Die Transformation vom Krankheits- zum Gesundheitswesen
Die Pandemie hat uns in den letzten Jahren gezeigt, an welchen Stellen auch eines der besten Gesundheitssysteme der Welt noch feilen kann und muss: Während laut einer Studie des Marburger Bundes ein Viertel der Ärzteschaft in Deutschland über einen Berufswechsel nachdenkt, warten Patient:innen bereits jetzt teils monatelang auf Facharzttermine.
Administrative Aufgaben und analoge Strukturen fressen knappe Ressourcen
Ein Großteil der Ärzt:innen, die aktuell mit ihrer Berufswahl hadern, klagt neben der hohen Arbeitsbelastung und Personalmangel über den enormen administrativen Aufwand von bis zu vier Stunden täglich, die ihnen für die Patientenversorgung fehlen. Digitalisierung von Prozessen und Strukturen z.B. zur Kommunikation zwischen Gesundheitseinrichtungen könnte hier bereits massiv Abhilfe schaffen und darüber hinaus die nach wie vor steigenden Gesundheitsausgaben maßgeblich senken. Laut einer aktuellen Studie würde Deutschland mit der Digitalisierung des Gesundheitswesens jährlich bis zu 42 Milliarden Euro einsparen, was ca. 12 Prozent des Gesamtkostenvolumens dieses Sektors entspricht.
Potenziale für eine Verbesserung der Patientenversorgung bleiben ungenutzt
Eine digitale Gesundheitswende in Deutschland bringt neben Kosteneinsparungen und Entlastung der Gesundheitsfachkräfte auch konkrete Vorteile für Patient:innen mit sich. Mit einer flächendeckenden Nutzung von standardisierten und anonymisierten Gesundheitsdaten ließen sich zudem vielfältige Vorteile für die Prävention von Krankheiten einerseits und die Behandlung von akuten Beschwerden andererseits realisieren.
Was beispielsweise in Finnland schon sehr gut funktioniert, könnte auch Patient:innen in Deutschland dazu befähigen, ihre Gesundheit selbst in die Hand zu nehmen. Statt den Arzttermin erst zu buchen, wenn ein konkretes gesundheitliches Problem oder Leiden besteht, könnten Patient:innen über digitale Tools und Helfer ihre Gesundheit und Vorsorgeoptionen verwalten und so durch Routineuntersuchungen eine Vielzahl von Akutterminen vermeiden. Laut einer neuen YouGov-Studie von Doctolib[1] weiß beispielsweise jede:r dritte Deutsche nicht, welche Vorsorgeuntersuchung in seinem oder ihrem Alter empfohlen wird. Ein besserer Zugang zu Informationen über die eigene Gesundheit und das Aufzeigen von Möglichkeiten, diese zu verbessern, wäre schon ein erster Schritt in eine gesündere Zukunft.
The time is now
Die Digitalisierung hat sich im Gesundheitswesen – insbesondere im Vergleich zu anderen Branchen – viel zu lange hinten angestellt. Der Bedarf an medizinischer Versorgung nimmt jährlich zu, gleichzeitig arbeiten die Gesundheitsfachkräfte immer härter unter immer schwierigeren Bedingungen. Die YouGov-Studie von Doctolib hat außerdem ergeben, dass jeder zweite Deutsche in den kommenden zwei Jahren plant, einen während der Pandemie abgesagten Vorsorgetermin nachzuholen. Mit bis zu 44 Millionen geplanten Untersuchungen in den nächsten 24 Monaten wird unser ohnehin überstrapaziertes Gesundheitssystem eine zusätzliche Belastung erfahren. Für eine erfolgreiche Gesundheitswende in Deutschland brauchen wir also zeitnah eine klare und ganzheitliche Strategie, um die vielen guten Vorstöße unterschiedlichster Akteure sinnvoll zu vereinen.
[1] Die verwendeten Daten beruhen auf einer Online-Umfrage der YouGov Deutschland GmbH, an der 2137 Personen zwischen dem 12. und 15.08.2022 teilnahmen. Die Ergebnisse wurden gewichtet und sind repräsentativ für die deutsche Bevölkerung ab 18 Jahren