Nachhaltiger Betrieb dank Verlagerung in die Cloud?

Interview mit Erik Dörnenburg, Head of Technology bei Thoughtworks Deutschland

Der Betrieb von Rechenzentren benötigt jede Menge Energie. Wie ist es möglich, hier einzusparen?

Es gibt mehrere Ansätze, wie Unternehmen sich in Richtung Green Computing bewegen können. Zum einen ist es sinnvoll, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Energieeffizienz ein wichtiger Faktor ist – ökonomisch wie ökologisch. Zum anderen ist es wichtig, die eigenen Systeme zu prüfen und festzustellen: Was verbrauchen wir überhaupt und wo fällt ein besonders hoher Energieaufwand an? Welche Anwendungen müssen in eigenen Rechenzentren laufen und welche nicht? Auf Basis solcher Erkenntnisse können Unternehmen optimieren und gegebenenfalls Rechenlast in die Cloud auslagern.

Inwiefern kann eine Cloud zu einer grüneren Energiebilanz beitragen?

Klar ist, dass durch die Verlagerung von immer mehr Systemen in die Cloud deutlich mehr Strom bei den Cloud-Anbietern verbraucht wird. Ein Wechsel in die Cloud kann insgesamt Energie sparen, weil die Rechenzentren der großen Cloud-Anbieter sowohl im Betrieb wie auch bei Hardware und Infrastruktur energieeffizienter aufgestellt sind und oft in höherem Maß mit grünem Strom betrieben werden. Wir haben bei unseren Kunden Einsparungen von 20% gesehen.  Außerdem ist es in der Cloud vergleichsweise einfach, Rechenleistung in verschiedenen Regionen zu nutzen und durch die Verschiebung von Rechenlast in Regionen mit mehr grüner Energie die eigene CO2-Bilanz zu verbessern. Wie hoch der Stromverbrauch für Cloud-Services tatsächlich ist, lässt sich zwar schwerer bestimmen als im eigenen Rechenzentrum, aber auch hier werden Fortschritte gemacht.

Wie kann die Cloud möglichst nachhaltig genutzt werden?

Wichtig ist es, den eigenen Verbrauch zu ermitteln. Das kann schnell komplex werden – weshalb es mittlerweile Tools dafür gibt. Die großen Cloud Provider wie Amazon Web Services, Google Cloud Platform oder Microsoft Azure bieten entsprechende Möglichkeiten an. Dabei wird die Methodik mehr oder weniger genau beschrieben, die tatsächlichen Berechnungen allerdings sind nicht einsehbar. Das Open-Source-Tool Carbon Cloud Footprint (CCF) kann in verschiedenen Clouds installiert werden. Es nutzt Cloud-APIs, um den Ressourcenverbrauch zu ermitteln, schätzt daraus anhand eines offenen Algorithmus den Energieverbrauch ab und verwendet öffentliche Datenquellen, um den Energieverbrauch in Emissionen umzuwandeln. Die Basis hierfür ist die Kohlenstoffintensität des zugrunde liegenden Energienetzes der jeweiligen Cloud-Region. In den letzten Versionen hat CCF neben Möglichkeiten Energie und CO2 sichtbar zu machen auch Optimierungsempfehlungen für Google Cloud und AWS eingeführt. Darüber hinaus ist es wichtig, in der eigenen Belegschaft das generelle Bewusstsein für Nachhaltigkeit zu schulen, damit z.B. beim Aufbau einer Cloud-Architektur, bei der Entwicklung eines neuen Produktes oder auch der Wahl des Cloud-Providers immer auch der Blick auf die Nachhaltigkeitsbilanz fällt.

Nachhaltigkeit ist ein gutes Stichwort. Unternehmen müssen nach EU-Vorgaben jetzt ihre Umweltauswirkungen berichten. Wie kann Technologie insgesamt nachhaltiger werden?

Die gute Nachricht: Unternehmensverantwortliche sind sich darüber bewusst, dass etwas passieren muss. In einer Studie von MIT Technology Review Insights, gesponsert durch Thoughtworks, haben 73 % der Befragten geantwortet, dass ein verantwortungsbewusster Umgang mit Technologie einen großen Einfluss auf ihre betrieblichen oder finanziellen Überlegungen hat. Daraus ergeben sich zahlreiche Chancen für Unternehmen: Einerseits können sie ihre internen Prozesse nach Verbrauch optimieren. Andererseits können sie ihre Produkte, Features oder Apps so gestalten, dass sie von vornherein einen möglichst geringen CO2-Fußabdruck hinterlassen.

Über den Autor

Erik Dörnenburg ist Software Engineer und leidenschaftlicher Technologe. Als Head of Technology bei Thoughtworks hilft er Kunden, ihre geschäftlichen Herausforderungen mit modernen Technologien, Plattformen und Praktiken zu lösen. Auf seiner 25-jährigen Reise durch die Tech-Branche ist Erik einer Fülle neuer Technologien begegnet. Deshalb erarbeitete er mit Kolleginnen und Kollegen den Thoughtworks Technology Radar und Looking Glass Report, die sich mit ebendiesen Themen befassen.

Während seiner gesamten Laufbahn war Erik ein Verfechter von agilen Werten und Open-Source-Software. Er ist regelmäßiger Redner auf internationalen Konferenzen, hat an einigen Büchern mitgewirkt und unterhält mehrere Open-Source-Projekte. Erik hat einen Abschluss in Informatik von der Universität Dortmund und hat Informatik und Linguistik am University College Dublin studiert.

Über Thoughtworks

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