Künstliche Intelligenz: Vom „Hype“ zum „Game Changer“!

… so der Titel des Vortrags von Prof. Dr.-Ing. Hergen Pargmann (CEO, CompanyMind), einer der Referenten des Food Safety Kongresses 2023. Im Vorfeld des Kongresses stand er uns für ein paar Fragen zum Thema Rede und Antwort.

Wie kann KI – Ihrer Erfahrung nach – die Nachhaltigkeit innerhalb der Nahrungsmittelwirtschaft vorantreiben?

Pargmann: Nachhaltigkeit ist innerhalb der Food-Industrie eng mit ressourcenschonenden Produktionsverfahren verbunden. Hierbei ist der größte Hebel, dass alle Produkte mit ihren jeweiligen Mengen genau den Bedarfen der Kunden entsprechen. Und dies in einem Planungsumfeld mit hohen Schwankungen auf Seiten der Abnehmer und der saisonalen Verfügbarkeit von Rohstoffen. Klassische, mathematische, statistische Verfahren können diese Vorhersagen nur unzureichend realisieren. Nur Lösungsverfahren aus dem Umfeld der Künstlichen Intelligenz (KI) und des Maschinellen Lernens (ML) können sich kontinuierlich an dieses Planungsumfeld anpassen und stets bessere Ergebnisse als bisherige Verfahren garantieren.

Auch kann KI die teilweise sehr energieintensiven Produktionsverfahren nachhaltiger gestalten, indem beispielsweise der Stromverbrauch – und so der CO2-Ausstoß – drastisch gesenkt werden kann.                 

Welche Fragen sollten Unternehmen in der Food-Branche sich stellen, bevor sie KI einführen? Welche Voraussetzungen müssen Ihrer Meinung nach erfüllt sein?

Pargmann: Als erstes sollte sich jedes Unternehmen die Frage stellen, welches Problem mit KI gelöst werden soll und welche Technologie zur Realisierung genutzt werden soll. Gerade Planungs- und Produktionsprozesse sind im Bereich der Food-Branche durch hohe Schwankungen in Angebot und Abnahme sowie der unterschiedlichen Qualitäten der Naturprodukte gekennzeichnet.

Am Besten können in einem Potenzialworkshop vor Ort Anwendungsfälle erarbeitet werden und die jeweiligen Optimierungen abgeschätzt werden. Hierbei ist der Digitalisierungsgrad des Unternehmens entscheidend. Sind bereits valide Datenquellen vorhanden (Bilder aus der QS oder Produktionsprozesse in ERP-Systemen), kann eine KI-Projekt sofort umgesetzt werden. Anderenfalls müssen diese Datenquellen erst im Unternehmen geschaffen werden. Hierzu sind auch eine interne Awareness und ein Wissenspool über KI-Methodiken aufzubauen, das interne Changemanagement ist nicht zu vernachlässigen.

Wie sehen mögliche Anwendungsszenarien für KI in der Food Branche aus?

Pargmann: Ich verstehe die Frage eigentlich anderes herum: Welche Anwendungsszenarien können nicht mit KI optimiert werden?

Im aktuellen Projekt REIF (ki-reif.de) wird gezeigt, dass die Reduzierung der Lebensmittelverschwendung mit Hilfe von KI im gesamten Produktionsprozess – von Anbau/Aufzucht bis hin zu Produkten im LEH – optimiert werden kann.

Für Qualitätssicherungsprozesse innerhalb der Produktionsprozesse haben sich bereits bildbasierte KI-Verfahren etabliert: Tierbefundungen (ArtificialVet®) und Produktanalysen (MeatVision®) liefern bereits Ergebnisse, die qualitativ weit über menschlichen Analysen liegen. Auch monotone Hilfsprozesse können unterstützt werden. Beispielsweise können Reinigungsprozesse für Kisten qualitätsgesichert werden (BoxInspector®).

Bei der Optimierung von Bedarfs-, Kapazitäts- und Produktionsplanung können KI-Anwendungen überraschende Planungsvorschläge generieren, die eine bedeutend bessere Auslastung aller Ressourcen garantieren werden.

Wie gelingt denn die erfolgreiche Integration der KI in die bereits bestehenden Prozesse und Systeme?

Pargmann: Sie sprechen ein sehr wichtiges und kritisches Thema an. Für viele Menschen sind KI-Anwendungen noch immer nicht vertrauenswürdig und sie sehen keinen Nutzen von KI für ihre speziellen Anwendungsszenarien.

Um KI erfolgreich in bestehende Prozesse zu implementieren, muss sehr stark auf die Schnittstellenproblematik geachtet werden. Einerseits sind technische Schnittstellen zwischen den beteiligten IT-Systemen zu realisieren, welches eigentlich immer gelingt. Andererseits sind die Userinterfaces der KI-Applikationen so intuitiv zu gestalten, dass der Benutzer die Ergebnisse auch mittragen kann und die KI nicht als Konkurrenz zu sich selbst sieht. Hier können u.a. Erklärungskomponenten innerhalb der KI helfen, die darlegen, warum die KI zu ihrer Entscheidung gekommen ist.

Über Prof. Dr. Hergen Pargmann

Hergen Pargmann, CEO der CompanyMind GmbH (www.companymind.de), hat nach Jahren als IT-Unternehmensberater einen Ruf auf eine Professur für betriebliche Anwendungssysteme an der Jade Hochschule im Jahr 2000 angenommen. Neben seinen akademischen Aufgaben kann er auf über 25 Jahre in der Geschäftsprozessanalyse und deren Optimierung – u.a. durch Digitalisierung und fachabteilungsübergreifende Integration – auf Konzernebene zurückgreifen.

Durch seine zugewandte, verständnisvolle Arbeitsweise wird das Optimierungspotenzial innerhalb der Organisationsstrukturen seiner Kunden im vollen Umfang erfasst und optimal für das Unternehmen gehoben.

In den letzten 5 Jahren hat er sich auf Digitalisierungsprojekte zum Einsatz von KI-Technologien zur Prozessoptimierung innerhalb der Lebensmittelindustrie spezialisiert. Neben sehr leistungsstarken, KI-basierten Bilderkennungsszenarien zur Qualitätssicherung sind auch komplexe, rein KI-basierte Produktionsplanungssysteme unter seiner Mitwirkung entstanden und erfolgreich produktiviert worden.

Seine Erfahrungen konnte er auf zahlreichen Fachkongressen und Messen einem breiten Publikum anhand von konkreten Fallbeispielen erfolgreich vermitteln. Darüber hinaus hat er eine Vielzahl von internationalen Veröffentlichungen.