Wohnen der Zukunft

Nachhaltige und branchenübergreifende Konzepte sind die Antwort auf sich verändernde Bedürfnisse

2020 ist das Jahr, in dem sich Wohnen grundsätzlich verändert. Die Menschen ziehen sich ins Private zurück, sie verbringen deutlich mehr Zeit in ihrer Wohnung als noch bis vor Kurzem. Aufgrund der COVID-19-Pandemie und der damit verbundenen Ansteckungsgefahr wollen und müssen viele zuhause bleiben – auch, um dort zu arbeiten. Sogar ein „Recht auf Homeoffice“ wird diskutiert. Die Wohnung wird folglich noch mehr zum Lebensmittelpunkt. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, was die Immobilienbranche beitragen kann oder sogar leisten muss, damit Wohnungen den veränderten Bedürfnissen noch besser gerecht werden – sowohl den Bedürfnissen der Gesellschaft im Allgemeinen als auch den Bedürfnissen ihrer Bewohner im Spezifischen. Im Wohnraum von heute steckt viel Potenzial. Es ist Aufgabe der Immobilienbranche, dieses Potenzial konsequent und zielgerichtet zu heben. Drei Bereiche sind hier von besonderer Bedeutung: die Steigerung der Energie- und CO2-Effizienz der Gebäude, die Einführung digitaler Services in Wohnungen sowie die zukunftsgerichtete Gestaltung der Quartiere.

Potenzial des Wohnraums gezielt heben
Mit Blick auf die Energieeffizienz und verwendeten Baumaterialen der Gebäude hat die Immobilienbranche einen enormen Hebel, um zum Erreichen der Klimaziele beizutragen. Das ist nicht nur eine großartige Chance für die Immobilienbranche, sondern auch eine Verpflichtung. Schließlich verursacht der Gebäudebestand in Deutschland aktuell ein Drittel aller hiesigen CO2-Emissionen. Moderne Technologien bieten die Möglichkeit, Wohnungen deutlich energieeffizienter und klimafreundlicher zu gestalten. Effizientere Prozesse, grüner Strom und nachhaltige Materialien werden für die Zukunft des Wohnens von maßgeblicher Bedeutung sein.

Nicht nur die Klimaerwärmung, auch die immer älter werdende Bevölkerung stellt die Gesellschaft vor große Herausforderungen. Mit neuen Wohnkonzepten kann die Immobilienbranche einen Beitrag dazu leisten, das Leben und Wohnen im Alter komfortabler zu machen. Allein in Deutschland leben knapp sechs Millionen Menschen über 65 Jahren allein in ihrer Wohnung. Die Lebensqualität dieser Menschen könnte bei Bedarf durch unterstützende Maßnahmen deutlich gesteigert werden. Die Digitalisierung bietet hier große Chancen. Digitale Plattformen werden bald zur Grundausstattung einer Wohnung gehören. Sie werden den Alltag erheblich erleichtern, indem beispielsweise die Wärme oder Belüftung in der Wohnung individuell und automatisiert gesteuert wird. Darüber hinaus kann die Immobilienbranche durch moderne und vielfältige Stadtquartiere wesentlich zur Lebensqualität der Menschen beitragen. Wohnen, Arbeiten und Freizeit müssen besser miteinander vereint werden. Eine einseitige Raumnutzung sollte folglich der Vergangenheit angehören. Da durch das stetige Bevölkerungswachstum in Ballungszentren Wohn- aber auch Grünfläche knapp wird, gilt es, kluge Konzepte zu entwickeln. Ein Beispiel sind gemeinsame Arbeitsräume in den Quartieren – sogenannte „shared spaces“, die eine Alternative zum Homeoffice darstellen. Stadtentwickler, Architekten und Immobiliengesellschaften tragen eine besondere Verantwortung, wenn es um das Wohlergehen der Bewohner in den Städten geht. Hier ist es von entscheidender Bedeutung, dass alle Beteiligten offen sind für branchenübergreifende Ansätze, wie etwa für eine Zusammenarbeit mit Energie- oder Softwareunternehmen. Dadurch lassen sich innovative Konzepte entwickeln, die sowohl die Bedürfnisse der Gesellschaft als auch der Bewohner sinnvoll berücksichtigen.

Lösungen für grünen Strom und E-Mobilität
Großes Potenzial bieten unter anderem Kooperationen mit Energiedienstleistern. Wird beispielweise Strom aus Photovoltaik-Anlagen in den Quartieren selbst erzeugt und dann in erster Linie den Mietern direkt vor Ort zur Verfügung gestellt, ist das gleich in mehrerlei Hinsicht von Vorteil. Zum einen werden Ressourcen geschont, da es sich um Strom aus erneuerbaren Energien handelt. Zum anderen werden die öffentlichen Stromnetze entlastet, da eine vorherige Netzdurchleitung nicht erforderlich ist. Gleichzeitig verbessert sich dadurch die Klimabilanz der entsprechenden Immobilien. Der in den Quartieren erzeugte Strom kann zudem für erweiterte Bike- oder Car-Sharing-Angebote und ausgebaute Ladeinfrastrukturen für Elektro-Autos genutzt werden. Vorausschauende Immobiliengesellschaften beziehen solche Ladeinfrastrukturprojekte direkt in ihre Neubau- oder Renovierungsplanungen ein. Denn solche umweltfreundlichen Mobilitätskonzepte werden künftig fester Bestandteil zukunftsorientierter Quartiere sein.

Wohnen, Arbeiten und Freizeit müssen besser miteinander vereint werden. Eine einseitige Raumnutzung sollte der Vergangenheit angehören.

Digitale Unterstützung für Mieter und Gebäudemanager
Neben Energie- sind vor allem auch Softwaredienstleister wertvolle Partner der Immobilienbranche. Dies gilt insbesondere mit Blick auf „Smart Building“-Lösungen, die künftig immer wichtiger werden. Schon heute ist es nicht mehr ungewöhnlich, per Tablet oder App beispielsweise Licht, Heizung oder elektrische Rollläden zu bedienen. Wenn man dieses System als Bausteinprinzip entwickelt, lässt es sich in Zukunft nach Belieben erweitern. Das eröffnet eine Vielzahl an Möglichkeiten – nicht nur für die Bewohner.

Auch für Vermieter, Verwalter und technische Dienstleister bietet die digitale Unterstützung bei der Verwaltung der Gebäude enorme Vorteile. So können mittels „Predictive Maintenance“ Prozess- und Anlagendaten in Echtzeit überwacht und ausgewertet werden. Reparaturen lassen sich frühzeitig vorhersagen, noch bevor es zu Systemausfällen kommt. Auf diese Weise werden Ausfallzeiten – beispielsweise der Heizung – reduziert oder ganz vermieden. Mitarbeiter vom technischen Service erhalten Schadensmeldungen ohne Verzögerung direkt auf ihr Tablet. Das erleichtert nicht nur Gebäudemanagern die Arbeit, sondern auch den Bewohnern das Leben.

Gemeinschaft durch Vernetzung der Bewohner untereinander
Eine gute Nachbarschaft erhöht die Lebensqualität. Digitale Plattformen ermöglichen ganz in diesem Sinn auch die Vernetzung und Kommunikation zwischen den Bewohnern in den Quartieren. Im Idealfall fördert das den Dialog zwischen Menschen unterschiedlicher Generationen und Einkommensschichten. Auf diesem Weg kann aus einzelnen Bewohnern eine Gemeinschaft werden. Denn Fakt ist leider, dass viele Bewohner sich heutzutage oft gar nicht kennen, obwohl sie im selben Gebäude wohnen. Insbesondere ältere Bewohner fühlen sich häufig einsam. Die Immobilienbranche kann einen Beitrag dazu leisten, dass Menschen, die pflegebedürftig sind oder Unterstützung im Alltag benötigen, besser und sicherer leben. So könnten beispielsweise Sensoren eingesetzt werden, die feststellen, wann Menschen Hilfe benötigen. Ist dies der Fall, werden definierte Bewohner aus dem Quartier oder externe Dienstleister informiert, die dann schnell helfen können. Solche innovativen Funktionen lassen sich auch unter Einhaltung des Datenschutzes durchaus umsetzen, sofern alle Beteiligten das wollen. Es ist Zeit, das Potenzial des Wohnens zu heben – mit klugen Konzepten und wertschaffenden Kooperationen. Das Wohnen der Zukunft zeichnet sich aus durch Nachhaltigkeit, durch Service und Sicherheit im Alltag sowie durch eine hohe Lebensqualität in den Quartieren.

Das Wohnen der Zukunft zeichnet sich durch Nachhaltigkeit, Service und Sicherheit im Alltag sowie eine hohe Lebensqualität in den Quartieren aus.

Handelsblatt Journal
Dieser Artikel ist im aktuellen Handelsblatt Journal „Immobilienwirtschaft“ erschienen.

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