Interview mit Christian Remke und Christian Pauly von Metzler Pension Management

„Das Sozialpartnermodell ist das richtige Instrument, um die Rentenlücke zu schließen“

Seit einigen Jahren sehen wir in Deutschland, dass der Verbreitungsgrad der betrieblichen Altersversorgung unter den aktiv Beschäftigten stagniert. Klar ist: Es musste sich etwas bewegen in der bAV-Welt. Die anderen beiden Säulen zur Altersvorsorge – die gesetzliche und private Vorsorge – reichen längst nicht mehr aus. Ende 2022 gab es den überfälligen Anstoß zur Stärkung der flächendeckenden Verbreitung: Das erste Sozialpartnermodell ist gestartet. Metzler Pension Management war bereits nach Inkrafttreten des Betriebsrentenstärkungsgesetz Befürworter der ersten Stunde und ist mit dem Metzler Sozialpartner Pensionsfonds Versorgungsträger. Christian Remke, Vorstand, und Christian Pauly, Generalbevollmächtigter der Metzler Sozialpartner Pensionsfonds AG, beantworten wichtige Fragen zur reinen Beitragszusage und erklären, warum dieses Modell eine wichtige Rolle in der Zukunft der bAV spielen wird.

Weshalb hat es vier Jahre gedauert, bis das erste Sozialpartnermodell zustande kam?

PAULY: Wir haben mit der reinen Beitragszusage 2018 in Deutschland absolutes Neuland betreten. Es bedarf einer Vertrautheit aller Beteiligten, ohne Vorerfahrung zu starten und alles zum ersten Mal zu verhandeln. Auch auf Seiten der Arbeitgeber- und Arbeitnehmer-Vertreter war der Verhandlungskreis größer, da alle für solche Verhandlungen das erste Mal an einem Tisch zusammenkamen. Hinzu treffen auf allen Seiten individuelle Positionierungen und Vorkenntnisse aufeinander, die auf ein Level gebracht werden müssen. Wir bei Metzler Pension Management haben uns frühzeitig einige Gedanken gemacht, anschließend sehr schnell auf das Gesetz reagiert und den Metzler Sozialpartner Pensionsfonds gegründet – dennoch waren auch für uns viele Aspekte Neuland.

REMKE: Allein das – ein erstes Mal ein neues Modell durchsprechen und mit so vielen Parteien abzustimmen – hat mehr als zwei Jahre in Anspruch genommen. Daher würde ich diese vier Jahre tatsächlich nicht in Gänze betrachten. Die erste Zeit war bestimmt durch ein internes Sondieren der Sozialpartner und Vorbereitungen bei uns als Versorgungsträger.

Haben Sie das Gefühl, dass jetzt, wo das erste Sozialpartnermodell umgesetzt wurde, das Interesse daran steigt? War das sogar der Startschuss für die Ausbreitung der bAV?

PAULY: Es war auf jeden Fall der Startschuss für die stärkere Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung. Wir haben in der bAV-Branche und in der Politik ein gewisses Durchatmen vernommen. Die Umsetzung der ersten Sozialpartnermodelle baut Vertrauen für diesen neuen Weg auf und bringt jetzt auch den entscheidenden Impuls in Richtung der Arbeitgeber und Gewerkschaften. Gleichzeitig steigt die Erkenntnis auf breiter Basis, dass nur mit dem Sozialpartnermodell die Trendwende hin zu einem zukünftig höheren Rentenniveau geschaffen werden kann. Das übergeordnete Ziel aller ist es, die Rentenlücke zu schließen, und das Sozialpartnermodell ist das richtige Instrument dafür.

REMKE: Scheinbar ist es tatsächlich so: Es musste jemand vorangehen und den ersten Schritt wagen. Viele Unternehmen haben auch erkannt, dass mit dem Sozialpartnermodell gemeinsam mit den Gewerkschaften langfristige und moderne Lösungen geschaffen werden können. Dazu war aber auch die Erkenntnis hilfreich, dass der Metzler-Aufsatz ganz klar auf Skalierbarkeit setzt. Nicht jede Branche, jedes Unternehmen muss sich ein neues Modell überlegen, alle können mit ihrem eigenen Tarifvertrag z. B. mit individuellen Beitragssätzen bei uns andocken. Das erleichtert die Umsetzung enorm und damit sind die Zutrittsbarrieren deutlich geringer als vielerorts befürchtet.

PAULY: Aus unseren zahlreichen Gesprächen kristallisiert sich das klare Bedürfnis der nicht-tarifgebundenen Arbeitgeber heraus, an den neuen Möglichkeiten der bAV zu partizipieren und damit an der Ausdehnung der betrieblichen Altersversorgung mitzuwirken. Dafür müssen unbedingt die gesetzlichen Rahmenparameter verbessert werden. Aber: selbst wenn wir es alle tarifvertraglich schaffen wollten, könnten wir in dem politisch gewünschten Zeitraum kaum in allen Branchen-Tarifvertragsverhandlungen motivieren, um eben überall einschlägige Tarifverträge zu produzieren. Das können weder die Sozialpartner mit den eigenen Ressourcen stemmen noch kann das die Politik erzwingen. Es geht zwangsweise nur über die Einbeziehung von nicht-tarifgebundenen Arbeitgebern und das leichte Andocken an bestehende Strukturen. Das ist ein weiterer, entscheidender Impuls für den Erfolg des Sozialpartnermodells und dafür stehen die Verantwortlichen bereits in den Startlöchern.

Wird dir reine Beitragszusage auch in 10-15 Jahren noch eine wichtige Rolle spielen? Löst sie vielleicht andere Zusageformen ab?

REMKE: Die wichtigsten Kriterien der reinen Beitragszusage sind die Garantiefreiheit und das „Pay and forget“-Prinzip. Diese führen dazu, dass sich zum einen viele Unternehmen dem Thema öffnen werden und zum anderen, dass Unternehmen, die bereits eine Altersversorgung haben, über einen Wechsel der Zusageform und vielleicht des Durchführungswegs nachdenken werden. Insofern bin ich optimistisch, dass die bAV-Welt in zehn Jahren eine andere sein wird. Die reine Beitragszusage wird für die Neugestaltung einer betrieblichen Altersversorgung die Messlatte sein. Gleichzeitig werden wir einen höheren Verbreitungsgrad sehen.

 PAULY: Ich glaube, es ist jetzt ein Zeitpunkt, in dem sich alle mit dem Thema beschäftigen und auch viele versuchen, sich zu positionieren. Klar ist aber auch: wir haben mit der reinen Beitragszusage eine Art Zeitenwende in der bAV vollzogen. Wir haben einen neuen Ansatz, der betriebliche Altersversorgung für beide Seiten nochmal deutlich attraktiver macht. Und das ist ganz entscheidend: für beide Seiten! Für Unternehmen, für die aufgrund der entfallenen Haftung nur die Beitragspflicht besteht. Aber auch für die Beschäftigten, da diese erstmalig die Chance haben, an einer Kapitalanlage zu partizipieren, die nicht durch betriebliche Interessen eingeschränkt ist und damit endlich auch in einer deutlich höhere Einstiegsrente münden kann.

Es wird auch in Zukunft nicht die eine Lösung für alle geben – es ist immer wichtig, dass wir einen bunten Strauß an Optionen haben. Und in fünf bis zehn Jahren wird es m. E. keine Tarifvertragsverhandlungen zur bAV mehr geben, die sich nicht vorher oder während der Verhandlung auch um ein Sozialpartnermodell dreht. Und diese Auseinandersetzung ist die Basis für das langfristige Wachstum und das wird kommen.