Interview zur kartellrechtskonformen Gestaltung von Kooperationen

Interview zur kartellrechtskonformen Gestaltung von Kooperationen

Lesen Sie im Interview mit Herrn Professor Lademann und Herr Kleczka von Lademann & Associates über die wettbewerbsökonomischen Bewertung von Kooperationen. Dazu gehören auch der Nachweis von Effizienzgewinnen und die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitszielen, welche zuletzt stärker in den allgemeinen Fokus rückten.

Kartellrechtskonforme Gestaltung von Kooperationen

Im Rahmen des Deutschen Kartellrechtstags 2022 referiert Lademann & Associates aus der ökonomischen Praxis heraus zur wettbewerbsökonomischen Bewertung von Kooperationen. Dazu gehören auch der Nachweis von Effizienzgewinnen und die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitszielen, welche zuletzt stärker in den allgemeinen Fokus rückten. Unsere Referenten freuen sich, bereits vorab einige Ihrer Fragen zu beantworten.

Herr Professor Lademann, Herr Kleczka, wie erklären Sie das derzeit so große Interesse an Unternehmenskooperationen?

Lademann: Kooperationen ermöglichen es nicht nur, Effizienzen bei gleichzeitiger Wahrung der Unabhängigkeit zu fördern. Sie können auch zur Erfüllung politischer und gesellschaftlicher Zielvorgaben notwendig sein, sei es für ökologische und digitale Transformationsprozesse, Versorgungssicherheit oder soziale Belange. Denken Sie an den European Green Deal: Die zur Erreichung von Klimaneutralität vorgesehene Mobilisierung nahezu aller Sektoren wird auch Kooperationen zwischen Wettbewerbern erfordern – etwa zur Etablierung von Branchenstandards, für gemeinsame Forschungs- und Entwicklungsvorhaben oder zur Beseitigung von Anreizproblemen.

Kleczka: Solche Vereinbarungen erfüllen jedoch schnell den Tatbestand des Kartellverbots, selbst wenn sie notwendig, effizienzfördernd und politisch gefordert sind. Es besteht das Risiko, dass Unternehmen angesichts von Rechtsunsicherheiten und einer als strikt empfundenen Entscheidungspraxis von Kooperationen Abstand nehmen.

Nun könnte man vermuten, dass zwischen der Förderung des Wettbewerbs und der Verfolgung von Nachhaltigkeitszielen Zielkonflikte bestehen…

Lademann: Im Gegenteil, Nachhaltigkeitsziele sind oft gerade in funktionierendem Wettbewerb erreichbar. Sie können daher über die Schaffung eines entsprechenden Rahmens durch Gesetzgeber und Wettbewerbsbehörden gefördert werden. Auch die wettbewerbspolitische Agenda des BMWK spricht ja von einem nachhaltigen Wettbewerb als Grundpfeiler der sozial-ökologischen Marktwirtschaft. Allerdings können Formen von Marktversagen dem entgegenstehen, zu deren Überwindung wiederum Kooperationen dienen können.

Welchen Beitrag kann die Wettbewerbsökonomik zur kartellrechtskonformen Ausgestaltung von Kooperationen leisten?

Kleczka: Zunächst kann durch wettbewerbsökonomische Methoden prognostiziert werden, mit welchen Marktwirkungen aufgrund einer Kooperation zu rechnen ist. Diese Erkenntnisse lassen sich in eine wettbewerbskonforme Ausgestaltung übersetzen um das Risiko, unter das Kartellverbot zu fallen, zu minimieren. Übrigens: bestimmte Kooperationsformen können vom Kartellverbot ausgenommen sein – die Europäische Kommission schlägt beispielsweise einen soft safe harbour für Nachhaltigkeitsstandards vor.

Und wenn die Kooperation unter das Kartellverbot fällt?

Lademann: Dann ist zu prüfen, welche Freistellungsoptionen bestehen. Je nach Fall können etwa die Voraussetzungen einer Einzelfreistellung aus Effizienzgründen erfüllt sein. Weiterhin können mit Unterstützung ökonomischer Methoden angemessene Verpflichtungszusagen identifiziert werden. Natürlich ist es auch möglich, dass sich die Kartellbehörde schlicht dazu entscheidet, kein Ermittlungsverfahren einzuleiten. Allein über das Aufgreifermessen kann allerdings kein kooperationsförderndes Umfeld geschaffen werden.

An welche Bedingungen ist die Einzelfreistellung geknüpft?

Kleczka: Fallspezifisch ist zu belegen, dass vier Kriterien erfüllt sind: Entstehen von Effizienzgewinnen, Verbraucherbeteiligung, Unerlässlichkeit und Wettbewerbserhalt. Im Übrigen besteht die Möglichkeit einer Freigabe aus Effizienzgründen auch in der Fusionskontrolle – der erforderliche ökonomische Nachweis ist aus wettbewerbsökonomischer Sicht sehr ähnlich.

Kommen dabei nur Kosteneinsparungen in Betracht?

Lademann: Einsparungen im Bereich variabler Kosten haben den Vorteil, dass sie oft leichter zu quantifizieren und mit Blick auf die Verbraucherbeteiligung zu bewerten sind. Grundsätzlich kommen aber diverse weitere Effizienzgewinne für eine Freistellung in Betracht – zu nennen sind unter anderem Produktneuheiten, Qualitätsverbesserungen, höhere Investitionsanreize sowie ökologische und soziale Effekte.

Welche besonderen Herausforderungen ergeben sich bei Nachhaltigkeitskooperationen?

Kleczka: Zunächst sind Nachhaltigkeitswirkungen wie etwa Schadstoffreduktionen nach dem bestehenden Rechtsrahmen zu monetarisieren. Dazu existieren zwar zahlreiche Methoden, ein Standard fehlt allerdings noch. Weiterhin ist die Verbraucherbeteiligung an Bedingungen geknüpft, die bei Nachhaltigkeitskooperationen eine Herausforderung darstellen – etwa die Bindung der Folgenabwägung an den relevanten Markt. Dies erschwert den Nachweis vor allem dann, wenn Kooperationsgewinne und -kosten auf verschiedenen Märkten eintreten.

Dies erscheint restriktiv. Werden dadurch nicht Transformationsprozesse gehemmt?

Lademann: Diese Gefahr besteht. Dankenswerterweise wurde die Notwendigkeit, im Bereich der Nachhaltigkeit bestehende Praktiken zu überdenken, von den relevanten Stellen erkannt. So verspricht das BMWK, Rechtssicherheit fördern zu wollen, nötigenfalls auch durch Anpassung des Wettbewerbsrahmens. Wir warten gespannt auf weitere Details. Bereits jetzt existieren in Europa, etwa in den Niederlanden und Österreich, diverse Modelle, an denen wir die konkreten Maßnahmen messen werden.