wieder: Ein wesentlicher Teil der Verantwortung liegt bei den Führungskräften. Denn damit der kleine Funken Interesse, den wir mit ITgirls hoffentlich entfachen, wirklich zu einem erfolgreichen Einstieg in eine IT-Karriere mündet, braucht es die richtigen Rahmenbedingungen in Unternehmen. Erstens müssen strukturelle Hürden abgebaut werden. Neben viel diskutierten Maßnahmen wie Quoten sollten Unternehmen Frauen aktiv Weiterbildungsmöglichkeiten in der IT anbieten und Talente aus ihren eigenen Reihen pro-aktiv fördern. Wir können nicht warten, bis sich die gesellschaftlichen Rollenbilder und Prägungen so verändert haben, dass alle jungen Menschen mit gleicher Wahrscheinlichkeit nach einer CIO-Position streben. Zweitens müssen Unternehmen einen geeigneten Öffentlichkeitsauftritt etablieren. Wir sehen es immer noch viel zu häufig, dass Stellenanzeigen, Berichte oder auch Veranstaltungen so gestaltet sind, dass sie Frauen eher abschrecken als motivieren. Der dritte und wichtigste Punkt ist die Kultur. Von der viel zu hohen Anzahl an Frauen, die die IT-Branche wieder verlassen, geben 90 % an, dies aus dem Gefühl der Ausgeschlossenheit zu tun (Quelle). Es reicht nicht mehr aus, firmeninterne Fraueninitiativen zu etablieren. Gleichberechtigung muss tief im Unternehmen verankert werden. Jeden Tag. Auf allen Hierarchieebenen. Ohne Kompromisse. Bis wir zusammen die Vision von ITgirls erreichen: Die digitale Zukunft wird gemeinsam von allen gestaltet.