Digitale Geschäftsmodelle und digitale Verantwortung: Wie Banken Vertrauen und Kundenloyalität aufbauen können

Interview mit Andreas Grassmeier, Director Enterprise Business DACH, Pexip

In einer Finanzbranche, die immer stärker von Technologie und Digitalisierung geprägt ist, stehen Banken vor der Herausforderung innovative Geschäftsmodelle zu entwickeln, die im Einklang mit den Bedürfnissen der Kunden und Anforderungen der Gesellschaft stehen. Vertrauen und Sicherheit spielen im Finanzwesen schon immer eine essentielle Rolle, schließlich vertrauen Kunden Bankinstituten ihr Vermögen und damit unweigerlich auch einen Teil der eigenen Zukunft an.

Im Zentrum jeden Geschäftsmodells sollte der Kunde stehen. Was erwarten Kunden heutzutage von ihrer Bank? Und wie können Finanzinstitute diesen gerecht werden?

Andreas Grassmeier: Egal ob per Klick oder der Tab auf dem Smart Device: „Online“ ist zum wichtigsten Kanal für Information und Konsum geworden. Und das hat natürlich auch Auswirkungen auf die Kundenerwartungen. Digitale Kanäle implizieren eine Verfügbarkeit rund um die Uhr. Und auch wir haben festgestellt, dass 40%  der Kundenanfragen außerhalb der typischen Öffnungszeiten erfolgen. Eine hohe Erreichbarkeit und Flexibilität sind also kritische Faktoren. Die Flexibilität kann sich hierbei auch auf den Kontaktkanal beziehen: Viele Unternehmen entscheiden sich deshalb für eine Omni-Channel-Strategie und überlassen es dem Kunden, welchen Kanal er oder sie bevorzugt. Was jedoch entscheidend ist: Die Customer Journey muss überzeugen. Laut einer aktuellen Salesforce Studie (1) sind 88% der Kunden der Meinung, dass das Nutzererlebnis genauso wichtig ist wie die Servicequalität. Gleichzeitig nimmt auch das Bewusstsein für Datenschutz und Sicherheit auf Kundenseite zu.

Warum ist Sicherheit jetzt noch wichtiger als zuvor?

Andreas Grassmeier: Hacker-Angriffe auf Kundendaten, Phishing-Nachrichten über anstehende Kontosperrungen: Die Anzahl von Cyberangriffen auf Banken und ihre Kunden nehmen zu. Das verunsichert natürlich auch die Kunden. Dabei leben Bankengeschäfte von Sicherheit und Vertrauen. Wir wissen: Vertrauen wird langsam aufgebaut, kann aber sehr schnell verloren werden. Und genau deshalb dürfen Banken auch keine Sicherheitslücken riskieren und müssen sich bewusst sein, welchen Stellenwert dieses Vertrauen in der Geschäftsstrategie haben soll.

Vertrauen ist ein fragiles Gut. Welche Schritte können Banken unternehmen um Kundenvertrauen aufzubauen und zu erhalten?

Andreas Grassmeier: Vertrauen ist das Gefühl bzw. die Überzeugung sich auf jemanden oder etwas verlassen zu können. Vertrauen basiert auf positiven Erfahrungen. Gerade der menschliche Faktor spielt eine große Rolle.

Was bedeutet das also für Banken? Kunden müssen auf eine hochqualitative Beratung in ihrem Interesse und dem sicheren Anlegen oder Verwahren ihres Vermögens vertrauen können. Ein wichtiger Ansatzpunkt liegt für mich in der Service und Nutzerqualität. Wie baue ich eine nachhaltige Kundenbeziehung auf? Mit vielen positiven Kundenerlebnissen! Das bedeutet konkret: ein freundlicher und kompetenter Kundenkontakt, „erreichbar“ sein, in Problemfällen helfen. Bei vielen lokalen Banken wird dies über den langjährigen persönlichen Ansprechpartner geleistet. Im Zuge der Digitalisierung und einhergehenden Erwartungen müssen wir dieses Konzept jetzt weiter denken: Welche anderen Formen der Kommunikation möchten wir unsere Kunden anbieten? Wie stabil sind unsere Prozesse, wie benutzerfreundlich und klar die dazugehörige User Journey? Dazu gehört auch der verantwortungsvolle und datenschutzkonforme Umgang mit sensiblen Kundendaten (Corporate Digital Responsibility) und Verpflichtung zu höchsten Sicherheitsmaßnahmen.

Digitale User Journey versus persönlicher Kontakt – widerspricht sich das nicht? Warum ist die persönliche Interaktion in der User Journey trotz digitaler Kontaktkanäle immer noch wichtig?

Andreas Grassmeier: Das ist eben kein Widerspruch, sondern eine sinnvolle Ergänzung und gegenseitige Bereicherung. Kunden sind heutzutage zunehmend self-service orientiert; wenn es zum Beispiel um die Erstellung eines Kontos geht oder den Kauf einer Reiseversicherung. Es gibt aber auch viele Situationen – sogenannte ‚Moments of Truth‘ – wo ein persönlicher Kontakt erwünscht und gefordert ist. Mein Fazit ist: Die digitale User Journey personalisieren und damit eine Brücke zum persönlichen Kontakt schlagen, zum Beispiel durch Integration von Videokommunikation. Diese wird heutzutage von Kunden bereits erwartet, ermöglicht einen persönlichen Kontakt und steigert nachhaltig Customer Engagement. Integriert in die Homebanking App oder die Website und gebrandet im Design der Bank, ermöglicht sie neben persönlichem Kontakt zugleich auch noch ein virtuelles Markenerlebnis.

Ein aktuell heiß diskutiertes Thema: Künstliche Intelligenz – was bedeutet dies für den Bankensektor und welche Auswirkungen kann dies auf Sicherheit und Datenschutz haben?

Andreas Grassmeier: Wenn wir beim Thema Videokommunikation bleiben… Hier sehe ich für künstliche Intelligenz vor allem zwei Einsatzziele. Zum einen kann KI die Nutzererfahrung von Videokommunikation verbessern, indem Sound optimiert wird, Geräusche unterdrückt werden, sich Gesprächspartner besser in die Augen schauen, Bildausschnitte optimiert werden, Live-Übersetzungen bei Sprachbarrieren integriert werden. Hierbei gilt: Die KI Lösungen müssen lückenlos und sicher eingebettet werden. Das zweite Einsatzziel im Bankenkontext sehe ich in der Nutzung von KI zur Optimierung von Sicherheitsmechanismen, zum Beispiel in der frühzeitigen Erkennung von Sicherheitsstörungen wie der Erkennung von Deep Fakes. IT Leiter sollten sich hier die Frage stellen: Wie kann ich KI nutzen um die Kundenerfahrung zu verbessern, gleichzeitig aber auch die Privacy der Kunden schützen und Corporate Digital Responsibility gewährleisten?

Quelle (1): State of the Connected Customer (5th edition, 2022)