Laut dem Robert Koch-Institut (RKI) ist die bundesweite 7-Tage-Inzidenz Mitte Februar das erste Mal seit Dezember 2021 in Deutschland leicht gesunken.1 Ob die aktuellen Zahlen das Erreichen eines Plateaus der Omikron-Welle andeuten und der zuletzt rasante Anstieg der Neuinfektionen hierzulande endgültig gebremst wurde, ist noch ebenso unklar wie die Folgen, die diese Pandemie langfristig für unser Gesundheitssystem haben wird. Fest steht jedoch, was uns verschiedene Datenerhebungen und Analysen gezeigt haben: Patient:innen mit schweren, chronischen Erkrankungen wie Krebs oder Herz-Kreislauf-Beschwerden gehören zu den „stillen Verlierern“ dieser Pandemie.
Denn infolge wochenlanger Lockdowns und großer Verunsicherung in der Bevölkerung war die medizinische Versorgung im Hinblick auf Vorsorgescreenings, diagnostische Verfahren, Behandlungen und Operationen gerade zu Beginn und im Laufe der verschiedenen Wellen der Coronakrise zeitweise erheblich eingeschränkt. Die Folgen dieses „Rückstaus“ für unser Gesundheitssystem und die betroffenen Patient:innen werden voraussichtlich erst in einigen Jahren sichtbar werden. Daher ist es jetzt wichtig, die richtigen Schlüsse aus der Pandemie zu ziehen und die Weichen dafür zu stellen, dass wir die Versorgung schwerkranker Patient:innen zukunftssicher machen.
Ausgefallene Vorsorgetermine, verzögerte Diagnosen und Therapien
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Allein im Jahr 2020 fanden laut des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung pandemiebedingt in Deutschland rund 20 Millionen ärztliche Behandlungen nicht statt.2 So gingen beispielsweise die Herzinfarkt-Behandlungen 2020 je nach Region um bis zu 40 % zurück, gleichzeitig zeigte sich unter den behandelten Fällen ein deutlicher Anstieg von schweren Komplikationen im Nachgang.3
Im ersten Jahr der Pandemie sank auch die Zahl der Krebsdiagnosen in Deutschland erheblich – und zwar über nahezu alle Tumorindikationen hinweg. Am stärksten war der Rückgang im Bereich Hautkrebs – hier wurden ca. 12 % weniger Neudiagnosen pro Praxis gestellt.4 Dies könnte in den kommenden Jahren zu einer erhöhten Inzidenz fortgeschrittener Tumoren führen. Schon jetzt verzeichnen die 20 größten Lungenkrebskliniken in Deutschland eine höhere Zahl fortgeschrittener Tumoren im Vergleich zu vor der Pandemie. Einzelne Kliniken melden rund 20 % mehr Patient:innenfälle mit einem schweren oder inoperablen Verlauf.5
Krebsvorsorge noch nicht wieder auf Vor-Corona-Niveau
Screenings und eine möglichst frühe Diagnose sind im Kampf gegen schwere Erkrankungen wie Krebs ein wichtiger Faktor, um eine frühzeitige Behandlung möglich zu machen und die Behandlungsperspektiven für Patient:innen zu verbessern. Mittlerweile werden trotz der anhaltenden Pandemielage entsprechende Vorsorgeuntersuchungen wieder mehr in Anspruch genommen. Das zeigen Analysen von Versicherungsdaten für die ersten Halbjahre 2019, 2020 und 2021. Demnach nahmen Mammographie-Untersuchungen im ersten Halbjahr 2021 um 36 % und Hautkrebs-Screenings um 15 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zu. Insgesamt war die Zahl der Krebsvorsorgeuntersuchungen im ersten Halbjahr 2021 aber dennoch noch rund 11 % niedriger als im ersten Halbjahr 2019, also in der Zeit vor Beginn der COVID-19-Pandemie.6 Unser gemeinsames Ziel muss es sein, auch hier mindestens den Stand wie vor der Coronakrise zu erreichen und die Menschen zu sensibilisieren, dass Screenings sowie regelmäßige medizinische Check-ups nicht aufgeschoben werden sollten.
Die Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen
Die Herausforderungen für das Gesundheitssystem sind also enorm. Die Digitalisierung kann dazu beitragen, derartige Situationen in Zukunft besser zu meistern – etwa durch den medizinischen Austausch über digitale Plattformen oder cloudbasierte Lösungen, Apps und Angebote der Telemedizin. Einen entsprechenden Bedarf hat die Pandemie ebenfalls gezeigt: Während es 2019 in Deutschland nur wenige tausend Videosprechstunden gab, wurden allein im ersten Halbjahr 2020 etwa 1,4 Millionen wahrgenommen.7
Auch die klinische Forschung könnte perspektivisch noch vernetzter ablaufen. Um entsprechende Projekte auch unter erschwerten Bedingungen weiter vorantreiben zu können, arbeitet Bristol Myers Squibb gemeinsam mit Kooperationspartnern an digitalen Lösungen, mit denen klinische Studien auch in Ausnahme-Situationen wie einer weltweiten Pandemie verlässlich durchgeführt werden können. Denn eine gesicherte medizinische Forschung und Gesundheitsversorgung braucht die Beteiligung aller Akteur:innen im Gesundheitswesen.
Quellen
- Robert Koch-Institut. COVID-19-Dashboard. Verfügbar unter: https://experience.arcgis.com/experience/478220a4c454480e823b17327b2bf1d4/page/Landkreise/. Letzter Zugriff: 13. Februar 2022.
- Tagesschau vom 2. November 2021. Corona-Pandemie: Massiver Anstieg bei anderen Krankheiten. Verfügbar unter: https://www.tagesschau.de/investigativ/report-mainz/corona-chronisch-kranke-101.html. Letzter Zugriff: 13. Februar 2022.
- Helios-Kliniken. Corona: Herzinfarkte fallen deutlich schwerer aus. Pressemeldung vom 22. März 2021. Verfügbar unter: https://www.helios-gesundheit.de/unternehmen/aktuelles/pressemitteilungen/detail/news/corona-herzinfarkte-fallen-deutlich-schwerer-aus-1/. Letzter Zugriff: 13. Februar 2022.
- Jacob, L., Kalder, M., Kostev, K. Decrease in the number of patients diagnosed with cancer during the COVID-19 pandemic in Germany. J Cancer Res Clin Oncol (2022). Veröffentlicht am 18. Januar 2022. Verfügbar unter: https://doi.org/10.1007/s00432-022-03922-5. Letzter Zugriff: 13. Februar 2022.
- Südwestrundfunk. REPORT MAINZ-Umfrage: Seit Corona – Dramatischer Anstieg schwerer Fälle bei Lungenkrebs-, Diabetes- und Schmerzpatienten. Pressemitteilung vom 2. November 2021. Verfügbar unter: https://www.swr.de/report/report-mainz-umfrage-seit-corona-dramatischer-anstieg-schwerer-faelle-bei-lungenkrebs-diabetes-und-schmerzpatienten/-/id=233454/did=25448744/nid=233454/vnmt7b/index.html. Letzter Zugriff: 13. Februar 2022.
- Krebsfrüherkennung: Vorsorge nimmt trotz Corona in Berlin wieder zu. Pressemeldung vom 3. Februar 2022. Verfügbar unter: https://www.dak.de/dak/download/pressemeldung-2527824.pdf. Letzter Zugriff:
13. Februar 2022. - Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV). Immer mehr Praxen greifen zur Kamera – Zahl der Videosprechstunden auf über eine Million gestiegen. Artikel vom 4. Februar 2021. Verfügbar unter: https://www.kbv.de/html/1150_50419.php. Letzter Zugriff: 13. Februar 2022.