Digitalisierung im Gesundheitswesen – von der Strategie zum Erlebnis

Artikel aus dem Handelsblatt Journal HEALTH vom 07.11.2022

Die zukünftige Digitalisierungsstrategie für das Gesundheitswesen und die Pflege zu entwickeln und damit auch einen Neustart bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen zu wagen – dieser Herausforderung stellen wir uns derzeit im Rahmen eines sechsmonatigen Strategieprozesses. Die Frage, wie dieser Auftrag des Koalitionsvertrages umgesetzt werden kann, ist nicht leicht zu beantworten. Der Blick in andere Staaten, insbesondere in der EU, zeigt, dass diese vielfach schon einen Schritt weiter sind. Hierzulande existiert eine Vielzahl unterschiedlicher Positionen und Konzepte, die skizzieren, wie Deutschland aufschließen könnte. In einem Punkt herrscht jedoch weitgehend Einigkeit, auch wenn der Weg zum Ziel teilweise strittig ist: Wir müssen die Potenziale der Digitalisierung für eine bessere Versorgung, eine bessere Pflege und einen besseren öffentlichen Gesundheitsdienst endlich vollumfänglich nutzen.

Mehrwerte sind bereits sichtbar
Dort, wo Digitalisierung im Gesundheits- und Pflegewesen bereits funktioniert, sind die Mehrwerte deutlich sichtbar: Die Corona-Warn-App hat geholfen, Infektionsketten effektiver zu durchbrechen. Das Meldesystem DEMIS ermöglicht die schnelle Erfassung verlässlicher Zahlen in Bezug auf das Pandemiegeschehen im Krankenhaus. Digitale Impfnachweise haben uns mehr Normalität im Alltag in der Pandemie ermöglicht. Videosprechstunden und digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) sind inzwischen gelebte Realität. Digitale Anwendungen wie der Kommunikationsdienst KIM oder der E-Arztbrief zur Kommunikation zwischen Ärztinnen und Ärzten beginnen, ihr Potenzial im Versorgungsalltag zu entfalten. Doch damit ist das Ende des Weges noch lange nicht erreicht.

Digital Health als strategische Priorität
Der Fachkräftemangel, knappe Finanzmittel, die Nichtnutzung des Potenzials von Daten für die Versorgung – jeder dieser Aspekte ist für sich genommen Grund genug, die Digitalisierung im Gesundheitswesen zu einer strategischen Priorität zu machen. Genau das macht die Digitalisierungsstrategie, die das Bundesministerium für Gesundheit derzeit gemeinsam mit den Akteuren des Gesundheitswesens und der Pflege entwickelt, so notwendig: Wir brauchen eine Leitplanke und ein Zielbild für alle weiteren Digitalisierungsmaßnahmen in der Versorgung.

Den Strategieprozess partizipativ auszugestalten, ist dabei ein entscheidender Erfolgsfaktor: zum einen, um die Expertise der vielen Akteure zu nutzen, aber vor allem auch, um dies zu einer Strategie des Gesundheitswesens werden zu lassen. Denn spätestens bei der Umsetzung der Digitalisierungsstrategie wird es entscheidend sein, dass alle Akteure mitmachen.

Wie kommen wir ans Ziel?

Ohne den anstehenden Arbeiten und Debatten vorzugreifen, möchte ich an dieser Stelle schon einmal einige wichtige Themen benennen. Dabei starten wir nicht auf der grünen Wiese, sondern es gilt, bestehende Anstrengungen zu hinterfragen und ggf. neu auszurichten:

  • Wie können in Zukunft digital gestützte Versorgungspfade aussehen?
  • Wie entwickeln wir Telematikinfrastruktur, elektronische Patientenakte und Telemedizin weiter?
  • Wie können innovative Technologien und KI-Anwendungen sinnvoll in der Versorgung eingesetzt werden?
  • Wie vereinbaren wir den Datenschutz mit der Notwendigkeit einer stärkeren Nutzung von Gesundheitsdaten im Sinne des Patienten- und Gemeinwohls?

Ein weiterer Schlüsselfaktor ist die Akzeptanz und Begeisterung für digitale Lösungen und Prozesse aufseiten der Bevölkerung, der Ärztinnen und Ärzte und vieler anderer Gesundheitsfachkräfte. In diesem Zusammenhang bedarf es auch eines weiteren Ausbaus von Angeboten zur Förderung von Digital- und Gesundheitskompetenzen. Der entscheidende Faktor für Akzeptanz ist aber ein vermeintlich simpler: Der Nutzen der Digitalisierung muss für den Einzelnen erlebbar sein. Digitalisierung muss Spaß machen, muss die Arbeit erleichtern, muss verständlich sein, muss leicht zugänglich sein.

Auch vor diesem Hintergrund ist es so wichtig, Datenschutz- und Datensicherheitsanforderungen in Einklang mit dem Nutzererlebnis zu bringen. Wenn die Hürden für die Verwendung digitaler Tools zu groß sind, bleiben diese Tools ungenutzt und entfalten keinerlei Nutzen. Das dürfen und können wir uns nicht leisten: Patientinnen und Patienten haben einen Anspruch auf exzellente gesundheitliche Versorgung. Dafür braucht es gelebte Digitalisierung. Gleiches gilt für die Gesundheitsfachkräfte, die zurecht einen Abbau von Zettelwirtschaft und Bürokratie fordern – auch dies lässt sich nur durch die Digitalisierung realisieren.

Daher gilt: Packen wir es an!

Digitalisierung muss Spaß machen, muss die Arbeit erleichtern, muss verständlich sein, muss leicht zugänglich sein.

Dr. Susanne OzegowskiAbteilungsleiterin Digitalisierung & Innovation, Bundesministerium für Gesundheit
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