Wenn der Einfluss nachhaltigen Handels an seine Grenzen stößt

Das Scheitern von Klimaschutzmaßnahmen führt laut dem aktuellen Global Risk Report die Liste der größten Risiken der Welt in den kommenden 10 Jahren an. Wir müssen handeln, das ist auch der Versicherungsbranche längst bewusst. Die Verfolgung von Nachhaltigkeitskriterien spielt mittlerweile eine wichtige Rolle. Ganz unabhängig davon, ob aus eigener strategischer Überzeugung, aufgrund von regulatorischen Anforderungen oder wegen Forderungen von Stakeholdern, die zunehmend darauf achten, ob und in welchem Ausmaß Unternehmen in diesem Bereich aktiv sind oder nicht.

Schrittweise raus aus der Kohle
So verfolgt auch die Vienna Insurance Group (VIG), die größte Versicherungsgruppe in Zentral- und Osteuropa mit klarem Fokus auf die CEE-Region, seit vielen Jahren eine umfassende Nachhaltigkeitsstrategie. Diese sieht unter anderem eine starke Forcierung der Investitionen in erneuerbare Energien zu Lasten fossiler Energieträger vor, die auch einen schrittweisen Rückzug aus dem Kohleenergiesektor umfasst. Neben dem Abbau bestehender Kohleinvestitionen werden seit 2019 keine neuen Versicherungsverträge mehr für Kohlekraftwerke bzw. -minen abgeschlossen. Bestehende Verträge laufen aus. In jenen Ländern, in denen es keine staatliche Ausstiegsstrategie aus der Kohleenergieversorgung gibt, können bestehende Verträge verlängert werden, aber nur wenn die Bevölkerung von dieser Energieversorgung abhängig ist und es auf Grund der Sicherstellung eines stabilen und geordneten Übergangs in eine kohlenstoffarme Energieversorgung notwendig ist. Dafür verlangen wir von den Betreibern klare Maßnahmen zur Reduktion der CO2-Belastung und einen schrittweisen Ausstiegsplan. Bezogen auf die Gesamtanzahl der Firmenkunden der VIG-Gruppe handelt es sich bei unseren Kunden mit Kohlerisiken mittlerweile um einen Anteil, der unter 0,1 % liegt.

Fliegender Wechsel
Wir führen betreffend unserer Klimawandelstrategie auch regelmäßig Gespräche mit NGOs die naturgemäß das Ziel der sofortigen Schließung von Kohlekraftwerken verfolgen. Vielen NGOs ist aber nicht bewusst, dass die Schließung des Kohlekraftwerkes allein durch den Ausstieg von Versicherungen nicht erreicht wird. Konkret haben zum Beispiel unsere tschechischen Versicherungsgesellschaften nach heftigen Interventionen durch Umweltorganisationen verkündet, keine Kohlekraftwerke mehr zu versichern, unabhängig davon, ob hier auf Grund unserer Bestimmungen eine Weiterversicherung möglich gewesen wäre. In Tschechien gibt es eine hohe Abhängigkeit von Kohlenenergie und keine staatliche Ausstiegsstrategie. Umgehend meldeten sich chinesische Versicherungsanbieter, die nun Versicherungsschutz ohne besondere Auflagen – wie wir sie fordern – bieten. Das Kohlekraftwerk wird somit weiter betrieben, die Wertschöpfung aus der Versicherung geht nach China. Das entspricht weder unseren Bestrebungen noch jenen der NGOs.

Gesellschaftlicher Konsens ist gefragt
Wir stoßen hier an Grenzen des Einflusses von Nachhaltigkeitsmaßnahmen. Es ist keine Frage, dass Versicherungen einen großen Hebel für eine klimafreundlichere Umwelt besitzen, vor allem in der Veranlagung. Versicherungen sind mit über 10,5 Billionen Euro der größte institutionelle Investor in der EU. Das Problem muss jedoch aus unserer Sicht primär im Land und auf Regierungsebene gelöst werden, es ist eine gesellschaftliche Aufgabe. Wenn die Bevölkerung massiv einen Umstieg auf alternative Formen mit entsprechenden Übergangsregelungen fordert, wobei hier NGOs eine wichtige Rolle spielen, dann werden die verantwortlichen Stellen entsprechend handeln, so wie sich zum Beispiel die Bevölkerung in Österreich mehrheitlich gegen Atomenergie ausgesprochen hat und diese Energieform somit in Österreich nicht betrieben wird. Wir können aus eigener Überzeugung, aus Interessen unserer Stakeholder und auf Grund von Vorgaben, wie der Taxonomie im Rahmen des Green Deals der EU, von Investitionen oder auch dem Versichern fossiler Brennstoffe Abstand nehmen. Wir können unsere Investitionen in erneuerbare Energien steigern, um den Übergang in eine kohlenstoffarme Zukunft zu beschleunigen und Versicherungsverträge beenden. Aber es werden nicht Versicherungen sein, die Kohlekraftwerke schließen oder deren Schließung herbeiführen, sondern der gesellschaftliche Konsens und politisches Handeln. ■

Es ist keine Frage, dass Versicherungen einen großen Hebel für eine klimafreundlichere Umwelt besitzen, vor allem in der Veranlagung.

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