Decarbonization Data Reloaded – Welche Daten CPOs kennen müssen

Dekarbonisierung geht nicht ohne die Lieferkette

In fast allen Branchen verursacht die Lieferkette den Großteil der Emissionen: In der Chemieindustrie ist die vorgelagerte Lieferkette für gut 60% der Emissionen verantwortlich, im Automobil- und Maschinenbau sind es sogar rund 90%. Wenn also 90% des Hebels den eigenen Unternehmensfootprint zu senken, in der Lieferkette liegen, wird Klimaschutz plötzlich CPO-Sache. Und der oder die steht vor der Herausforderung, überhaupt erst einmal Daten über diese CO2-Emittenten jenseits der eigenen organisatorischen Grenzen zu bekommen.

Primär-Daten über die CO2-Emissionen der Lieferkette gibt es nicht flächendeckend

Und das ist leichter gesagt als getan: Als Goldstandard gelten Product Carbon Footprints (PCFs), also detaillierte Bilanzen der Emissionen, die der Lieferant bei der Herstellung jedes einzelnen Produkts emittiert. Aber heute sind nur eine Hand voll Lieferanten überhaupt in der Lage, solche PCFs bereitzustellen und die Bereitstellung ist sehr teuer: Denn wie ihre Kunden haben auch die Lieferanten selbst das Problem, dass ihnen die Emissionen ihrer eigenen Lieferkette unbekannt sind.

Stattdessen hat es sich etabliert, Corporate Carbon Footprints (CCFs) von den Lieferanten abzufragen, also einfach den gesamten Fußabdruck der Lieferantenorganisation, in dem die Emissionen aller einzelnen Produkte zusammengefasst sind. Doch diese CCFs sind zwangsläufig ungenau: Zum einen kauft ein Kunde selten das durchschnittliche Portfolio des Lieferanten. Zum anderen reflektieren Veränderungen im CCF eines Lieferanten oft mehr dessen Unternehmenswachstum und Portfolio-Änderungen als Klimaschutzerfolge.

Darüber hinaus sind auch nicht alle Lieferanten in der Lage, CCFs bereitzustellen, so dass auch bei diesem Daten-Ansatz Lücken bleiben. Was ist also zu tun?

You know more than you know – Nutze Sekundär-Daten für das Big Picture

Zunächst kommt es darauf an, sich einen Überblick über das Big Picture der Lieferkettenemissionen zu verschaffen: Welche Warengruppen und Verarbeitungstiefen treiben die Emissionen? Wer sind die emissionsstärksten Lieferanten?

Für einen solchen Überblick reichen Sekundär-Daten aus, also Verfahren, die die Lieferketten Emissionen schätzen: Ausgehend von den Einkaufspositionen eines Unternehmens können dessen Lieferkettenemissionen mit Hilfe von volkswirtschaftlichen Input-Output-Modellen („spend-based approach“) oder Life Cycle Assessment (LCA) – Datenbanken modelliert werden. Im ersten Schritt müssen also noch keine Lieferanten befragt werden, sondern Modelle schätzen schnell, kostengünstig und vor allem vollständig die Lieferkettenemissionen nach Warengruppen und Lieferanten. So sind CPOs direkt handlungsfähig, Reduktionsziele für die Lieferkette zu formulieren und Hotspot-Lieferanten und -Warengruppen für die engere Zusammenarbeit auszuwählen. Auch um im Nachhaltigkeitsbericht über die Lieferkettenemissionen zu berichten, genügen Schätzwerte.

Erst jetzt, nach dem effizienten und kostengünstigen Einsatz von Sekundär-Daten für das Big Picture, sollten CPOs und ihr Team Primär-Daten von den priorisierten Lieferanten einholen: Von den größten Lieferanten in den CO2-intensivsten Warengruppen sollten gezielt KPIs abgefragt werden, die die Carbon Performance, also die CO2-Minderungsleistung der Lieferanten beschreiben. Damit können die besten Lieferanten für die Einkaufsentscheidung ausgewählt werden. Zusätzlich kann getrackt werden, ob deren Einsparungen für die Erreichung des eigenen Minderungsziels ausreichen.

Bei diesen Fokuslieferanten kann es sich auch lohnen, wiederholt PCFs abzufragen und die Entwicklung über die Zeit zu beobachten. CCFs im Zeitverlauf zu beobachten eignet sich wegen deren methodischer Probleme hingegen nicht für eine Einkaufsentscheidung oder das Target Controlling.

Die effiziente Kombination von Sekundär- und Primär-Daten setzt Ressourcen für den Klimaschutz selbst frei

CPOs als Chief Decarbonization Officer sollten also nicht teure Ressourcen in den Versuch investieren, flächendeckende PCF- oder CCF-Datensätze aufzubauen. Stattdessen können sie sich mit Sekundär-Daten schnell das Big Picture für strategische Ableitungen verschaffen und erst dann, fokussiert und gezielt, relevante Primär-Daten von Lieferanten ergänzen.

Denn wie so oft im Zeitalter von KI und digitalen Lösungen gilt: Es kommt nicht darauf an, alle Daten zu haben, sondern die richtigen Daten für den eigenen Zweck zu kennen. Und für einen Eindruck, wie weit Sekundär-Daten dabei schon helfen, werfen Sie einen Blick in ctrl+s‘ Input-Output-Analyse des Maschinenbaus: https://ctrl-s.io/blog/talking-numbers-machinery-and-equipment/