Das Sozialpartnermodel ist das bAV-Modell der Zukunft!

Artikel aus dem Handelsblatt Journal „Betriebliche Altersversorge und Kapitalanlage“ vom 24.05.2023

Das Sozialpartnermodell wird sich meines Erachtens durchsetzen, denn es erfüllt die Forderungen nach einer effizienten und renditestarken Versorgung in der zweiten Säule. Es besteht ein breiter politischer Konsens, dass die erste Säule nicht mehr eine Lebensstandard-sichernde Rente gewährleisten kann und daher die betriebliche Altersversorgung gestärkt werden muss. Seit ein paar Jahren stagniert aber der Verbreitungsgrad der bAV auf einem unbefriedigenden Niveau von knapp über 50 Prozent – Tendenz fallend. Offensichtlich sind somit die klassischen Durchführungswege der bAV nicht mehr zeitgemäß; dies betrifft vor allem Aspekte der Effizienz und Rentabilität.

1. These: Altersvorsorge bedeutet, heute Rahmenbedingungen zu schaffen, die es der nächsten Generation ermöglicht, in ausreichendem Umfang Güter zu produzieren und Dienstleistungen bereit zu stellen.

Im Grunde ist dies gar keine These, sondern eine triviale Feststellung! Denken wir an einen Berufseinsteiger, der im Ruhestand – sagen wir in den Jahren ab 2070 – versorgt werden soll. Versorgung heißt Bereitstellung mit Gütern des täglichen Bedarfs, Wohnung, Kleidung, Infrastruktur für Transport und Kommunikation, Medikamente, ärztliche Betreuung usw. Diese können aber nur von den dann aktiven Beschäftigten produziert bzw. bereitgestellt werden; ein Realsparen ist also faktisch nicht möglich.1 Die Beitragszahlungen in ein umlagefinanziertes oder kapitalgedecktes Versorgungssystem garantieren keine auskömmliche Altersversorgung, sondern stellen nur Anteilsscheine an dem künftigen Sozialprodukt dar. Wie groß das „Kuchenstück“ im Jahre 2070 sein wird, ist ungewiss. Der „Kuchen“ (sprich: das Sozialprodukt 2070) bedarf eines Bäckers (sprich: qualifizierte Arbeitskräfte), eines Ofens (sprich: Produktionsmittel) und genießbarer Zutaten (sprich: eine intakte Umwelt).

Allerdings werden anders als bei einer Umlagefinanzierung durch eine kapitalgedeckte Altersvorsorge finanzielle Mittel für Investitionen bereitgestellt. Diese Investitionen wiederum können dazu beitragen, den Produktionsfaktor Kapital technologisch auf dem neusten Stand zu halten und neue Technologien zu entwickeln, was unerlässlich ist, um auch künftig Güter produzieren und Dienstleistungen bereitstellen zu können. Eine Stärkung der Kapitaldeckung der Altersversorgung liefert also einen positiven Beitrag zur Stärkung des Produktionsfaktors Kapital. Wenn dem so ist, so stellt sich die Frage, wer davon profitieren soll.

2. These: Ziel der kapitalgedeckten Altersvorsorge ist die faire Teilhabe am Produktionsfaktor Kapital

In Bezug auf die umlagefinanzierte Gesetzliche Rentenversicherung sprechen wir immer vom „Generationenvertrag“. Der ist jedoch konfliktanfällig, denn – in den Worten von Oswald von Nell-Breuning: „Immer und ausnahmslos trägt die produktive Generation die doppelte Last des Unterhalts sowohl der Nicht-mehr-Produktiven als auch der Noch-nicht-Produktiven. Ihr wesentlicher Beitrag zur Sicherung ihrer eigenen Versorgung im Alter besteht nicht nur in irgendeinem vorgeleisteten Äquivalent der späteren Alters-(Ruhestands-) Bezüge, sondern in ihren Investitionsleistungen, insbesondere in dem was sie in die nachwachsende Generation investieren.“ Wenn die heute Aktiven in das Produktionskapital der Zukunft investieren, so ist das echte Altersvorsorge, vorausgesetzt dass sie tatsächlich fair an den Früchten dieser Investitionen partizipieren. Konsequenterweise sollte also die Kapitalanlage für die Altersversorgung möglichst direkt erfolgen, also beispielsweise in Beteiligungen an Unternehmen und nicht in Unternehmensanleihen.

3. These: Altersvorsorgeprodukte mit Zinsgarantien sind „Verbrenner“

Der Wunsch nach Garantien ist sehr verständlich, und je weniger die Menschen von Zinsen und Kapitalanlagen verstehen, desto eher sind sie empfänglich für Garantieprodukte. Auch kann nicht bezweifelt werden, dass Zinsgarantien für kurz- und mittelfristige Sparverträge sinnvoll sind; wenn man nämlich Geld für ein neues Auto oder eine neue Heizung ansparen will, so bietet ein fester Zinssatz eine gewisse Planungssicherheit.

Aber bei einer langfristigen Kapitalanlage sind Zinsgarantien fehl am Platz, sie „verbrennen“ Rendite. Betrachtet man die Renditen aller 40-jährigen Sparverträge im Zeitraum 1.1.1960 bis 31.01.2023 (insgesamt 398 Sparverträge) und vergleicht deren Realrenditen (also nach Abzug der Preissteigerungsrate!), so ergibt sich für eine reine Aktienanlage (DAX) eine durchschnittliche Rendite von 6,66 Prozent bei einer sicheren Anlage (REXP) eine durchschnittliche Rendite von3,97 Prozent. Hierbei wurden allerdings keine Abschluss-, Vertriebsoder Verwaltungskosten berücksichtigt. Selbst im worst case beträgt die Aktienrendite real 4,23 Prozent. Aus diesem Grunde scheint es absurd, für das Altersvorsorgesparen eine 80 Prozent-Kapitalerhalt-Nominalwertgarantie als innovativ zu bezeichnen. Bei einer Inflationsrate von 2% ist eine 80%- Nominalwertgarantie real weniger als 37 Prozent!

Ein Szenario, bei dem der Garantiezins langfristig über dem Marktzins liegt, ist für den Garantiegeber schlecht oder sogar fatal, denn er könnte dann die Garantie nicht durch entsprechende Kapitalanlagen decken. Somit ist es einleuchtend, dass der Garantiegeber den Garantiezins so niedrig wählt, dass das obige Szenario nicht eintreten kann. Dann aber stellt sich die Frage, ob ein Sparer sich auf ein solches Szenario einstellen sollte bzw. ob es fair ist, dem Sparer genau dieses Szenario bei der Kapitalanlageentscheidung vorzuhalten.

Das Sozialpartnermodell wird sich durchsetzen

Obwohl das Sozialpartnermodell mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz bereits 2017 eingeführt wurde, werden erst in jüngster Zeit entsprechende Pensionsfonds aufgelegt. Eine wesentliche Ursache ist, dass sich hier die Sozialpartner zusammenraufen müssen und die Arbeitnehmer bzw. Gewerkschaften mit dem Fehlen von Zinsgarantien fremdeln. Für die Kommunikation war das Schlagwort von „Pay & Forget“ auch nicht sehr hilfreich, denn man assoziiert leicht „Ex & Hopp“. Tatsächlich aber ist das Sozialpartnermodell ein echter Mehrwert für Arbeitnehmende und Arbeitgeber. Für den Arbeitgeber waren in der Vergangenheit Garantien sehr teuer, besonderes deutlich wird dies bei der unmittelbaren Versorgungszusage, deren bilanzielle Lasten im Laufe der Jahre immer schwerer wurden. Versicherungsprodukte waren und sind für den Arbeitgeber eine bequeme Lösung, jedoch aus Sicht der Arbeitnehmenden nicht sehr rentabel, denn die Garantien der Versicherer gingen immer auch zu Lasten der Renditen für den Arbeitnehmenden.

So paradox es klingt: Das Verbot von Leistungsgarantien sichert den Arbeitnehmenden eine faire Teilhabe am Produktionsfaktor Kapital! Denn es kann ein deutlich höherer Anteil der Kapitalanlagen in Aktien und Immobilien erfolgen, deren Erträge und Wertsteigerungen unmittelbar den Arbeitnehmern zugutekommt. Die mit diesen Kapitalanlagen verbundenen Risiken von Wertschwankungen können im Sozialpartnermodell durch Entnahmen bzw. Einlagen in eine kollektive Versorgungsreserve („Talsperrenprinzip“) weitgehend ausgeglichen werden.

Darüber hinaus kann ein Arbeitgeber den Aufbau einer betrieblichen Altersversorgung ganz entspannt angehen, denn er muss nicht damit rechnen, in vielen Jahren mit Versorgungszusagen konfrontiert zu werden, die vor Jahrzehnten erteilt wurden. Auch ermöglicht die reine Beitragszusage eine flexible Finanzierung der betrieblichen Altersversorgung, indem z.B. in einem erfolgreichen Geschäftsjahr der Arbeitgeber einen Bonusbeitrag zahlt. Gerade die Post-Babyboomer werden sich nolens volens sehr viel intensiver mit ihrer Altersversorgung auseinandersetzen und sich darüber im Klaren sein, dass sie „etwas tun müssen“. Dann ist in jedem Fall eine Investition in die betriebliche Altersversorgung effizienter als eine private Altersvorsorge. Schließlich gewährleistet das Sozialpartnermodell ein Höchstmaß an Transparenz – vgl. § 41 PFAV. Auch wenn der Arbeitgeber die Beiträge zahlt, haben die Arbeitnehmer die Beiträge „erarbeitet“ und sie haben daher ein berechtigtes Interesse zu erfahren, was aus ihrem Versorgungslohn geworden ist.

1 Eine gewisse Ausnahme bildet das Gut „Wohnen“, denn das eigene Haus kann heute gebaut werden und dann über viele Jahrzehnte hinweg genutzt werden.
2 Vgl. Goecke, O. (2022): Collective Defined Contribution Plans – Backtesting based on German capital market data 1950-2022, https://cos.bibl.th-koeln.de/files/987/4_2022.pdf

Das Sozialpartnermodell ist ein echter Mehrwert für Arbeitnehmer und Arbeitgeber.

Das aktuelle Handelsblatt Journal
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