Wo stehen die Dax-40-Unternehmen bei der Umsetzung der EU-Taxonomie?

Kapitalmarktorientierte Großunternehmen, die gemäß CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (CSR-RUG) zur Abgabe eines nichtfinanziellen Berichts verpflichtet sind, müssen seit dem 1. Januar 2022 laut Taxonomie-Verordnung für das abgelaufene Geschäftsjahr „grüne“ Umsätze, Investitionsausgaben (CapEx) und Betriebsausgaben (OpEx) offenlegen. Als „grün“ – und damit taxonomiekonform – gelten Wirtschaftstätigkeiten, wenn sie durch das Klassifikationssystem der EU-Taxonomie abgedeckt werden und unter anderem einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung mindestens eines dieser Umweltziele leisten:

  • Klimaschutz
  • Anpassung an den Klimawandel
  • Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen
  • Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft
  • Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung
  • Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und Ökosysteme

Wir wollten herausfinden, wie die Dax-40-Unternehmen die EU-Taxonomie bereits umsetzen – und vor welchen Herausforderungen sie dabei stehen. Hierfür haben wir ihre Taxonomie-Kennzahlen sowie die qualitativen Angaben für das Berichtsjahr 2022 analysiert[1]. Im Folgenden stellen wir Ihnen unsere Ergebnisse auf einen Blick vor.

EU-Taxonomie lässt sich nicht auf alle Branchen anwenden
Die EU-Taxonomie deckt das Kerngeschäft vieler Dax-40-Unternehmen bisher nicht oder nur teilweise ab. Um die ESG-Performance von Unternehmen zu beurteilen, müssen Taxonomie-Daten im Kontext weiterer ESG-Daten betrachtet werden. Denn durch den spezifischen Zuschnitt der Wirtschaftsaktivitäten bildet die EU-Taxonomie bisher nur einen Ausschnitt der Nachhaltigkeitsleistung von Unternehmen ab.

So sind die Taxonomie-Kriterien für die Umweltziele „Klimaschutz“ und „Anpassung an den Klimawandel“ auf die Branchen zugeschnitten, die knapp 80 % der direkten Treibhausgasemissionen in Europa verursachen – darunter der Energie-, Transport- und Immobiliensektor. Dies ist einer der Gründe, warum rund ein Drittel der Dax-40-Unternehmen für das Berichtsjahr 2022 nur taxonomiefähige Umsätze von weniger als einem Prozent ausweist. Branchen wie Pharma, Bio- und Medizintechnologie oder Handel werden beispielsweise von der EU-Taxonomie bisher noch nicht abgedeckt. Unternehmen dieser Branchen können lediglich Investitions- und Betriebsausgaben geltend machen, die mit taxonomiefähigen Aktivitäten im Bereich der allgemeinen Unternehmensinfrastruktur, wie z. B. Gebäuden oder dem Fuhrpark, verbunden sind.

Die Hälfte der Dax-40-Unternehmen nennt daher in ihrem Taxonomie-Bericht diese fehlenden bzw. unzureichenden Kriterien als zentrale Herausforderung bei der Anwendung der EU-Taxonomie.

Kriterien stellen hohe Ansprüche an Unternehmen
Nicht nur bei der Erfassung der eigenen Unternehmensaktivitäten anhand der EU-Taxonomie stehen Unternehmen vor Herausforderungen, sondern auch beim Erfüllen der Taxonomie-Konformitätskriterien. Diese geben darüber Aufschluss, ob eine taxonomiefähige Aktivität nachhaltig ausgeführt wird. Sind die Konformitätskriterien erfüllt, handelt es sich nicht nur um eine taxonomiefähige, sondern auch um eine taxonomiekonforme Aktivität.

Diese Kriterien sind sogar für Dax-40-Unternehmen mit einem fortgeschrittenen Nachhaltigkeitsmanagement anspruchsvoll. Laut unserer Analyse ist das ein Grund, warum zwei Drittel der Dax-40-Unternehmen für das Berichtsjahr 2022 taxonomiekonforme Umsätze von weniger als 1 % ausweisen.

Knapp die Hälfte der Dax-40-Unternehmen betonen beispielsweise in ihrer Berichterstattung zur Taxonomie-Konformität, dass sie im Berichtsjahr 2022 die Kriterien für das Umweltziel „Klimaschutz“ noch nicht (vollständig) erfüllen. Darunter sind auch Unternehmen, die einen von der Science Based Targets initiative (SBTi) validierten CO2-Reduktionspfad verfolgen. Neben dieser Performance-Lücke weisen weitere rund 40 % der Dax-40-Unternehmen darauf hin, dass ihnen Daten bzw. Nachweise von Geschäftspartnern fehlen, um die Taxonomie-Konformitätskriterien zu erfüllen.

Dax-40-Unternehmen sind auf einem guten Weg
Die von der EU geplante Lenkung von Finanzströmen in nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten scheint ihre Wirkung zu entfalten. Laut eigenen Angaben planen die Dax-40-Unternehmen vermehrt „grüne“ Investitionen für die Zukunft, und bereits jetzt weisen knapp 20 % von ihnen taxonomiekonforme Investitionsausgaben von über 25 % aus. Mehr als ein Viertel der Dax-40-Unternehmen, die zu ihrer Taxonomie-Konformität berichten, haben einen Investitionsplan (CapEx-Plan) verabschiedet, mit dem sie sich dazu verpflichten, innerhalb eines definierten Zeitraums in den Auf- bzw. Ausbau spezifischer taxonomiekonformer Aktivitäten zu investieren.

Wegen ihrer großen Bedeutung bei der Bereitstellung von Kapital für die nachhaltige Transformation der Wirtschaft steht die Finanzindustrie im Fokus der europäischen Regulierung. Welche Herausforderungen und Lösungsansätze gibt es bei der Umsetzung der Taxonomie-Verordnung und Offenlegungsverordnung (SFDR) für Finanzunternehmen? Und wie kann die Realwirtschaft mit Implikationen wie z. B. Informationsanfragen an Portfoliounternehmen zur Taxonomie-Fähigkeit und -Konformität oder veränderten Finanzierungsbedingungen umgehen? Zu diesen und weiteren Fragen moderieren Marc Böhlhoff, Partner bei Mazars in Deutschland, und Kai Wuttke, Geschäftsführer bei Stakeholder Reporting, part of Mazars, die interaktive Breakout Session „Auswirkungen der EU-Taxonomie auf Finanzunternehmen und Rückkopplungseffekte auf die Realwirtschaft“ am ersten Konferenztag um 16:30 Uhr. Wir würden uns freuen, wenn Sie mitdiskutieren.

Möchten Sie noch tiefergehende Einblicke in unsere Analyse der Taxonomie-Berichterstattung der Dax-40-Unternehmen erhalten? Diese finden Sie auf der Website von Stakeholder Reporting, part of Mazars.

[1] Analyse von Stakeholder Reporting, part of Mazars zur Taxonomie-Berichterstattung der DAX-40-Unternehmen für das Geschäftsjahr 2022; Stichtag: 31.05.2023. Der Fokus dieser Analyse liegt auf Nicht-Finanzunternehmen, d. h. denjenigen 35 Unternehmen unter den Dax-40-Unternehmen, welche die für Nicht-Finanzunternehmen relevanten Taxonomie-KPIs Umsatz, CapEx und OpEx offenlegen. Der Vereinfachung halber ist im Fließtext dennoch die Rede von DAX-40-Unternehmen. Außerdem beziehen die Analysen zur Taxonomie-Konformität die Unternehmen Infineon, Siemens AG, Siemens Energy und Siemens Healthineers nicht mit ein, da diese aufgrund der Terminierung ihres Geschäftsjahres erst für das Berichtsjahr 2023 zur Veröffentlichung von Angaben zur Taxonomie-Konformität verpflichtet sind.