Sicherheit im Wandel

Eine sichere Zukunft ist das Geschäftsmodell von Versicherungen. Was passiert, wenn sich die Umstände und Bedingungen dafür in einem umfassenden Veränderungsprozess befinden? Im Vorfeld der Handelsblatt Jahrestagung Strategiemeeting Lebensversicherung 2025 beschreibt Teilnehmer Dr. Igor Radović, Vorstandsmitglied Canada Life, wie sich die Branche den neuen Kundenbedürfnissen, der Digitalisierung und Regulatorik stellt.

Die Versicherungswirtschaft galt lange als monolithischer Fels in der Brandung – und zwar in vielerlei Hinsicht. Eine Branche, deren Produkte, Verwaltung und Vermarktung sich nur wenig ändern. Doch seit einiger Zeit steckt die Assekuranz in einem äußerst dynamischen Wandlungsprozess. Der mit Abstand wichtigste Initiator dafür sind nicht regulatorische Änderungen – auch wenn es davon die letzten Jahre sehr viele gab. Der wichtigste Motor für den Wandel der Branche sind die Kunden und ihre sich wandelnden Bedürfnisse.

Kundenbedürfnisse bewegen den Markt

Mit der Digitalisierung haben Unternehmen wie Amazon längst Maßstäbe gesetzt, die sich Kunden überall wünschen. Natürlich lässt sich die Bestellung des neuesten Turnschuh-Modells nicht so einfach mit dem Kauf und der Verwaltung einer Lebensversicherung vergleichen. Durch ihre lange Lebensdauer und ihre Komplexität unterscheiden sich Lebensversicherungen erheblich von typischen Konsum-Produkten. Doch auch in unserer Branche wollen Kunden heute Lösungen und Leistungen schnell und übersichtlich erfassen und vergleichen, hinzu kommt blitzartige Erreichbarkeit und Unterstützung bei Fragen und Problemen durch einen engagierten Service.

Was sich die Menschen beim Abschluss und beim Leben mit einer Versicherung wünschen, untersuchen wir bereits seit einiger Zeit in unserer Customer Journey und bauen diese Bemühungen stetig aus. Das hilft uns, die Bedürfnisse der Kunden besser zu verstehen, weiter zu denken und ihnen entgegenzukommen. So haben wir zum Beispiel bei der Einführung unseres Kundenportals große Zuwachsraten und viel Zuspruch von unseren Kunden erhalten.

Doch die Digitalisierung unterstützt nicht nur das Service-Angebot von Versicherern. Sie wirkt auch nach innen: Eine erfolgreiche digitale Transformation durch eine moderne Verwaltung eröffnet der Assekuranz die Möglichkeit, ihre Weiterentwicklung zu forcieren. Zum Beispiel, sich stärker in der Neugestaltung der Produktwelt zu engagieren – im hart umkämpften Lebensversicherungs-Markt von entscheidender Bedeutung – und den Service im Vertrieb auszubauen. Man kann im Umkehrschluss sogar sagen: Wer nicht in die Digitalisierung und in die Kundenschnittstelle investiert, sondern wegen alter Systeme nur das Geschäft am Laufen hält, tut wenig für die Zukunftsfähigkeit seines Geschäftsmodells. Der schon jetzt deutlich zutage tretende Konzentrationsprozess auf dem deutschen Lebensversicherungsmarkt wird weitergehen, und die Digitalisierung wird darin eine große Rolle spielen.

Trotz Digitalisierung: Im Vertrieb bleibt Beratung essenzieller Faktor

Dies gilt auch für die Vertriebswege: Maklerkonsolidierer und Maklerpools dürften weiter an Bedeutung gewinnen. Die Digitalisierung ist auch hier ein klarer Wettbewerbsvorteil, da sich erfolgreiche Pools als Problemlöser für die technischen Herausforderungen von Maklern positionieren. Denn der Vertrieb nutzt mehr und mehr digitale Tools in der täglichen Arbeit, im Kundenkontakt und in der Verwaltung.

Als Vertreter eines Maklerversicherers möchte ich bei allem Wandel aber auch auf eine starke Konstante hinweisen: Die herausragende Rolle von Vermittlern und Maklern in der Lebensversicherung. Unabhängige Vermittler haben eine unentbehrliche Aufgabe – insbesondere, wenn man an die Altersvorsorge denkt, deren Produktstrukturen für Kunden erklärungsbedürftig sind. Wenn wir den Wandel der Branche mitgestalten wollen, müssen wir Beratung als wesentlichen Faktor wahrnehmen und digitale Beratungsmodelle unterstützen.

Dass die persönliche Finanzberatung vom Kunden geschätzt wird, hat eine repräsentative Umfrage des Marktforschungsunternehmens YouGov letztes Jahr eindrucksvoll bestätigt. Sie ergab, dass die Befragten sie wegen des menschlichen Ansprechpartners und der Fachkompetenz aufsuchen. 66% der Menschen, die eine persönliche Finanzberatung durch einen Makler hatten, bewerteten diese als sehr gut oder gut. So verwundert es nicht, dass Menschen mit Finanzberatung häufiger für die private Altersvorsorge sparen und zufriedener mit deren Entwicklung sind. Beratung sorgt buchstäblich für Altersvorsorge.

Die Produkte: Effizienz und Flexibilität für neue Bedürfnisse

Die Kundenbedürfnisse wirken auch auf die Produktwelt der Lebensversicherung ein. Die Menschen beziehen ihre Renten heute für einen deutlich längeren Zeitraum als früher. Versicherer müssen diesem „Langlebigkeitsrisiko“ Rechnung tragen. Laut einer Ende Mai veröffentlichten Umfrage von YouGov bezeichnet knapp jeder dritte über 50-Jährige seine finanzielle Absicherung im Ruhestand hierzulande als schlecht. Dies rückt die Situation der Menschen mit relativer Nähe zum Rentenalter noch mehr in den Vordergrund. Gleichzeitig ist es wichtig, Flexibilität für die Gestaltung dieses wichtigen Lebensabschnitts zu haben. Die meisten Menschen in dem Alter sind aktiv, mobil, haben Verpflichtungen und möchten ihr Leben genießen. Dem entgegen kommt zum Beispiel die Möglichkeit, aus Verträgen Geld zu entnehmen, oder vielleicht auch eine Teilrente zu beziehen. Den Herausforderungen stehen mit einer durchdachten Produktgestaltung also auch viele Chancen gegenüber. Eine wesentliche Rolle spielt dabei eine moderne Kapitalanlage, die die Chancen von Sachwerten effizient nutzt, um ein Maximum für eine Vorsorge nach den heutigen Bedürfnissen herauszuholen.

Letztendlich wirkt auch die Regulatorik auf die Branche ein: Solvency II, EU-Offenlegungsverordnung mit der Verpflichtung, Informationen über die Integration von ESG-Faktoren offenzulegen – um nur ein paar Stichpunkte zu nennen. Ihr Ziel ist klar: Für Kunden sollen die Regeln besseren Schutz bieten und für Klarheit sorgen, wie Versicherer mit Nachhaltigkeit umgehen. Doch die Umsetzung dieser Vorschriften bindet viel Arbeitskraft und Expertise. Dies gilt auch für die Makler- und Vermittlerschaft. Die Bundesarbeitsgemeinschaft zur Förderung der Versicherungsmakler, in der sich auch Canada Life aktiv beteiligt, hatte hierzu im März die bbg Betriebsberatungs GmbH mit einer Umfrage beauftragt und ermittelt, welche Verpflichtungen in den Augen von Vermittlern einen hohen Aufwand bedeuten: Ganz oben rangieren die Dokumentationspflichten (z. B. IDD, MIFID II), gefolgt von Haftung und Berichterstattung, dann kommen die Anforderungen durch die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), Kundenaufklärungspflichten, Anpassungen durch ESG, Nachhaltigkeitspräferenzabfrage sowie Weiterbildungspflichten. Pro Woche taxierten 45,7 % der Befragten den zeitlichen Aufwand für regulatorische Anforderungen mit 6-10 Stunden. Der Mehrwert für den Kunden steht aus Maklersicht nicht immer im Verhältnis dazu: Zwar erkennen viele Vermittler den Nutzen einzelner Vorgaben, etwa bei Kundenaufklärung (71,9 %) und Weiterbildung (66,9 %). Deutlich weniger halten die Anforderungen durch den DSGVO-Schutz (22,5 %), die Nachhaltigkeitspräferenzabfrage (12 %) und Anpassungen durch ESG (10,8 %) für einen hilfreichen Mehrwert im Sinne des Kunden.

Natürlich sind Schutz und bestmögliche Informiertheit der Kunden ein wichtiges Anliegen der Versicherungsbranche. Doch der Kern ihrer Aufgaben sollte erhalten bleiben: Kunden umfassend und bedarfsgerecht beraten und absichern.

Wenn Sie neugierig auf die heutige Positionierung von Lebensversicherern geworden sind, empfehle ich Ihnen die folgende Diskussion auf der Handelsblatt Jahrestagung Strategiemeeting Lebensversicherung 2025, 04.09.2025, 15:30: Transformation der Geschäftsmodelle in der Lebensversicherung – Perspektive für die künftige private Altersvorsorge.