Altersteilzeit (ATZ) ist seit über 36 Jahren ein bewährtes Instrument zur strukturierten Übergabe von Aufgaben an einen (möglichst zuvor arbeitslosen) Nachfolger. Aufgrund des Wegfalls der Erstattung von Aufstockungsbeträgen ab 2010 ist die Wiederbesetzung zwar zunehmend in den Hintergrund gerückt, aber gerade in der jüngeren Vergangenheit erfreuen sich ATZ-Verträge wieder zunehmender Beliebtheit (2023: 284.000 Personen). Für den Arbeitnehmer bietet die ATZ durch die zusätzlich zum erarbeiteten Gehalt (bei 50 Prozent Arbeitsleistung) gezahlten Aufstockungsbeträge (gesetzlich 70 Prozent, tarifvertraglich oder freiwillig oftmals 80-90 Prozent des bisherigen Nettoentgelts) eine hohe Attraktivität. Der Arbeitgeber hat Planungssicherheit in Bezug auf das Ende des Arbeitsverhältnisses, z.B. für eine gesteuerte Übergabe, einen langfristigen Arbeitsplatzabbau oder für eine gesicherte Beschäftigung über den frühestmöglichen Rentenbeginn hinaus (z.B. bei schwierig zu nachzubesetzenden Personengruppen).
„Störfälle“ bei Aufeinandertreffen von Rente und ATZ
Mit dem Wegfall der Hinzuverdienstgrenzen, also der Möglichkeit des vollen Altersrentenbezugs unabhängig von zusätzlich erzieltem Arbeitseinkommen, häufen sich jedoch Probleme mit den Sozialversicherungsträgern. Trifft eine gesetzliche Altersrente auf ein Altersteilzeit-Arbeitsverhältnis, hat dies keine Auswirkung mehr auf die gesetzliche Altersrente. Der gesetzliche Rentenbezug hat aber erhebliche Auswirkungen auf das ATZ-Arbeitsverhältnis: es kommt zum „Störfall“, die sozialversicherungsrechtliche (Rück-)Abwicklung und die vorzeitige Beendigung der ATZ wird ausgelöst.
Störfälle wurden häufig durch eine geänderte Beratungspraxis in den Beratungsstellen der Deutschen Rentenversicherungen verursacht: Die neuen Hinzuverdienstmöglichkeiten wurden in den Beratungsgesprächen adressiert und auch entsprechend angenommen – teilweise allerdings ohne Betrachtung der Störfallproblematik.
Der Umgang des BMAS mit der Problematik
Im Entwurf zum Betriebsrentenstärkungsgesetz II hatte das BMAS die Störfallproblematik bei Zeitwertkonten und vorgezogener Altersrente aufgegriffen und Heilung für den Rentenbezug vor der Regelaltersgrenze avisiert. ATZ-Arbeitsverhältnisse waren, auch wenn es sich hierbei lediglich um einen Spezialfall einer Wertkontenvereinbarung handelt, nach der Gesetzesbegründung ausgenommen. Die Kritik des Autors und der Praxis, die zunehmend mit Störfällen zu tun hatte und damit den Ärger der betroffenen Arbeitnehmer auf sich zog, nahm der bisherige Staatsekretär Dr. Rolf Schmachtenberg zum Anlass einer erneuten Prüfung durch sein Ministerium. Das Ergebnis war ernüchternd, wenn auch teilweise nachvollziehbar: Nach Ansicht des BMAS sieht das Altersteilzeitgesetz (ATZG) vor, älteren Arbeitnehmern einen gleitenden Übergang vom Erwerbsleben in die Altersrente zu ermöglichen, d.h. die ATZ kann sich nur auf den Zeitpunkt bis zum Bezug einer gesetzlichen Altersrente beziehen und ATZ-Wertguthaben müssen vor dem Bezug einer Rente entspart werden. Der Sinn und Zweck des ATZG und die steuer- und beitragsrechtliche Förderung der ATZ schließen einen parallelen Bezug einer Altersrente aus.
Arbeitgeber suchen nach Lösungen
Ein weiterer Vorstoß der betroffenen Arbeitgeber in Richtung DRV verlief erfolgreicher: Der Bundesvorstand der Deutschen Rentenversicherung Bund, Alexander Gunkel, hat das Problem in den Beratungsstellung adressiert und offengelegt, welche Maßnahmen zur Verbesserung der Beratung und Sensibilisierung für das Thema ergriffen wurden.
In der Praxis ergibt sich inzwischen ein gemischtes Bild: Viele Arbeitgeber haben den Ball aufgenommen und die ATZ-Mitarbeiter zusätzlich informiert. Dennoch gibt es Berichte, dass die Lage zwar besser geworden sei, Störfälle mit entsprechend komplexen Rückabwicklungen aber weiterhin regelmäßig auftreten.
Appell an die neue Regierung
Der neuen Regierung kann man vor diesem Hintergrund nur dringend raten, bei einer Wiederaufnahme der Gesetzgebung die ATZ nicht erneut auszuschließen. Abgesehen von der ursprünglichen Intention des Gesetzgebers gibt es keinen Grund, eine Lockerung und damit Lösung des Problems auch für die ATZ zu ermöglichen. ATZ-Wertkonten sind Wertkonten und dürfen deshalb nicht ausgenommen werden! Die ursprüngliche Intention des Gesetzgebers bei der gesetzlichen Altersrente war auch nicht, dass der Rentner nebenbei arbeitet. Darüber hinaus ergäbe sich dadurch auch ein positiver Nebeneffekt für die Sozialversicherungsträger, denn ohne Störfall kann es auch nicht mehr zu einer Beitragsrückforderung im Rahmen der Störfallabwicklung kommen.