Vorbild Niederlande

Kurt von Storch

Die betriebliche Altersvorsorge ist in Deutschland weit weniger stark verbreitet als in anderen europäischen Ländern. Das ist nicht nur eine vertane Gelegenheit, sondern langfristig ein großes Problem. Höchste Zeit, das zu ändern.

Etwa 16 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte haben in Deutschland eine betriebliche Altersvorsorge (bAV). Oder andersherum: 14 Millionen Arbeitnehmer, also fast die Hälfte, haben keine.

Stattdessen sind sie auf die gesetzliche Rentenversicherung und die private Altersvorsorge angewiesen. Beides wird in vielen Fällen nicht reichen, leider. Gerade Menschen mit niedrigen oder mittleren Einkommen können meist nicht genug Geld für den Ruhestand zurücklegen – weder über die Beiträge zur gesetzlichen Rentenkasse noch mithilfe privater Sparpläne. Altersarmut könnte deshalb zu einem weit verbreiteten Phänomen in Deutschland werden – und den gesellschaftlichen Zusammenhalt, den Generationenvertrag bedrohen.

Umso wichtiger ist es, die betriebliche Altersvorsorge stärker in den Fokus zu rücken und für sie zu werben.  Ein Blick über die Landesgrenzen hinaus kann dabei helfen; etwa zu unseren Nachbarn in den Niederlanden. Auch dort reicht die gesetzliche Rente nur schwerlich für einen geruhsamen Lebensabend. Auch dort stehen aufgrund des demografischen Wandels immer weniger Betragszahler immer mehr Rentenempfänger gegenüber.

Wenn Altersarmut droht

Anders als in Deutschland ist die bAV in den Niederlanden aber sehr weit verbreitet. Neun von zehn Arbeitnehmer erhalten im Alter eine Betriebsrente. In Kombination mit der gesetzlichen Rente liegt das durchschnittliche Rentenniveau in den Niederlanden bei mehr als 80 Prozent des letzten Arbeitseinkommens. In Deutschland sind es gerade einmal 52 (!) Prozent.

Und noch eines haben uns die Niederländer voraus: Bei der Ausgestaltung der betrieblichen Altersvorsorge setzen sie vor allem auf den Kapitalmarkt, auf Aktien. Langfristig ist deren Renditepotenzial am größten – allen Krisen und damit einhergehenden Kursschwankungen zum Trotz.

Für bAV-Sparer, die über sehr lange Zeit Vermögen ansparen, sind zwischenzeitliche Turbulenzen an den Börsen weit weniger bedeutsam, als ihnen der tägliche Börsenbericht vom „Frankfurter Parkett“ weismachen will. Geduld wird am Kapitalmarkt belohnt. Insofern passt die wertpapiergebundene Direktzusage als Ausgestaltung der bAV besonders gut, um langfristig Vermögen aufzubauen.

Zumal beide Parteien, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, über die größtmögliche Flexibilität verfügen. Der Arbeitgeber kann selbst über die Anlage bestimmen und beispielsweise einen Vermögensverwalter beauftragen, die Beiträge auf dem Kapitalmarkt zu investieren.

Unternehmen sind (auch) in der Pflicht

Investitionen in Aktien wiederum bieten den Vorsorgesparern einen natürlichen Inflationsschutz und eine echte Chance, über die Zeit ausreichend Vermögen aufzubauen. Zudem ermöglicht die unmittelbare Zusage eine kostengünstige Vorsorge, da keine Vertriebs- oder Abschlussprovisionen anfallen.

Die Kritik an der Direktzusage, sie belaste die Unternehmensbilanz zu sehr, lässt sich mithilfe der richtigen Ausgestaltung der bAV weitgehend entkräften. Durch das Saldierungsgebot kann die „Aufblähung“ der Bilanz verhindert werden. Rückstellungsbedarf entstünde nur, sollte der Wert der Kapitalanlagen unter die durch das Unternehmen garantierte Beitragssumme fallen, wenngleich das eine eher theoretische Überlegung ist und – wenn überhaupt – nur in den Anfangsjahren relevant. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Kapitalmärkte über einen längeren Zeitraum positiv entwickeln, ist relativ hoch.

Die Unternehmen sind in der Pflicht. Sie können mit einer klug ausgestalteten bAV einen wichtigen Beitrag liefern, die immer größer werdende Rentenlücke in Deutschland zu schließen und der drohenden Altersarmut etwas entgegensetzen. Zumal es zu ihrem eigenen Vorteil ist. Denn der demografische Wandel ist nicht allein eine Herausforderung für die gesetzliche Rentenversicherung, sondern auch für den Arbeitsmarkt. Er verschärft den Fachkräftemangel. Unternehmen brauchen gute, talentierte Leute. Und die bekommen sie in Zukunft nur, wenn sie ihnen einen attraktiven Arbeitsplatz bieten. Dazu gehört eben auch eine gute betriebliche Altersvorsorge.