CYBERMOBBING, DIE UNTERSCHÄTZTE GEFAHR IM UNTERNEHMEN

von Dipl. Math. Matthias Goebel und Dipl. Ing. Uwe Leest

In den letzten Jahren häufen sich die Angriffe auf Unternehmen durch Hacker. Mit dem Ziel Unternehmen zu erpressen, werden Daten gestohlen, Maschinen lahmgelegt und Datenbanken blockiert. Unternehmen investieren daher verstärkt in ihre Informationssicherheit, um frühzeitig Schaden abwenden zu können. Wie sieht es dabei mit der Prävention, dem Schutz vor Angriffen auf eigene Mitarbeiter aus? Mit einer guten Unternehmenskultur und HR-Prozessen, die Mitarbeiter schützen und in Problemfällen Unterstützung und Rückhalt bieten, kann man Angriffe auf die eigenen Mitarbeiter vermeiden und Schäden mindern. Wir reden über Cybermobbing.

Aktuelle Studien zeigen, dass der deutschen Wirtschaft durch Produktionsausfallkosten im Krankheitsfall ein direkter Schaden von knapp 8 Mrd. Euro durch Mobbing/Cybermobbing entsteht.

Die indirekten Schäden, welche z.B. in Form von Humankapitalverlusten durch Versetzungen und verminderte Arbeitsleistung, Kompetenzverlust oder Frühverrentungen, durch Personalsuche und Einarbeitung neuer Mitarbeiter nach Kündigungen, Gerichtsverfahren,  Entschädigungszahlungen, Reputationsverluste etc. entstehen, dürften aber um ein Vielfaches höher liegen.

Was ist Cybermobbing?
Unter Cybermobbing versteht man verschiedene Formen der Diffamierung, Beleidigung, Belästigung, Bedrängung, Bloßstellung oder Nötigung von Personen mit Hilfe elektronischer Kommunikationsmedien über das Internet wie z.B. Mails, Chatrooms, Videos, soziale Netzwerke, Instant Messaging etc. oder auch mittels Mobiltelefone, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken.

Hierbei spielt die Anonymität im Internet eine besondere Rolle. Sie enthemmt die Täterinnen und Täter, da häufig keine negativen Reaktionen oder Konsequenzen zu befürchten sind. Die strafrechtliche Verfolgung ist durch die Anonymität im Internet fast unmöglich. Das Opfer kann sich nicht wehren, da es häufig nicht weiß, von wem die Angriffe stammen. Es fühlt sich in  besonderem Maße hilflos.

Aktuelle Situation in Deutschland
Der herrschende Trend zur Digitalisierung in fast allen Lebensbereichen, der durch die besonderen Umstände der Covid19-Pandemie noch beschleunigt wurde, begünstigt dabei das Auftreten von Cybermobbing. Wie der WDR kürzlich berichtete, hat die zentrale Anlaufstelle Cyberkriminalität der Staatsanwaltschaft in Nordrhein-Westfahlen gerade in diesem Jahr einen starken Anstieg der Fälle von Cybercrime und Cybermobbing festgestellt. Unsere aktuelle „Mobbingstudie“, durchgeführt unter 4.000 Personen in Deutschland, Österreich und der deutschsprechenden Schweiz zeigt: Oft wird Cybermobbing im Unternehmen unterschätzt, sowohl im Umfang als auch in den Auswirkungen.

In der gesamten Stichprobe geben 11,5% der Befragten in Deutschland an, Opfer von Cybermobbing zu sein, das sind 2,3 absolute Prozentpunkte mehr als 2018 und entspricht einer relativen Steigerung um 25,0%. Dabei hat sich die Zunahme von Cybermobbing seit 2018 im Vergleich zur Erststudie von 2014 sogar noch beschleunigt.

Frauen und jüngere Menschen sind besonders häufig von Cybermobbing betroffen. Der größte Anstieg der Prävalenzrate bei Cybermobbing im Vergleich zu 2018 ist in der Alterskohorte der 18 bis 24jährigen feststellbar.

Strukturen und Ursachen für Cybermobbing im Unternehmen
Das höchste Cybermobbingrisiko in Deutschland haben mit 16% Personen in Serviceberufen, das geringste in Büroberufen (8%). Die sozialen Berufe liegen hier mit 11% etwa im Mittelfeld. In Österreich haben Personen in Handel und Verkauf (17%) und in Serviceberufen (15%) das höchste, Befragte in Produktion und Handwerk (8%) und in den sozialen Berufen (9%) das geringste Risiko.

Häufig werden Lügen und Gerüchte verbreitet (39%) und die Opfer unter Druck gesetzt, erpresst oder bedroht (28%). 20% der Befragten gaben an, im Internet oder den sozialen Medien absichtlich ausgegrenzt worden zu sein und etwa 14% der Cybermobbingopfer mussten erleben, wie unangenehme oder peinliche Fotos oder Videofilme im Internet lanciert wurden. Diese Methode ist insofern besonders perfide, da Fotos oder Videos, die erst einmal im Internet eingestellt sind, fast unmöglich wieder von dort entfernt werden können. Von dieser Art des Cybermobbings sind Frauen (18%) stärker betroffen als Männer (10%).

Cybermobbing erfolgt in 72% der Fälle aus der gleichen Hierarchieebene, in 44% der Fälle aus einer übergeordneten Hierarchieebene und in 15% der Fälle aus einer tieferen Hierarchieebene. Dabei erfolgen 9% der Angriffe anonym.

Unerwünschtes Verhalten ist aus Sicht der Opfer die häufigste Ursache, danach folgen die Äußerung unerwünschter Kritik und das Vertreten der eigenen Werte und Überzeugungen.

Im Arbeitsumfeld werden vor allem ein konkurrenzorientiertes Umfeld und starre Hierarchien, aber auch die Wahrnehmung der eigenen Mehrleistung als Ursachen der Vorkommnisse identifiziert.

Beschäftigte, die während Covid19-Pandemie nicht im Homeoffice waren, sondern im Betrieb gearbeitet haben, sind deutlich stärker von Cybermobbing betroffen, wenn sie in ihrer Wahrnehmung mehr als ihre Kolleginnen und Kollegen leisten. Die Gruppendynamik spielt hier eine entscheidende Rolle.

Auswirkungen auf Unternehmen und Mitarbeiter
Durch Cybermobbing können den Unternehmen erheblich finanzielle Schäden entstehen. Aber auch die Kündigungsbereitschaft ist bei Opfern von Cybermobbing ca. 40% höher als bei Nichtbetroffenen. Und Opfer von Cybermobbing weisen jährlich fast doppelt so viele  Krankheitstage auf wie nicht betroffene Beschäftigte.

Cybermobbing erhöht auch die Suchtgefahr signifikant: Zwischen ca. 15-20% der Opfer haben deswegen zu Alkohol, Medikamenten oder Drogen gegriffen. Oft erkennen Vorgesetzte nicht die wahren Ursachen für das Verhalten der Mitarbeiter.

Obwohl es in Deutschland (noch) kein Gesetz gegen Cybermobbing gibt, ergeben sich für  Unternehmen eine Anzahl anderer, auch rechtlicher Risiken: Zum einen kann eine Fürsorgepflichtverletzung durch nicht erkanntes und geduldetes Mobbing vorgeworfen werden, was zu hohen Abfindungszahlungen führen kann. Des Weiteren sind Unternehmen bei unerkanntem oder geduldetem Cybermobbing dem Risiko verschiedener Straftatbestände ausgesetzt: Üble Nachrede, Verleumdung, Körperverletzung Nötigung, Bedrohung, Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches durch unerlaubte Bildaufnahmen.

Auch darf der Imageschaden nicht unterschätzt werden, den Unternehmen haben können.

Maßnahmen zur Eindämmung der Gefahren
Unternehmen und Führungskräfte sind nicht nur gesetzlich verpflichtet gegen Cybermobbing vorzugehen, sondern es ist auch anzuraten, entsprechende Maßnahmen einzuleiten, um Schaden vom Unternehmen fernzuhalten.

Leider haben Unternehmen die Cybermobbingproblematik bisher nicht ausreichend realisiert. In weniger als einem Drittel der Unternehmen sind Strukturen etabliert oder werden spezifische Maßnahmen ergriffen, um diesem Risiko wirkungsvoll und präventiv  entgegenzuwirken.

Zu den ersten und wichtigsten Maßnahmen gehört zunächst zu akzeptieren, dass Cybermobbing in jedem Unternehmen vorkommen kann. Die Augen vor der Realität zu schließen ist keine Lösung und stoppt Cybermobbing nicht.

Als konkrete Maßnahmen zur Prävention, sowie zur Unterstützung von Führungskräften und Betroffenen haben sich folgende Maßnehmen bewährt:

  • Ordnen Sie die Verantwortung für Cybermobbing im Unternehmen einer bestehenden (oder auch neuen) Organisation zu. Das kann z.B. die Personalabteilung oder die Sozialberatung sein. In diesem Verantwortungsbereich liegen dann alle Maßnahmen zur Prävention und Abwehr von Vorfällen.
  • Schaffen Sie klare Leitlinien zum Umgang mit Konflikten ggfs. mit dem Betriebsrat.
  • Weiterbildung und das Üben im Umgang mit Mobbingvorfällen ist ein kritischer Erfolgsfaktor in der Abwehr von Vorfällen und der Minderung von Auswirkungen. Insbesondere gilt es die Führungskräfte, Personalreferenten und Mitbestimmungsgremien entsprechend zu schulen.
  • Sehr hilfreich sind Aufklärungsaktionen (Informationen und Schulungen) für Mitarbeiter.
  • Insbesondere bei größeren Unternehmen sollten auch Mitarbeiter als Berater oder Coaches ausgebildet werden, gut dafür eignen sich z. B. die Vertrauensleute. In kleineren Unternehmen kann diese Leistung auch durch Externe erbracht werden.
  • Ergänzen Sie bestehende Veranstaltungen mit dem Thema Cybermobbing oder führen Sie eigene Veranstaltungen zu diesem Thema durch.
  • Nutzung von modernen KI basierten Tools zum Erkennen von Mobbing Inhalten in Messages etc. Solche Lösungen werden z.B. von Instagram und anderen Messaging Medien angeboten und können vom jeweiligen Nutzer aktiviert werden.

Die Digitalisierung unserer Gesellschaft wird weitergehen, unser Kommunikationsverhalten ist ein Teil des Problems, daher ist Prävention und Aufklärung ein wichtiger Baustein für jedes Unternehmen im Kampf gegen Cybermobbing.

Das Bündnis gegen Cybermobbing bietet ein umfassendes Servicepaket (CyMoS) für Unternehmen an. Von der Beratung über Schulungen für Mitarbeiter und Führungskräfte, bis hin zu einer Hotline, wenn es mal brennt!

Aktuelle Studien zeigen, dass der deutschen Wirtschaft ein direkter Schaden von knapp 8 Mrd. Euro durch Mobbing/Cybermobbing entsteht.

Die aktuelle Studie zum Download finden Sie unter:
www.buendnis-gegen-cybermobbing.de/mobbingstudie2021

Dipl. Math. Matthias Goebel, Referent, Bündnis gegen Cybermobbing e.V.
Dipl. Ing. Uwe Leest, Vorstandsvorsitzender, Bündnis gegen Cybermobbing e.V.

Das aktuelle Handelsblatt Journal Cybersecurity & Datenschutz
Dieser Artikel ist im aktuellen Handelsblatt Journal „CYBER SECURITY & DATENSCHUTZ“ erschienen. Das vollständige Journal können Sie sich hier kostenlos herunterladen:
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