Von der Last zur Chance: Die transformative Kraft der Nachhaltigkeitsberichterstattung

Ob mangelnde Profitabilität, technologische Entwicklungen oder sich verändernde Marktbedingungen – die kontinuierliche Anpassung des eigenen Unternehmens an volatile Rahmenbedingungen ist elementarer Bestandteil unternehmerischen Handelns. Es gibt jedoch Herausforderungen, die über normale Anpassungsprozesse hinausgehen und Unternehmen in einen umfassenden Transformationsprozess führen. Eine Entwicklung, die viele Unternehmen in den kommenden Jahren vor eine solche Herausforderung stellen wird, ist die Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung.

Nachhaltigkeitsberichterstattung – Perspektivenwechsel als Chance

Mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), dem Lieferkettengesetz und der EU-Taxonomie sehen sich Unternehmen derzeit mit mehreren tausend Seiten Regelwerk konfrontiert. Kein Wunder, dass dies nicht nur als enorme Herausforderung, sondern häufig auch negativ als Überregulierung und Eingriff in die eigene Prozess- und Strukturwelt wahrgenommen wird.

Um diese Wahrnehmung zu überwinden, sind zwei Perspektivwechsel notwendig:

Es gilt zu erkennen, dass diese Regelwerke einerseits der normative Ausdruck einer sich verändernden gesellschaftlichen Mentalität sind. Und zum anderen, dass sie hervorragende Leitlinien dafür bieten, wie sich Unternehmen an die veränderten gesellschaftlichen Bedingungen anpassen können.

Denn Nachhaltigkeitsberichterstattung ist kein Selbstzweck. Es geht nicht allein darum, jedes Jahr einen neuen Bericht zu erstellen. Die eigentliche Herausforderung liegt in all den Prozessen, Systemen, Rollen & Verantwortlichkeiten sowie Strukturanpassungen. Diese sollten sich daran anschließen oder bestenfalls bereits im Rahmen der Vorbereitung der Berichterstattung angestoßen werden, um den sich wandelnden gesellschaftlichen, ökologischen und ökonomischen Anforderungen gerecht zu werden. Wer dies nicht berücksichtigt und sich nicht auf die veränderten Bedingungen einstellt, wird mittel- bis langfristig die Existenz des Unternehmens aufs Spiel setzen.

Die Bedeutung der Wesentlichkeitsanalyse – „Inside-Out“ vs. „Outside-In“

Das Herzstück der Standards zu den Offenlegungspflichten nach CSRD bildet die sogenannte doppelte Wesentlichkeit. In der Anwendung der Wesentlichkeitsanalyse sind dadurch sowohl die „Inside-Out“ wie auch die „Outside-In“ Perspektive verpflichtend zu betrachten.

Zum einen werden mit der Inside-Out Perspektive potenzielle und tatsächlich positive und negative Auswirkungen, die aufgrund der Geschäftstätigkeit des Unternehmens auf ihre Umwelt sowie die Gesellschaft wirken, betrachtet und bewertet. Beispielsweise können im Rahmen des Standards E1 „Klimawandel“ CO2 Emissionen als negative Auswirkung auf die Umwelt angegeben werden. Diese muss dann nach dem Schweregrad, der sich aus dem Ausmaß, dem Umfang und der Unabänderlichkeit der Auswirkungen zusammensetzt, sowie der Wahrscheinlichkeit bewertet werden. Positive Auswirkungen werden nach der gleichen Logik bewertet. Aufgrund der positiven Eigenschaft entfällt hierbei die Unabänderlichkeit.

Zum anderen werden mit der Outside-In Perspektive die finanzielle Wesentlichkeit von Themen anhand von Risiken und Chancen für ein Unternehmen betrachtet. Unternehmen müssen an dieser Stelle unternehmensinterne Chancen und Risiken der für sie bedeutsamen externen Themen anhand von Eintrittswahrscheinlichkeit und potenziellem Ausmaß bewerten und somit die wesentlichen Themenfelder für die folgende Berichterstattung identifizieren.

ESG-Management & -Berichterstattung bedeutet Business Transformation

Unternehmen müssen sich künftig darüber im Klaren sein, dass veröffentlichte Nachhaltigkeitsberichte nicht als singuläre Dokumente betrachtet werden. Sie werden in Zukunft, so wie auch die Finanzberichterstattung, von allen Stakeholdergruppen Jahr für Jahr miteinander verglichen. Eine Stagnation oder gar Verschlechterung der Ergebnisse wird sich folglich auch (negativ) auf das Unternehmensergebnis auswirken.

Es gilt daher, sich von der Vorstellung zu verabschieden, die Herausforderung künftiger regulatorischer Anforderungen liege in der bloßen Erfüllung einer Berichtspflicht. Vielmehr geht es darum, einen nachhaltigen und strukturierten Veränderungsprozess im Unternehmen anzustoßen, der das Unternehmen zukunftsfähig auf ökologische und soziale Herausforderungen vorbereitet und für alle daraus resultierenden Konsequenzen resilient aufstellt. Denn so bietet die Berichtspflicht die große Chance, Bestehendes auf den Prüfstand zu stellen und die eigene Positionierung nachzuschärfen, auszubauen, zu festigen und sich vom Wettbewerb zu differenzieren.

Dabei sollte allen Beteiligten klar sein, dass Business Transformation ein komplexer und oft langwieriger Prozess ist, der sorgfältiger Planung, Führung und Zusammenarbeit bedarf. Es ist wichtig, die Bedürfnisse der Mitarbeitenden, der Kunden und anderer Stakeholder zu berücksichtigen, um einen erfolgreichen Transformationsprozess zu gewährleisten. Nur so wird der jährliche Nachhaltigkeitsbericht zu einer jährlich wiederkehrenden Erfolgsmeldung und nicht zu einer lästigen Pflicht.