Windmühlen oder Mauern?

Die Renaissance des Change Management

Wie reagieren Mitarbeitende, wenn der Druck steigt, das Tempo der Veränderung zunimmt, und die Zukunft verstärkt vage erscheint?  Ein chinesisches Sprichwort sagt: „Wenn der Wind der Veränderung weht, dann bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen.“ Und so lautet die Antwort auf die Frage auch: Mal so, mal so. Manche Menschen sind veränderungsresistent. Ihnen macht das Unbekannte Angst, und sie klinken sich aus den großen Transformationsprozessen einfach aus. Bei Klimaschutz, Modern Work, Digitalisierung, Künstlicher Intelligenz und Krisenmanagement handeln sie lieber nach dem Motto: Lasst mich in Ruhe, ich will hier einfach nur meinen Job machen.

Aber längst nicht allen, nicht einmal den meisten, ist danach, sich schützend die Decke über den Kopf ziehen. Im Gegenteil. Es ist erstaunlich, wie viele Menschen uns in den Beratungsprojekten begegnen, die ganz anders unterwegs sind und für sich klar erkannt haben: Wenn ich in meinem Leben und wenn wir gemeinsam als Unternehmen eine Perspektive für die Zukunft haben möchten, dann müssen wir uns verändern und im Zweifel neu erfinden.

Gefahr in Verzug macht offen für Veränderung

Mag die VUKA-Gegenwart – so volatil, unberechenbar, komplex und mehrdeutig sie ist – oft genug chaotisch erscheinen, äußerst anstrengend sein und mitunter den Blick aufs Wesentliche verstellen: Unter den Mitarbeitenden schürt sie auch ein Gefühl von Dringlichkeit. Anders gesagt: Gefahr im Verzug macht die Menschen offen für den Wandel. Hier bietet sich vielen Unternehmen aktuell die Chance, ihre Transformationsthemen aufzugleisen und mit einem wohlüberlegten Change Management zu verstetigen. Die beiden großen „A“ der Zukunftssicherung sind nicht denkbar, ohne die Menschen dafür zu gewinnen und sie kontinuierlich zu begleiten: Unternehmen müssen lernen, die Zukunft zu antizipieren und sich, durchaus im Darwin´schen Sinne, an die Veränderungen in ihren ökonomischen Nischen anzupassen. Und zwar permanent, sonst halten sie dem evolutionären Druck der Märkte nicht stand. Umso bedeutsamer ist es, in einen Prozess des Wandels einzusteigen, der deutlich macht: Die Aufgabe lautet nicht – wie noch vor zehn oder zwanzig Jahren – sich lediglich einmal neu aufzustellen, sondern vielmehr dauerhaft in Bewegung zu bleiben. Wir müssen uns daran gewöhnen, dass die Veränderung das Stabile ist.

Wandel durch soziale Bewegungen

Dafür bedarf es eines Change Managements, das über die üblichen „Dos und Don’ts“ hinausreicht. Es sollte nicht nur eine kritische Masse mobilisieren, um die Veränderungsbereitschaft im Unternehmen kulturell zu manifestieren, sondern die Menschen auch anstiften. Sie sollen das Vertrauen gewinnen, wann immer sie Bedarf für etwas Neues erkennen, Eigeninitiative zu ergreifen und mit ihren Kolleg:innen und Führungskräften in den Dialog zu gehen.

Im Idealfall gelingt es, den Nährboden für soziale Bewegungen in einem Unternehmen zu schaffen. Manche Transformationsthemen sind so bedeutsam und facettenreich, dass sie mit tradierten Managementprozessen nicht zu greifen sind. Besser ist es, engagierte und motivierte Mitarbeitende nehmen die Themen eigenverantwortlich in die Hand und organisieren Veränderung „von unten“. Daran kann Führung dann wiederum anknüpfen und die Ideen in Prozessen und in der Organisation verstetigen. Hierbei können Unternehmen durchaus von Initiativen wie #FridaysForFuture lernen. Das gemeinschaftliche Engagement der jungen Menschen war zuerst da, die Strukturen kamen später.

Ohne vertrauensstiftende Kommunikation der Führungskräfte an alle internen und externen Stakeholder ist eine solche Veränderungskultur nicht denkbar. Unternehmen werden sicherstellen müssen, dass alle betroffenen Funktions- und Kompetenzträger:innen an einem Punkt x im Prozess informiert und einbezogen werden. Nur so gelingt es, dass das Veränderungsthema in der Organisation definitiv wahrgenommen wird und umgesetzt werden kann.

Psychologische Sicherheit setzt Kräfte frei

Nicht zuletzt benötigt Change Management im 21. Jahrhundert ein zusätzliches Qualitätsmerkmal – womit sich der Kreis schließt zu der Frage, welche Mitarbeitende sich dem Wandel aus Angst oder Unsicherheit verschließen und welche sich öffnen. Die Rede ist von einer Atmosphäre psychologischer Sicherheit. In jeder Belegschaft gibt es neben den spielerisch-risikobereiten Typen eben auch jene, die das gute Gefühl von Vertrauen, Wertschätzung und Perspektive benötigen, um sich ambitioniert einmischen und ihre Meinung äußern zu können.

Psychologische Sicherheit bedeutet, dass eine unterstützende Kultur geschaffen wird, in der Fehler als Verbesserungspotenzial interpretiert werden und konstruktiv Feedback gegeben wie angenommen wird – auch von Führungskräften. Psychologische Sicherheit verbannt Angst und Verunsicherung aus dem Unternehmensalltag. Und das ist gut so, denn die Welt ist derzeit an sich beängstigend genug.

Über den Autor

Dr. Thomas M. Fischer ist Gründer & CEO der Allfoye Managementberatung, Mitglied in mehreren Aufsichtsräten (u.a. der Bauer Gruppe), Company-Builder & Investor sowie Autor. In seinem neuesten Buch „Einfach stark!“ hat er 25 Geschäftsführer:innen befragt und auf 135 Seiten die Faktoren beschrieben, welche diese Unternehmen besonders resilient machen. Er ist spezialisiert auf die Entwicklung von Nachhaltigkeits- und Digitalisierungsstrategien für den Mittelstand und eine erfolgreiche Kulturtransformation.