Gestaltungsspielräume für mehr Gesundheit vor Ort

Artikel aus dem Handelsblatt Journal HEALTH vom 07.11.2023

Gesundheitliche Versorgung muss wohnortnah bleiben und sich am tatsächlichen Bedarf der Patientinnen und Patienten orientieren. Das kann nur dann gelingen, wenn die jeweiligen Gegebenheiten vor Ort berücksichtigt werden. Welche Versorgungsstrukturen müssen in welcher Region ausgebaut werden? Welche Defizite liegen vor? Und wo gibt es ganz konkretes Verbesserungspotenzial? Diese Fragen können nicht bundesweit für alle Regionen gleichermaßen beantwortet werden. So werden in ländlichen Gegenden, die beispielsweise von einer alternden Gesellschaft, Abwanderung oder einer geringen Mobilität geprägt sind, andere Gestaltungsmöglichkeiten benötigt als in städtischen Regionen. Es ist wichtig, dorthin zu gehen, wo wir die nötigen Gestaltungsspielräume vorfinden: in die Kommunen.

Konkret soll es Kreisen und kreisfreien Städten nach Plänen des Bundesministeriums für Gesundheit im Rahmen eines aktuellen Gesetzesvorhabens künftig ermöglicht werden,

  • Gesundheitskioske zu errichten,
  • Gesundheitsregionen zu etablieren und
  • Kommunale Medizinische Versorgungszentren leichter zu gründen.

Darüber hinaus sind für unterversorgte Regionen oder in Regionen, in denen Unterversorgung droht, die Errichtung von Primärversorgungszentren als besonderes hausärztliches Versorgungsangebot vorgesehen. Mit Hilfe dieses „Instrumentenkastens“ sollen sie gemeinsam mit den Krankenkassen regional abgestimmt künftig noch besser auf Versorgungsprobleme reagieren können. Durch diese erweiterten Möglichkeiten, eine bedarfsorientierte gesundheitliche Versorgung zu gestalten, wird die Situation der Patientinnen und Patienten vor Ort zusätzlich verbessert. Und es wird gelingen, die Arbeit der bereits vor Ort tätigen Gesundheitsakteure zu entlasten.

Entlastung der medizinischen Versorgung durch Gesundheitskioske

Konkrete Aufgabe der Gesundheitskioske wird es sein, allgemeine Beratungs- und Unterstützungsleistungen anzubieten, etwa zur Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen und Präventionsangeboten. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kiosks sollen Ratsuchende auch gezielt bei der Vermittlung von Terminen oder konkreten Leistungsangeboten unterstützen. Insgesamt soll es mithilfe der Gesundheitskioske gelingen, die individuelle Gesundheitskompetenz insbesondere von Menschen mit besonderem Unterstützungsbedarf zu erhöhen, die Prävention zu stärken und dabei zu helfen, den Anspruch auf medizinische Versorgung zu verwirklichen.

Das wird dazu führen, Krankheiten frühzeitig zu erkennen, zielgerichtet zu behandeln und die Gesundheit aktiv zu fördern. Wie eine Umsetzung konkret erfolgen kann, zeigt die Praxis: Zahlreiche Kommunen haben bereits einen Gesundheitskiosk errichtet. Besonders wichtig ist: Gesundheitskioske sollen die bestehenden Akteure vor Ort entlasten, ihre Arbeit aber nicht ersetzen. Auch deshalb soll die Bildung eines sektorenübergreifenden Netzwerkes zu den künftigen Aufgaben der Gesundheitskioske gehören.

Vernetzung und Kooperation in der gesundheitlichen Versorgung

Über die Bildung von Gesundheitsregionen soll es künftig gelingen, eine regional vernetzte, kooperative Gesundheitsversorgung voranzutreiben. Wenn gut funktionierende Strukturen noch besser aufeinander abgestimmt werden, kann es einfacher werden, regionale Defizite der Gesundheitsförderung und Prävention sowie der Versorgung zu beheben. Und es kann einfacher werden, Schnittstellen zu überwinden oder den Zugang zur regionalen Gesundheitsversorgung zu verbessern. Die bereits heute vor Ort tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesundheitswesen sollen fest eingebunden werden: Auch hier gilt es, auf Bewährtem aufzubauen und etwa über mehr Kooperationen die Zusammenarbeit zu intensivieren.

Besonderes hausärztliches Versorgungsangebot fördern

Um die hausärztliche Versorgung insbesondere in ländlichen und strukturschwachen Regionen weiter zu stärken, soll es außerdem möglich werden, Primärversorgungszentren zu etablieren. In Planungsbereichen mit festgestellter oder drohender Unterversorgung können so die besonderen Bedürfnisse älterer und multimorbider Patientinnen und Patienten besser berücksichtigt werden. So sollen diese Zentren neben der regulären hausärztlichen Versorgung über zusätzliche nichtärztliche Fachkräfte ein besonderes hausärztliches Versorgungsangebot bieten können. Dazu kann gehören, Versicherte noch intensiver bei der Therapie oder der Organisation der Versorgung zu begleiten und die individuelle Beratung auszubauen.

Zusätzlich wird es über die Primärversorgungszentren gelingen, attraktive Beschäftigungsmöglichkeit für Hausärztinnen und Hausärzte zu schaffen und die Bereitschaft zur Niederlassung in ländlichen und strukturschwachen Regionen zu steigern.

Insgesamt ist es Ziel, mit einem Gesetzesvorhaben in den Regionen innovative Versorgungsformen zu stärken und Kooperationen im Gesundheitssystem zu intensivieren. Dadurch wird es möglich, die Gesundheitsversorgung vor Ort noch besser zu machen und weitere Hürden etwa im Zugang zur Gesundheitsversorgung abzubauen. Ich bin sicher, dass die Akteure vor Ort gemeinsam mit Innovationskraft, Engagement und Gestaltungsfreude an diese spannende Aufgabe herangehen werden.

Es ist wichtig, dorthin zu gehen, wo wir die nötigen Gestaltungsspielräume vorfinden: in die Kommunen.

Michael WellerLeiter der Abteilung Gesundheitsversorgung und Krankenversicherung, Bundesministerium für Gesundheit
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