Von der Grundschule an werden wir an die Bewertung durch Zeugnisse gewöhnt. Auch im späteren Erwerbsleben werden unsere Fachkenntnisse, unser Arbeits- und Sozialverhalten und unsere Leistung von Vorgesetzten bewertet und in Zeugnissen verschriftlicht. Als Geschäftsführer wird man häufig derjenige sein, der für das Arbeitszeugnis von (ausscheidenden) Mitarbeitern verantwortlich ist. Arbeitszeugnisse sind heute größtenteils standardisiert: Sowohl für deren äußere Form als auch den inhaltlichen Aufbau sowie die verwendete Sprache hat sich eine Übung herausgebildet, nicht zuletzt bedingt durch eine Vielzahl von Gerichtsentscheidungen. Geheimcodes sind unzulässig, die Zeugnisse sollen wohlwollend, aber doch möglichst wahrheitsgemäß und transparent Auskunft über Arbeitsverhalten und Leistungen der betroffenen Person geben.
Auch ein GmbH-Geschäftsführer selbst kann bei Beendigung seiner Tätigkeit Interesse an einem wahrheitsgemäßen, möglichst hervorragenden oder zumindest guten Zeugnis haben. Die Rechtsprechung erkennt ein solches Bedürfnis ausdrücklich an. Dennoch wird der Personenkreis, dem ein Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses zustehen soll, eingeschränkt – entgegen dem Wortlaut der gesetzlichen Norm (§ 630 BGB). So wird bei Vorständen einer Aktiengesellschaft ein Zeugnisanspruch im Regelfall verneint, weil Vorstände die Geschäfte leiten, ohne dass sie dabei Weisungen Dritter unterliegen. Für sie spreche angeblich allein der Erfolg der von ihnen geführten Gesellschaft. Dementsprechend soll auch ein GmbH-Geschäftsführer, der eine Mehrheitsbeteiligung an der GmbH mittelbar oder unmittelbar hält und somit die weisungsbefugte Gesellschafterversammlung beherrscht, kein Zeugniserteilungsanspruch haben. Anders bei Fremdgeschäftsführern und bei Gesellschafter-Geschäftsführern mit einer Minderheitsbeteiligung. Diesen wird ein Zeugnisanspruch zuerkannt. Für diese Personen lohnt sich ein Blick auf den sehr erhellenden Beitrag „Geschäftsführerzeugnis: Denken Sie an ein Zwischenzeugnis!“ (abrufbar im Internet unter: www.weka.de/unternehmensfuehrung/geschaeftsfuehrerzeugnis/). Der Beitrag behandelt sowohl die inhaltlichen Besonderheiten von Zeugnissen für Geschäftsführer als auch die Empfehlung, sich möglichst regelmäßig ein Zwischenzeugnis zusammen mit der jährlichen Entlastung durch die Gesellschafterversammlung ausstellen zu lassen. Zwar besteht im Zusammenhang mit der Entlastung kein Anspruch auf ein Zwischenzeugnis, aber solange das Verhältnis zum Mehrheitsgesellschafter gut ist, sollte man die Gelegenheit nutzen, eine solche Anfrage zu stellen. Dasselbe wird nach erfolgreicher Beendigung eines wichtigen Projekts empfohlen.
Im Internetbeitrag wird erwähnt, dass es einen gesetzlichen Anspruch auf ein Zwischenzeugnis nicht gibt. Das ist richtig, allerdings gestehen die Gerichte Arbeitnehmern einen solchen Anspruch zu, wenn es dafür einen triftigen Grund gibt; dies wird aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers abgeleitet. Diese Rechtsprechung dürfte auf die Dienstverhältnisse von solchen Geschäftsführern, die überhaupt einen Zeugnisanspruch haben, übertragbar sein. Triftige Gründe wären z.B., dass eine Kündigung im Raume steht, die Änderung des Verantwortungsbereichs (z.B. bei einer Ressortänderung oder einer Beförderung innerhalb eines Konzerns), die Umstrukturierung der Gesellschaft oder der Wechsel des Mehrheitsgesellschafters (change of control).
Zwischenzeugnisse können sehr hilfreich sein, nicht nur, um sich aus ungekündigter Stellung heraus anderweitig zu bewerben. Vielmehr sind sie eine Art Versicherung, wenn sich im Verlauf der Tätigkeit das ehemals gute Vertrauensverhältnis zum Hauptgesellschafter eintrüben sollte und dann eine Beendigung der Tätigkeit erfolgt, die ein Endzeugnis notwendig macht. Das Endzeugnis soll die Gesamtdauer des Tätigkeitsverhältnisses abbilden. Wer eine Kette von Zwischenzeugnissen mit guter oder hervorragender Beurteilung vorweisen kann, hat erhebliche bessere Karten, um eine spätere schlechtere Beurteilung anzugreifen. Zwischenzeugnisse können nämlich Indizwirkung für die Gesamtbeurteilung liefern. Je näher das Datum des letzten Zwischenzeugnisses zur Beendigung der Tätigkeit liegt, desto stärker ist dessen Indizwirkung.
Prozessual ist eine Tücke zu beachten. Besteht Streit über die wirksame Beendigung des Dienstverhältnisses, wenn etwa die Gesellschafterversammlung sich auf einen angeblichen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung beruft, so wird der Geschäftsführer darauf klagen, dass das Dienstverhältnis nicht wirksam beendet wurde. Gleichzeitig wird er sich häufig schon nach einer neuen Tätigkeit umsehen, weshalb die Ausstellung eines Zwischenzeugnisses (falls er keines vorliegen hat) von Vorteil wäre. Ein Arbeitnehmer hat nach der Kündigung des Arbeitsverhältnisses, solange noch ein Kündigungsschutzprozess läuft, ein Wahlrecht, ob er ein Endzeugnis oder ein Zwischenzeugnis verlangt. Gleiches dürfte für den Geschäftsführer gelten. Dazu folgender Fall (Urteil des OLG München vom 18.04.2012 – 7 U 3882/12): Ein Geschäftsführer konnte sich im Prozess erfolgreich gegen die fristlose Kündigung wehren. Gleichzeitig hatte er auf ein Zwischenzeugnis geklagt. Bis jedoch das Berufungsurteil erging, war sein Dienstverhältnis aufgrund einer Befristung auf mehrere Jahre bereits ausgelaufen. Das Gericht entschied, dass mit regulärer Beendigung des Dienstverhältnisses aufgrund des Fristablaufs ein Zwischenzeugnis überhaupt nicht mehr in Frage käme, sondern nur noch ein Endzeugnis. Auf ein Endzeugnis hätte der Geschäftsführer einen Anspruch gehabt. Da er aber auf ein Zwischenzeugnis geklagt hatte, müsse er nunmehr mit diesem Antrag unterliegen. Auf eine solche Änderung der Prozesslage hätte man mit einer Klageänderung oder einem Hilfsantrag reagieren können. Dieser (anwaltliche) Fehler war für den betroffenen Geschäftsführer besonders ärgerlich, denn das Berufungsurteil erging mehr als 4 Jahre nach Ablauf des Dienstverhältnisses. Nun ist aber anerkannt, dass ein Endzeugnis zeitnah nach Beendigung der Tätigkeit verlangt werden muss. In der Regel wird ein Zeitraum von ungefähr 10 Monaten angenommen. Wird Jahre später ein Zeugnis verlangt, kann dessen Ausstellung verweigert werden, weil der Vorgang zu lange zurück liegt und die notwendige Erinnerung an die Tätigkeit notwendigerweise verblasse.
Abschließend ist darauf zu verweisen, dass Aufhebungsvereinbarungen oder Beendigungsvergleiche die Ausstellung eines bestimmten Endzeugnisses berücksichtigen sollten. Um künftigen Streit zu vermeiden, sollte das zu erteilende Endzeugnis mit seinem gesamten Wortlaut der Vereinbarung als Anlage beigefügt werden. Dabei ist es sicher eine gute Idee, als betroffener Geschäftsführer selbst einen mit fachkundiger Hilfe erstellten Formulierungsvorschlag als weitere Verhandlungsbasis zu unterbreiten.