Grüne Transformation: Vorteil als lokaler Versorger nutzen

Artikel aus dem Handelsblatt Journal „ENERGIEWIRTSCHAFT“ vom 31.08.2022

Unser Fernwärmenetz ist der zentrale Hebel für die Energiewende in unserer Stadt: Im Stadtgebiet Flensburg versorgen wir über 90 Prozent der Haushalte mit Wärme aus unserem zentralen Heizkraftwerk. Das ist einmalig in Deutschland für eine Stadt unserer Größenordnung. Produzieren wir also die Wärme in unserem Kraftwerk klimaneutral, dann leisten wir einen großen Beitrag für die Klimaneutralität der Stadt Flensburg.

Diesen Hebel wollen wir nutzen und noch in diesem Jahr auf Basis des Bundesförderungsprogramms „Effiziente Wärmenetze“ den Transformationsplan für Wärme erstellen. Der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen ist ein komplexer Prozess und erfolgt schrittweise. Um unser Ziel zu erreichen, müssen wir das Flensburger Energiesystem systematisch umbauen. Wichtige Elemente sind hierbei die Erzeugungsanlagen und das Fernwärmenetz, das die zentrale Einbindung verschiedener großtechnischer, gegebenenfalls auch dezentraler Erzeugungs- und Speichertechnologien ermöglicht.

Kurs grün und digital
Auch in unserer im Jahr 2021 verabschiedeten Strategie „SWFL 21.x: Kurs grün und digital“ erhalten Maßnahmen zum Klimaschutz einen hohen Stellenwert. Die Transformation des Energiesystems zur Klimaneutralität ist, neben der Entwicklung der digitalen Infrastruktur der Wirtschaftsregion Flensburg, ein wesentliches Ziel. Im Fokus behalten wir stets die drei Handlungsfelder Kunde – Digitalisierung – Dekarbonisierung.

Auf Basis dieser Strategie und den hier festgesetzten Zielen wollen wir die Klimaneutralität möglichst vor den zeitlichen Vorgaben des jeweils aktuellen Klimaschutzgesetzes erreichen. Mittel- und langfristig sind wir mit unserer neuen Strategie richtig aufgestellt.

Die geopolitische Situation überlagert derzeit die Strategie zum Teil und andere, kurzfristigere Themen drängen in den Vordergrund. Dennoch halten wir an unserer Strategie und unseren Zielen fest. Bis spätestens 2030 werden wir auf den Kohleeinsatz bei unserer Strom- und Wärmeproduktion verzichten. Um unseren CO₂-Ausstoß auf null zu reduzieren, gehen wir nach einem Drei-Phasenmodell vor.

Drei Phasen zur Klimaneutralität
In der ersten Phase erfolgt der Kohleausstieg durch Umstieg auf Erdgas. Dazu ersetzen wir in unserem Kraftwerk vier von fünf Kohlekesseln durch moderne Gas- und Dampfturbinenanlagen (GUD). Eine GUD-Anlage haben wir bereits seit 2016 in Betrieb, eine zweite soll erstmals in diesem Jahr ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten. Mit der Substitution von Kohle durch Erdgas sparen wir 40 Prozent der CO₂-Emissionen bei gleicher Erzeugungsmenge ein. Neue fossile Erzeugungsanlagen werden die Stadtwerke Flensburg nicht mehr bauen.

Die zweite Phase unseres Transformationsplans betrifft die Elektrifizierung unserer Wärmeerzeugung. Die Stadtwerke werden im nächsten Jahr einen zweiten Elektrodenheizkessel (EHK) ans Netz bringen und dadurch mit Strom Wärme erzeugen. Der EHK wird mit einem großen Wärmespeicher kombiniert. Mit diesem System haben wir bereits positive Erfahrungen sammeln können. Im zweiten Schritt der Elektrifizierung integrieren wir mehrere Großwärmepumpen in unser Kraftwerk. Mit dem Standort direkt an der Flensburger Förde können wir das thermische Potenzial des Fördewassers mithilfe von Öko-Strom zu Heizenergie umwandeln. Eine der Großwärmepumpen wird zudem die Abwärme unseres Kraftwerks nutzen. Mit diesem Verfahren wollen wir den CO₂-Ausstoß unseres Kraftwerks ab 2026 deutlich reduzieren.

Für die dritte Phase ist entscheidend, wann und zu welchem Preis grüne Gase zur Verfügung stehen. In verschiedenen Szenarien gehen Expert:innen davon aus, dass dies in der Energieversorgung nicht vor 2035 der Fall sein wird. Für den Einsatz grüner Gase in unserem Kraftwerk bedeutet dies, dass wir mit Wenn-dann-Szenarien arbeiten. Unsere GuD-Anlagen sind H2-ready und fit für die Zukunft, sodass wir auch bei früherer Verfügbarkeit flexibel reagieren können.

Interdisziplinäre Digitalisierung
Flexibilität ist auch für weitere Bereiche unseres Unternehmens entscheidend. Bewegliche Abläufe erreichen wir, indem wir unsere gewachsene Organisationsstruktur neu aufstellen. In über 125 Jahren Unternehmensgeschichte waren gesellschaftliche Veränderungen immer wieder ein Teil unserer eigenen Entwicklung. Eine der gegenwärtigen Herausforderungen stellt die Digitalisierung dar. Sowohl interne als auch externe Prozesse, wie die Betreuung unserer Kundinnen und Kunden, lassen sich vermehrt nur noch digital bedienen.

Um in diesem Sektor zukünftig gut aufgestellt zu sein und entsprechend der heutigen Erwartungen  kurzfristig agieren zu können, haben wir einen eigenen Geschäftsbereich geschaffen. Dadurch können wir unsere gesamte Anwendungslandschaft zentral steuern und nachhaltig weiterentwickeln.

Mit dieser bereichsübergreifenden Digitalisierung integrieren wir den neuen Geschäftsbereich wirksam in die vorhandene Unternehmensstruktur, analysieren Arbeitsmethoden und optimieren unsere Workflows. Das fängt an bei unserem internen Informationsaustausch: Die verschiedenen Geschäftsbereiche kommunizieren auf Augenhöhe. Inzwischen tauschen sie über digitale Aufgabenmanagement-Boards Informationen zu unterschiedlichen Projekten und deren Priorisierung aus. Wichtige Entscheidungen können auf diese Weise effizient getroffen und aufeinander abgestimmt werden.

Kunde im Fokus
Höchste Priorität hat für die Stadtwerke die Versorgungssicherheit unserer Kunden. Mit unseren Strom- und Erdgasprodukten versorgen wir bundesweit über 300.000 Privatkunden; an zahlreiche  Geschäftskunden liefern wir Energie in ihre bundesweit verteilten Filialen oder Produktionsstandorte. Renommierte Unternehmen haben in uns einen verlässlichen Energielieferanten gefunden. Dabei ist das überregionale Geschäft für uns von hoher Bedeutung. Mittlerweile liefern wir 80 Prozent unseres Stroms an Privat- und Geschäftskunden bundesweit. Diese Vertriebserfolge sind das Ergebnis kontinuierlicher Arbeit und Optimierung. Um Kundenwünschen und -bedürfnissen gerecht zu werden, müssen digitale Geschäftsprozesse reibungslos funktionieren und den Anforderungen unserer Kunden entsprechen. Mit dem Launch unserer neuen Webseite haben wir eine Basis für den Aufbau automatisierter Prozesse geschaffen. Weitere Fortschritte werden wir im Rahmen unserer Digitalisierungsstrategie erzielen. Für das Kundensegment bedeutet das eine 360 Grad Kundensicht. Damit schaffen wir uns eine Basis, anhand derer wir jede einzelne Kundenbeziehung verstehen und individuell auf sie eingehen können.

Wir sehen unsere Verantwortung aber nicht nur bei unseren bundesweiten Kunden, denn insbesondere sind wir Versorger hier vor Ort. Mit dem flächendeckenden Glasfaser-Ausbau von Flensburg, Glücksburg und Harrislee fördern wir die Attraktivität der Region und den Wirtschaftsstandort Flensburg. Als Unternehmen der Stadt Flensburg sind wir zudem einer der größten Arbeitgeber der Region. Dieser Verpflichtung wollen wir auch künftig gerecht werden.

 

Die Transformation des Energiesystems zur Klimaneutralität ist, neben der Entwicklung der digitalen Infrastruktur der Wirtschaftsregion Flensburg, ein wesentliches Ziel.

Das aktuelle Handelsblatt Journal
Dieser Artikel ist im aktuellen Handelsblatt Journal „ENERGIEWIRTSCHAFT“ erschienen. Das vollständige Journal können Sie sich hier kostenlos herunterladen:
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