Ein Plädoyer für kleine Marktakteure

Ein Plädoyer für kleine Marktakteure

Warum KMUs und Start-ups für den Wasserstoffhochlauf unabdingbar sind und wie wir sie einbinden können

Der Einsatz von Wasserstoff als Energieträger ist heute nicht nur aufgrund der formulierten Klimaschutzziele deutlich interessanter und notwendiger als noch vor ein paar Jahren. Wenn Deutschland und die EU bis zum Jahr 2045 bzw. 2050 klimaneutral werden wollen, geht es nicht nur darum, einzelne Teilbereiche der Wirtschaft mit erneuerbaren Energien zu versorgen. Auch die Neuformatierung des Energiemarktes und die notwendige Diversifizierung der Energiequellen als Ergebnis des Angriffskriegs gegen die Ukraine – im Verbund mit den gestiegenen Preisen für fossile Energieträger – geben der Debatte um den Markthochlauf der Wasserstoffwirtschaft Auftrieb.

Die Nutzung von Wasserstoff trägt dazu bei, die Klimaziele zu erreichen. Künftig werden bis zu 20% des Endenergiebedarfs durch Wasserstoff gedeckt werden können, dazu muss es aber einen baldigen Markthochlauf der Wasserstoffwirtschaft geben. Die Nachfrage nach Elektrolysekapazitäten steigt weltweit an – und der Bedarf an erneuerbaren Energien steigt mit. Sowohl bei der Erzeugung von Wasserstoff im Inland wie auch beim notwendigen Import großer Mengen von H2 werden große Dimensionen bedient: Pläne für Gigawatt-Elektrolyseure, Import von hunderttausenden Tonnen Wasserstoff aus Australien, Stahlherstellung bei thyssenkrupp Steel, große und schwere Fahrzeuge.

Die politischen Zielsetzungen zum Klimaschutz, die Bepreisung von CO2 und die daraus resultierende Notwendigkeit der Transformation von Industrieprozessen, Mobilität und Logistik oder auch des Wärmesektors erfordern mehr als ein evolutionäres Innovationsgeschehen. Gefordert sind Geschwindigkeit und vor allem innovative Konzepte und Lösungen, gepaart mit vorhandenen Kompetenzen und fachlich-technischem Know-how eines starken Mittelstandes.

Was bisher wenig Beachtung findet, sind die vielen Schnittstellen zwischen den einzelnen Komponenten der Wertschöpfungskette, quasi der Kit zwischen den Fugen oder fachlich passender – die Klemmschelle und die Ventile zwischen den Rohrstücken. Klassische Aufgaben, die von Mittelständlern und Handwerksbetrieben übernommen werden und die in einem sich rasant entwickelnden Feld viel Potenzial auch für Start-ups bieten.

Vorhandenes Know-How und innovative Ansätze nutzen

Dabei sind viele Kompetenzen, Produkte und Prozesse nicht einmal neu. Die Nutzung von Wasserstoff wird schon seit Jahrzehnten erforscht und erprobt. Aber bisher waren die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für den Einsatz von Wasserstoff nicht günstig, der Energieeinsatz zu hoch, fossile Energieträger waren konkurrenzlos billiger. Ein Markt für sogenannten grauen Wasserstoff, der aus Erdgas, Kohle oder Erdöl gewonnen wird, existiert zwar, zahlreiche weitergehende Ideen und Projekte zur Nutzung von Wasserstoff, insbesondere von grünem Wasserstoff, der emissionsfrei durch die Elektrolyse hergestellt wird, sind nicht über das Pilotstadium hinausgekommen.

Auf die Komponenten kommt es an

Damit die Wasserstoffwirtschaft sich insgesamt zu einem funktionierenden Ökosystem und zu einem Markt entwickelt, werden nicht nur große Leuchtturmprojekte gebraucht. Industrielle Großanlagen können nicht isoliert von anderen Teilen der Wertschöpfungskette betrieben werden, der Antrieb von Fahrzeugen benötigt eine umfassende Versorgungs- und Tankinfrastruktur, Speicherung und Weiterleitung von Wasserstoff bis zu den kleinen Nutzungseinheiten erfordern ein neu konfiguriertes Netz.

Mittelstand und Start-ups profitieren so auf unterschiedliche Weise. Drei Beispiele:

  • Anlagenbau mit all seinen Komponenten wird gebraucht, um Elektrolyseure mit großer Leistung einsetzen zu können.
  • Zulieferer werden gebraucht, um Fahrzeuge mit Wasserstoff- bzw. Brennstoffzellenantrieb zu bauen.
  • Start-ups werden gebraucht, um technisch innovative Verfahren und intelligente Prozesse in die Wertschöpfungsketten einzubringen.

Alle Glieder der Wertschöpfungskette müssen miteinander verbunden werden. Dazu werden sowohl physische wie auch digitale Verbindungen gebraucht: Rohre und Ventile, Sensoren und Dichtungen, Steuer- und Messgeräte, Informations- und Handelsplattformen. Klassische Zulieferbeziehungen mit dem Mittelstand sind in vielen Bereichen vorhanden. Um die Erzeugung, Speicherung, Weiterleitung oder Nutzung von Wasserstoff technisch und organisatorisch umzusetzen, müssen diese genutzt werden. Ein gutes Beispiel aus der Praxis hierfür ist das Gelsenkirchener Projekt „Power2Metal“, das komplementäre Energiesysteme auf Wasserstoffbasis für die energieintensive, mittelständisch geprägte Metallveredelung in Deutschland erforscht. Oder der Wasserstoff Hub Rheinkreis Neuss/Rheinland e.V., der seine Mitglieder insbesondere auch aus dem Mittelstand in die Wertschöpfung der regionalen Wasserstoffwirtschaft einbinden will.

Start-ups sind der disruptive Schlüssel zu Innovationen

Zalando, Delivery Hero, Auxmoney, Boxine… Viele Branchen haben gezeigt, dass große Entwicklungsschritte leichter fallen, wenn neue Ideen von außen in den Markt eingebracht werden. Das gilt auch für die Wasserstoffwirtschaft: hydroplace oder CibusCell – von diesen Start-ups werden wir noch hören! Es bieten sich viele Möglichkeiten für Start-ups aus dem Digital-, IoT oder Blockchainbereich, im Wasserstoffsektor aktiv zu werden. Zum Beispiel in der Steuerung von Angebot und Nachfrage im Industrie- aber zukünftig auch im Endkunden-Bereich. Natürlich sind Start-ups auch in den Kernbereichen der Wasserstoffwirtschaft erfolgreich aktiv, unter anderem WEW aus Dortmund mit der Entwicklung, Produktion und dem Vertrieb standardisierter und kostengünstiger alkalischer Elektrolysestacks.

Vernetzung ist das Zauberwort

Die Start-up Szene in der Wasserstoffwirtschaft ist noch klein. Ca. 60 Start-ups verteilen sich über ganz Deutschland – mit einem Schwerpunkt in Bayern und in Nordrhein-Westfalen, 160 sind es in ganz Europa. Das ist ein kleiner Bruchteil des gesamten Start-up Ökosystems (ca. 65.000) in Europa. Das liegt auch daran, dass technische Innovationen höhere Investitionen erfordern und oft Pilotkunden fehlen. Regionale Aktivitäten zur Unterstützung einzelner Gründungsteams sind deshalb wichtig, gerade hier können sich KMUs und Start-ups zusammentun. Notwendig ist aber auch eine überregionale, europäische Vernetzung, um wirklich Synergieeffekte zu sehen und den Start-ups den Austausch untereinander und die Nutzung von Forschungseinrichtungen zu ermöglichen.

Es gilt also, die Akteure aus den unterschiedlichen Industrien und Sektoren, aus großen und kleinen Unternehmen und vor allem auch die in Deutschland und Europa sehr dezentral verteilten Innovationstreiber zusammenzubringen, ein produktives und kooperatives Netzwerk zu schaffen und insbesondere den Start-ups notwendige Ressourcen und Unterstützung anzubieten. Ein solches Netzwerk erleichtert es auch potenziellen Partnern und Investoren, einen Überblick und die richtigen Kontakte zu bekommen.

Ein Anfang ist es, hierfür Aufmerksamkeit zu schaffen, in dem KMUs und Start-ups ein Platz auf der Agenda und auf dem Podium eingeräumt wird. Wie im Rahmen unseres Webinars „Die Wasserstoffwirtschaft nimmt Fahrt auf – wie Start-ups und KMUs profitieren können“ zum Handelsblatt Wasserstoffgipfel in diesem Jahr.

Der H2UB ist die erste europäische Plattform für Start-ups, die im Wasserstoff-Ökosystem tätig sind. Er bringt Start-ups und künftige Gründer:innen mit Unternehmen, Finanzierungspartnern sowie Forschungsinstituten zusammen und bietet Coachings und weitere Formate an, um die Entwicklung und den Markteintritt innovativer Wasserstoffideen erfolgreich zu gestalten.

Ziel ist es, die Start-up-Szene entlang der gesamten Wasserstoff-Wertschöpfungskette in Europa zu stärken und die Zusammenarbeit von Start-ups und H2UB-Partnern zu fördern, um innovative Lösungen für ein starkes H2-Ökosystem und einen erfolgreichen Markthochlauf umzusetzen.

Der H2UB ist die zentrale Anlaufstelle für Wasserstoff-Start-ups. Das eigene Accelerator-Programm „H2UB Sprint“ beinhaltet maßgeschneiderte Einzel- und Gruppencoachings mit Mentor:innen und Branchenexpert:innen. Über das „H2-LabNet“ wird ein einfacher Zugang zu Entwicklungsressourcen, Testequipment und Reallabore gewährleistet und ergänzt durch Prototyping-Angebote und Fachexpertise – alles aus einem breiten Netzwerk von Laboren und Forschungsinstituten.

Als Matchmaker und Ökosystem-Builder bringt der H2UB die verschiedenen Marktteilnehmer der H2-Branche und ihre Kooperationsmöglichkeiten mit digitalen und physischen Formaten überregional zusammen – und fungiert als zentrale Stimme und Botschafter für Wasserstoff-Start-ups gegenüber politischen Institutionen. Als Think Tank setzt der Hub Impulse für die Fachdiskussion zur Weiterentwicklung des Wasserstoffmarktes. www.h2ub.com