Viele Stadtwerke betreiben ein Gasnetz und hoffen, es künftig es im Zuge der Energiewende nicht mehr mit Erdgas sondern mit Wasserstoff befüllen und betreiben zu können. Denkbar ist mit Wasserstoff vieles: Vor allem im Bereich der Wärme und im Verkehr haben die Stadtwerke hohe Erwartungen an den Rohstoff. Gleichwohl ist Wasserstoff bei uns nur in überschaubaren Mengen und als grüner Wasserstoff, also mit Ökostrom erzeugt, fast noch gar nicht verfügbar. Manche bezeichnen ihn auch als Champagner der Energiewende. Zurecht?
Champagner ist ein Luxusprodukt. Für die meisten gibt es ihn – wenn überhaupt – zu besonderen Anlässen wie Hochzeiten, Geburtstage oder an Silvester. Nur ganz Verwegene kämen auf die Idee, nach Feierabend im Biergarten die französische Brause zu bestellen. Ein Vergleich mit Champagner suggeriert daher: zu teuer und wenn, dann für besondere Anlässe.
Wasserstoff wird in der Diskussion von Skeptikern einer umfassenden deutschen (und europäischen) Wasserstoffwirtschaft gerne als „Champagner der Energiewende“ hingestellt. Das ist auf der einen Seite sehr plakativ, trifft die Sache aber genauso wenig, wie den Stoff als „Tafelwasser der Energiewende“ zu bezeichnen – wie es einige Befürworter tun.
Richtig ist, dass das Thema Wasserstoff schon seit geraumer Zeit einen ungeahnten Hype erlebt – und das nicht nur bei Stadtwerken. So häufen sich bei Anlageberatern und Banken die Nachfragen von Privatpersonen für Investments in Wasserstoffunternehmen. Das Problem dabei ist, dass es das oder die Unternehmen in dem Bereich nicht wirklich gibt. Bei Unternehmen wie RWE, Mercedes oder Amprion ist das Thema in den Fachabteilungen aufgehängt; andere Unternehmen wie GP Joule oder Innio Jenbacher sind nicht an der Börse notiert. Ein Investment „in Wasserstoff“ ist gar nicht so einfach.
Doch nicht nur der Kleinanleger, auch die Energiefachwelt ist angetan von Wasserstoff – wenn auch aus ganz anderen Gründen. Beim Einsatz des Gases in einem Verbrennungsmotor oder in einer Brennstoffzelle fällt kein CO2 an. Wasserstoff ist das häufigste chemische Element im Universum, allerdings nicht als verfügbares Gas in Menschennähe. Wasserstoff muss erst „erzeugt“ werden. Klimafreundlich passiert dies durch die Aufspaltung von Wasser (H2O) in Sauerstoff (O) und Wasserstoff (H2) mithilfe von Strom.
Es gibt wohl kaum jemand, der den Einsatz von Wasserstoff in der Energieversorgung ablehnt. Doch in der ganzen Euphorie, die auch die Stadtwerke in Sachen Wasserstoff erfasst hat, soll doch angemerkt werden, dass die Wasserstoffproduktion erhebliche Mengen Strom benötigt und bislang völlig unklar ist, woher der Strom kommen soll. Denn das wissen alle: Die deutsche wie europäische Stromproduktion reicht aktuell hinten und vorne nicht, um nur annähernd den Bedarf an Wasserstoff für eine klimaneutrale Energieversorgung zu decken.
Das zeigt auch eine Studie, die Mitte Januar dieses Jahres unter Beteiligung der Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie veröffentlicht wurde. Wind und Sonne liefern in Deutschland nicht genügend Strom, um den Bedarf an grünem Wasserstoff zu decken. Im Jahr 2030 soll dieser Hierzulande bei 90 bis 110 Mrd. kWh liegen. 14 Mrd. kWh davon soll die heimische Produktion decken, der große Rest soll aus dem Ausland kommen. Fazit der Studie: Die notwendigen Importe von Wasserstoff seien in der Menge zu groß und finanzielle zu kostspielig, um ohne starke politische Unterstützung und ohne hohe Sicherheit der langfristigen Abnahme durchgeführt zu werden. Der geplante Import aus Nordafrika und dem Mittleren Osten werde kein Selbstläufer.
Folglich ist es hochgradig ineffizient, den wertvollen Wasserstoff in Automotoren oder zum Heizen zu verwenden. Die Umwandlungsverluste sind viel zu hoch. Ein Auto mit Wasserstoff zu betreiben, der zuvor mit Strom erzeugt wurde, ergibt genauso wenig Sinn, wie eine Heizung mit Wasserstoff zu befeuern. Hier sollte der Strom direkt (und somit zu 100 %) in einem Elektroauto oder in einer elektrischen Wärmepumpe eingesetzt werden. Die Forderung von Mobilitätsverbänden und der Wärmewirtschaft – da zählen auch Stadtwerke dazu – auch in diesem Bereich Wasserstoff einzusetzen, ist zwar nachvollziehbar, aber nicht sonderlich sinnvoll. Zumindest nicht so lange wie Wasserstoff knapp und teuer ist.
Denn es gibt Bereiche, da ist der Einsatz von Wasserstoff für eine klimaneutrale Produktion alternativlos. Bestes Beispiel ist die Stahlindustrie. Die Stahlherstellung erfolgt heute überwiegend durch eine kohlebasierte Verarbeitung von Eisenerz im Hochofen. Dabei werden große Mengen CO2 emittiert. Die Stahlherstellung mit Wasserstoff geht einen anderen Weg. Dabei wird zuerst sogenanntes direktreduziertes Eisen (DRI) mithilfe von Wasserstoff hergestellt. In einem weiteren Prozess wird in einem Elektrolichtbogenofen, bei dem ebenfalls Wasserstoff zum Einsatz kommt, dann Rohstahl hergestellt. Auf Kohle kann dabei verzichtet werden.
Dafür sollte eine entsprechende Produktion auf die Beine gestellt und politisch unterstützt werden. Stahlunternehmen wie die Salzgitter AG, Thyssenkrupp und Arcelor Mittal haben bereits erste Projekte angekündigt, denn auch sie wollen CO2-freie Unternehmen werden. Mit Champagner hat das allerdings nichts zu tun. Wir brauchen eine leistungsfähige Stahlindustrie, aber auch eine, die CO2-frei produziert. Das ist kein Luxus, sondern systemrelevant für die ganze Gesellschaft.