Die digitale Transformation verändert die Versicherungsbranche fundamental. Eine zentrale Rolle spielt dabei Künstliche Intelligenz (KI). Das Potenzial geht dabei weit über Automatisierung hinaus. KI bietet Versicherungsunternehmen die Möglichkeit, Prozesse effizienter zu gestalten, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln und das Kundenerlebnis zu verbessern. Gleichzeitig stellen sich regulatorische Fragen, die aus Sicht des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) sorgfältig abgewogen werden müssen.
Künstliche Intelligenz kommt in der Versicherungswirtschaft bereits in vielen Bereichen zum Einsatz. So zum Beispiel in der Schadenbearbeitung. KI-Systeme analysieren Schadenmeldungen, erkennen Betrugsmuster und treffen automatische Vorentscheidungen. Dadurch werden Bearbeitungszeiten verkürzt und die Kundenzufriedenheit erhöht. Schäden am Fahrzeug können damit zum Beispiel mit einem Klick auf Basis der Fotos ausgewertet werden. Die Reparatur oder die Überweisung der Summe auf das Konto des Versicherten können sofort veranlasst werden.
Durch den Einsatz von Machine Learning lassen sich außerdem Risiken präziser einschätzen. Die Versicherer verfügen über große Datenmengen. Mit selbstlernenden Algorithmen können diese noch besser analysiert und die Aktuare bei der Preisfindung und Risikobewertung unterstützt werden. Ein Beispiel ist zum Beispiel bei der Versicherbarkeit von Menschen mit schweren Vorerkrankungen in der Risikolebensversicherung. So können Versicherer heute unter bestimmten Bedingungen ein Versicherungsangebot für Träger des HI-Virus vorlegen. Vor wenigen Jahren wäre dies ohne die Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz nicht möglich gewesen. Die Versicherbarkeit von Gebäuden gegen Hochwasser wurde durch die Auswertung von zusätzlichen detaillierteren Daten im Rahmen des Geoinformationssystems für Hochwassergefahren der Versicherungswirtschaft (ZÜRS) deutlich gesteigert.
Die Kundinnen und Kunden merken die Vorteile aber auch ganz unmittelbar. Chatbots und virtuelle Assistenten verbessern die Erreichbarkeit und Servicequalität bei den Versicherern. Sie beantworten häufige Kundenanfragen rund um die Uhr und entlasten den Kundenservice. Auch wichtig: KI kann Vertriebspartner mit personalisierten Produktempfehlungen unterstützen und so die Kundenzufriedenheit erhöhen.
KI wird in den Unternehmen da eingesetzt, wo sie hilfreich sein kann. Die Steuerung und Führung liegen aber stets in den Händen von Menschen. Idealerweise ergänzen sich menschliche und künstliche Intelligenz, dann profitieren alle am meisten davon.
Der Einsatz von KI in der Finanz- und Versicherungswirtschaft unterliegt strengen gesetzlichen Vorgaben. Relevante Regelwerke sind unter anderem die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) sowie zukünftig der AI Act der Europäischen Union. Insbesondere Fragen der Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Diskriminierungsfreiheit von KI-Entscheidungen stehen im Fokus der Regulierung und der Aufsichtsbehörden.
Wir beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) begrüßen grundsätzlich die Bemühungen der EU, einen einheitlichen und innovationsfreundlichen Rechtsrahmen für KI zu schaffen. Aus Sicht des GDV ist es jedoch essenziell, dass die Regulierung verhältnismäßig bleibt und den Nutzen von KI nicht durch überzogene Anforderungen einschränkt. Kritisch sehen wir die pauschale Einstufung versicherungstypischer KI-Anwendungen als Hochrisiko. Der Einsatz von KI im Underwriting oder der Schadenbearbeitung ist in der Regel ohnehin stark überwacht, transparent dokumentiert und durch menschliche Entscheidungsbefugnisse ergänzt.
Die anstehende Umsetzung der Verordnung sollte das Innovationspotenzial von KI fördern und nicht im Keim ersticken. Das ist auch im Verhältnis zu den Entwicklungen in China und den USA wichtig. Ansonsten kann es schnell passieren, dass Europa im globalen Wettbewerb abgehängt wird.
Neben einer innovationsfreundlichen Umsetzung der KI-Verordnung brauchen wir aber auch Einheitlichkeit in der gesamten EU. Es darf nicht zu verschiedenen „nationalen Auslegungen“ der Verordnung und damit einem Flickenteppich kommen.
Und wir haben vor allem in Deutschland einen Standortnachteil wegen dem Datenschutz. Datenschutz ist elementar, er wird von uns nicht in Frage gestellt. Er darf aber Innovationen nicht unangemessen behindern. Das sehen wir in Deutschland vor allem wegen der Vielzahl der Datenschutzbehörden, mit zum Teil uneinheitlichen Meinungen auch zum Einsatz zu KI. Wir hoffen daher darauf, dass die neue Bundesregierung ihr Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag umsetzt und die Datenschutzaufsicht bei der Bundesdatenschutzbeauftragten bündelt.
Aber auch bei der Datenschutz-Grundverordnung selbst gibt es noch Anpassungsbedarf. Das betrifft etwa die Frage des Einsatzes von personenbezogenen Daten für das Testen und das Training von KI. Hierfür sollte eine ausdrückliche Rechtsgrundlage geschaffen werden.
Künstliche Intelligenz bietet der Versicherungswirtschaft große Chancen zur Effizienzsteigerung und Kundenorientierung. Damit KI ihr Potenzial entfalten kann, ist aber ein ausgewogener Rechtsrahmen erforderlich, der Innovation ermöglicht, aber gleichzeitig Vertrauen und Fairness gewährleistet. Der GDV positioniert sich dabei als konstruktiver Partner im Dialog mit Gesetzgebern und Aufsichtsbehörden.