Wie steht es um das deutsche Gesundheitssystem?

Zu diesem spannenden Thema konnte das Deloitte Center for Health Solutions mit Dr. Gregor Elbel (Partner Deloitte, Lead Health Care Payer) und Ibo Teuber (Partner Deloitte, Sector Lead Health Care) sprechen.

Center for Health Solutions:

Der GKV-Schätzerkreis hat gerade einen historisch hohen Anstieg des GKV-Zusatzbeitrages für 2025 vorgeschlagen. Wie muss man das einordnen?

G. Elbel:
So viel Aufmerksamkeit das Thema Zusatzbeitrag für 2025 gerade bekommt, ist es doch genauso wichtig zu verstehen, ob sich diese ungünstige Entwicklung in Zukunft verstetigen wird. Unsere Analyse zur Finanzkrise der GKV zeigt ganz klar – die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben in der GKV wird in den nächsten Jahren und Jahrzehnten aufgrund des demografischen Wandels, makroökonomischer Entwicklungen und neuer Innovationen immer weiter auseinandergehen.

I. Teuber:
Das ist in der Tat besorgniserregend und ohne strukturelle Reformen im Gesundheitswesen ist schwer vorstellbar wie in Zukunft eine gute Balance zwischen Innovationsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit gelingen kann. Das Solidarprinzip in der GKV ist ein hohes Gut und erfährt bis heute große Wertschätzung in der Bevölkerung. Eine unserer aktuellen repräsentativen Konsumentenbefragungen zeigt jedoch:  Eine Mehrheit der Bürger ist mittlerweile aufgeschlossen, weniger solidarische Mechanismen, wie z.B. Risikoprämien bei bestimmten (ungesunden) Verhaltensweisen oder Krankheits- bzw. Unfallrisiken, einzuführen. Wenn wir es nicht schaffen den Beitragsanstieg mittel- und langfristig zu begrenzen, ohne dass die Qualität der Versorgung abnimmt, kann sich ein solcher Trend verstetigen.

Center for Health Solutions:
Ist zum Beispiel die Krankenhaus-Strukturreform eine erste wichtige Weichenstellung zur Lösung der immer akuter werdenden Probleme im deutschen Gesundheitswesen?

I. Teuber:
In bestimmten Aspekten vielleicht.  Es ist ja grundsätzlich sinnvoll knappe Ressourcen (finanziell, personell) dort einzusetzen, wo sie am meisten gebraucht werden. Allerdings müssen wir in Zukunft das ganze Gesundheitssystem über einzelne Sektorengrenzen hinweg, Patienten-zentriert neu denken. Ein besonders wichtiger Aspekt dabei ist eine konsequente Digitalisierung, um zu jeder Zeit die bestmögliche Versorgungsmaßnahme vornehmen zu können. Aktuell vermisse ich den systematischen Prozess das zuvor genannte in die Umsetzung zu bringen. Bayern geht hier mit dem 7-Punkte Planen einen ersten Schritt in die richtige Richtung.

G. Elbel:
Ich kann das nur unterstreichen: In unserer Szenarioanalyse zum Gesundheitswesen in Deutschland 2035 ist neben der (de)zentralen Steuerung bzw. Freiheitsgraden für dezentrale Gestaltung die Durchdringung des Gesundheitsökosystems mit daten- und KI-basierten Verfahren eine der beiden kritischen Unsicherheiten, die in ihren Ausprägungen mögliche Zukunftsszenarien definieren. Es besteht die realistische Gefahr, dass bei unzureichender Digitalisierung, Innovationen in Zukunft vermehrt im zweiten Gesundheitsmarkt, also als Selbstzahlerleistung stattfinden werden.

Center for Health Solutions:

Was bedeutet das für die Akteure im Gesundheitswesen? Kann man sich vorbereiten?

G. Elbel:
Es gibt sicherlich in die Zukunft geschaut eine gewisse Unsicherheit wie und wo genau Veränderungen stattfinden werden. Wir denken aber, dass viele Themen wie zum Beispiel Kosteneffizienz, Mitarbeiter-Gewinnung / Qualifizierung und Digitalisierung von Prozessen und Geschäftsmodellen, in jedem zukünftigen Szenario Erfolgsfaktoren sind und dementsprechend schon heute mitgedacht werden sollten.

I. Teuber:
Darüber hinaus gibt es für die verschiedenen Akteure im Gesundheitswesen Branchen-spezifische Themenfelder die pro-aktiv adressiert werden können, um bestmöglich auf eine Vielzahl von Szenarien vorbereitet zu sein. Wir werden dazu in naher Zukunft spannende Perspektiven bezüglich Implikationen und Handlungsfelder für die unterschiedlichen Akteure des Gesundheitswesens publizieren!

Center for Health Solutions:

Vielen Dank Euch beiden für die Einordnung aktueller Entwicklungen und den Ausblick!

Ihre Ansprechpartner:
Ibo, Gregor, Tobias, Frank

Unsere Webseite mit allen „Thought-Leadership“ Publikationen: https://www.deloitte.com/de/de/Industries/life-sciences-health-care/about.html