Vorsorge für den Fall der Fälle – was tun, wenn der Geschäftsführer ausfällt?

Vorsorge für den Fall der Fälle – was tun, wenn der Geschäftsführer ausfällt?

Wie unter einem Brennglas zeigt uns die aktuell immer noch anhaltende Pandemie, wie verletzlich der Einzelne ist. Auch der Geschäftsführer einer GmbH kann durch einen unvorhergesehenen Unfall oder durch eine schwere Erkrankung für eine gewisse Zeit ausfallen und deshalb seine Aufgaben als Vertretungsorgan der Gesellschaft nicht mehr wahrnehmen. Nicht zuletzt hat uns COVID-19 auch deutlich gemacht, dass auch Geschäftsführer in jungen und mittleren Jahren so schwer erkranken können, dass sie die Erkrankung nicht überleben.

Während große Unternehmen in diesen Fällen durch entsprechende organisatorische Maßnahmen zumindest auf den ersten Blick vor nachteiligen Auswirkungen einer solchen privaten Lebenssituation abgesichert scheinen, sind es gerade die EPUs, die SME´s und Start-Ups, bei denen es an Vorkehrungen fehlt. Das liegt oft daran, dass das Hauptaugenmerk in der Gründungsphase auf dem operativen Geschäft liegt. Deshalb trifft ein Ausfall des Geschäftsführers diese Unternehmen oft unverhältnismäßig hart.

Was ist also zu tun? Vieles lässt sich durch vorsorgende Regelungen abfedern.

1. Notgeschäftsführung
Hat die GmbH nur einen Geschäftsführer, und ist dieser nicht handlungsfähig, so kann seitens des Amtsgerichts ein Notgeschäftsführer bestellt werden. Zuständig ist das Registergericht am Sitz der GmbH. Das Gericht handelt jedoch nur auf Antrag eines Gesellschafters oder eines Gläubigers. Außerdem setzt die Bestellung eines Notgeschäftsführers voraus, dass ohne die Bestellung eines Notgeschäftsführers der Gesellschaft oder einem Beteiligten ein Schaden entstehen würde oder eine unaufschiebbare Maßnahme erforderlich ist. Es handelt sich nach der Rechtsprechung um einen wesentlichen Eingriff in die Rechtsposition der Gesellschafter, der nur dann vorgenommen werden darf, wenn sich die Gesellschafter nicht durch eigene Maßnahmen selbst helfen können.

Diese Maßnahme erfordert außerdem einige Zeit, und vor allem die Besonnenheit eines Gläubigers oder Mitgesellschafters, den Antrag zu stellen. An dieser kann es aber gerade in dem Fall einer unvorhergesehenen schweren Erkrankung oder gar des Ablebens des Geschäftsführers fehlen. Bei EPUs liegen zudem die Geschäftsanteile an der Gesellschaft allein in der Hand des Geschäftsführers; demnach kann es schwierig sein, einen Antragsberechtigten zu finden.

Aus diesem Grund sollte der Geschäftsführer beizeiten dafür sorgen, dass eine Vertrauensperson, z.B. ein naher Angehöriger) einen kleinen Geschäftsanteil übernimmt und auf diese Weise die Antragsberechtigung erlangt. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, eine Vertrauensperson im Rahmen eines Mini-Jobs bei der Gesellschaft anzustellen; diese wird damit zugleich hinsichtlich des Arbeitslohns Gläubiger der Gesellschaft und damit zum Antrag berechtigt.

Im Fall des Ablebens des Geschäftsführers, der zugleich der einzige Gesellschafter war, können die Erben mangels formeller Legitimation durch die Gesellschafterliste, die im Handelsregister eingetragen sein muss (§ 16 GmbHG), keinen neuen Geschäftsführer bestellen. Auch in diesem Fall kann über das Gericht ein Notgeschäftsführer bestellt werden. Wie das OLG Köln bestätigt hat, gilt das auch in dem Fall, dass bei einer Mehrpersonen-GmbH nach dem Versterben eines Gesellschafter-Geschäftsführers nicht direkt eine neue Gesellschafterliste hinterlegt wurde und später die übrigen Gesellschafter ebenfalls versterben (OLG Köln, 27.06.2019, AZ 18 Wx 11/19).

2. Bestellung eines Stellvertreters
Eine weitere Möglichkeit besteht darin, als vorsorgliche Maßnahme einen stellvertretenden Geschäftsführer zu bestellen. Nach § 44 GmbHG gelten die für den Geschäftsführer geltenden Vorschriften auch für dessen Stellvertreter. Deshalb kann der Stellvertreter nach außen hin die Gesellschaft in der gleichen Weise vertreten, wie der Geschäftsführer selbst; eine Beschränkung der Vertretungsmacht auf den Verhinderungsfall wirkt nur im Innenverhältnis. Es kann aber im Einzelfall wegen des mit dem Amt des Geschäftsführers verbundenen Haftungsrisikos schwierig sein, eine Person zu finden, die bereit ist, diese Aufgabe zu übernehmen.

3. Vollmacht, Prokura, Vorsorgevollmacht
Viel einfacher ist die Erteilung von Vollmachten. Diese können zumindest vorläufig dazu beitragen, dass die laufenden Geschäfte erledigt werden können, bis eine endgültige Lösung gefunden werden kann. Vollmachten enden nicht mit dem Ableben des Vollmachtgebers (§ 672 BGB); es sei denn, dies wäre ausdrücklich in der Vollmacht anders geregelt. Der Umfang der Vollmacht ergibt sich dabei aus dem Vollmachtsvertrag.

So kann der Geschäftsführer beispielsweise einem Vertrauten sogar Generalvollmacht erteilen und damit sicherstellen, dass alle Geschäfte weitergeführt werden können. Diese Generalvollmacht sollte notariell beurkundet sein, um sicher zu stellen, dass sie von anderen Stellen, wie z.B. Behörden und auch Banken anerkannt wird.

Eine andere Möglichkeit ist die Erteilung einer Prokura. Ihr Umfang ist gesetzlich genau festgelegt. Sie kann nur vom Inhaber oder Geschäftsführer der Gesellschaft erteilt werden und muss im Handelsregister angemeldet werden. Dadurch ist die Vertretungsbefugnis des Prokuristen offenkundig, was z.B. bei einseitigen Rechtsgeschäften, wie etwa dem Ausspruch einer Kündigung eines Arbeitsverhältnisses, von Vorteil ist. Der Prokurist kann jedoch wegen der Beschränkung dieser Art der Vollmacht auf handelsrechtliche Angelegenheiten keine Geschäfte ausführen, die dem Inhaber vorbehalten bleiben, wie die Unterzeichnung der Bilanz; oder Maßnahmen, die den Betrieb zur Einstellung bringen, wie die Veräußerung des Geschäfts oder ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens.

Als besondere Form der Vollmacht kann zudem mit einer Vorsorgevollmacht nach §§ 1901c BGB iVm § 164 BGB auch für den Fall vorgesorgt werden, dass der Vollmachtgeber objektiv geschäftsunfähig ist. Sobald das zuständige Betreuungsgericht dies festgestellt hat, kann der Bevollmächtigte sämtliche in der Vollmacht aufgelisteten Angelegenheiten regeln und damit auch die Vorstellungen des Vollmachtgebers über Fortbestand, Führung und schlimmstenfalls auch Verkauf oder Liquidation der Gesellschaft umsetzen.

Sind mehrere Vollmachten erteilt, sollten diese gut aufeinander abgestimmt sein; etwa im Fall einer Vorsorgevollmacht und einer Prokura. Andernfalls kann es leicht passieren, dass die Bevollmächtigten miteinander in Streit geraten, was letztlich wieder zu Lasten der GmbH gehen würde.

Und was passiert, wenn der Bevollmächtigte über sein Ziel hinausschießt?

Im Fall des Missbrauchs der Vertretungsmacht haftet der Bevollmächtigte der Gesellschaft für den Schaden, den er verursacht hat.

4. Organisatorische Vorkehrungen
Die beste Vertretungsplanung nützt wenig, wenn wesentliche Informationen nur dem Geschäftsführer zugänglich sind. Konnte man sich mit einigem Zeitaufwand vor wenigen Jahren noch durch die vorhandenen Geschäftsunterlagen in Papierform wühlen und damit alle notwendigen Informationen rekonstruieren, so ist dies in Zeiten, in denen die Geschäfte zunehmend nur noch virtuell und online abgewickelt werden, nicht mehr möglich. Eine Bestellung, von der niemand weiß, kann aber auch nicht ausgeführt werden, eine Rechnung nicht rechtzeitig bezahlt werden!

Deshalb muss der Geschäftsführer sicherstellen, dass die erforderlichen Informationen auch übersichtlich zur Verfügung stehen. Dazu zählen Zugangsdaten zu Kunden- und Lieferanteninformationen oder E-Mail-Accounts ebenso wie die Zugangsdaten zu den Bankverbindungen. Gerade bei kleinen Unternehmen liegen diese Informationen oft nur auf dem persönlichen Laptop des Geschäftsführers. Dieser ist
hoffentlich vor unbefugtem Zugriff geschützt oder aber im Fall eines Unfalls vielleicht sogar unwiederbringlich zerstört.

Aus diesem Grund sollten alle wesentlichen Informationen an einer Stelle gesammelt vorliegen und dem Vertreter auch zugänglich sein; idealerweise erhält dieser bereits vor dem Vertretungsfall eine entsprechende Notfallinformation. Darin sollten unter anderem folgende Dokumente zu finden sein:

  • Gesellschaftsvertrag in der aktuellen Fassung
  • wesentliche Beschlüsse der Gesellschafterversammlung
  • Bestehende Vollmachten
  • Bankvollmachten, Postvollmachten, Prokurabestellungen, ggf. Vorsorgevollmacht
  • Wichtige Verträge für den Betrieb
  • Darlehens- und Leasingverträge, Mietverträge für die Betriebsstätten, Lieferverträge, offene Aufträge
  • Behördliche Genehmigungen für den Betrieb
  • Versicherungsunterlagen
  • Betriebshaftpflicht, KFZ-Haftpflichtversicherungen und ggf. Kaskoversicherung, wenn vorhanden
  • nsprechpartner des Versicherungsunternehmens
  • Zugangsdaten zu den elektronischen Unternehmensdaten (Passwörter, Kundendaten, ggf. auch Token, ggf. in einem verschlossenen Kuvert)
  • Ansprechpartner und Zugangsdaten des/der IT–Dienstleister/Provider ggf. Liste der wichtigsten Kunden, Lieferanten, Dienstleister
  • Informationen zu Mitgliedschaften in Vereinen und Verbänden (Mitgliedsnummern etc).

Je nach Art des Unternehmens und der erbrachten Leistungen können weitere Informationen wesentlich sein. Der Geschäftsführer sollte sich regelmäßig und rechtzeitig Gedanken machen, welche Informationen für einen reibungslosen Ablauf notwendig sind und diese Notfallinformationen regelmäßig aktualisieren.

5. Private Vorsorgeregelungen
Auch wenn es nicht angenehm ist, sich mit diesem Gedanken auseinander zu setzen: Gerade wenn der Geschäftsführer zugleich Gesellschafter seiner GmbH ist, kommt es nach dessen Ableben nicht selten zu erbitterten Streitigkeiten zwischen den möglichen Erben über die Anteile an der Gesellschaft. Das gilt gerade auch für Gesellschaften, die nach dem Musterprotokoll gegründet wurden und für die deshalb im Gesellschaftsvertrag keine Regelungen für den Fall des Ablebens des Gesellschafters getroffen sind. Es ist daher wichtig, schon zu Lebzeiten so vorzusorgen, dass ein möglichst ungestörter Betrieb des Unternehmens auch im Fall des Ablebens des Geschäftsführers sichergestellt wird und Erbschaftsstreitigkeiten weitestgehend vermieden werden.

Hier gibt es verschiedene Wege, und die vorausschauende Gestaltung des Gesellschaftsvertrages ist nur eine davon. Neben Überlegungen, welcher der möglichen Erben überhaupt fachlich und persönlich dazu in der Lage ist, das Unternehmen weiter zu führen, ist ein transparenter Umgang mit dieser Frage  unverzichtbar, um Rivalitäten und damit Streit unter den Erben zum Nachteil der Gesellschaft zu vermeiden. Hier kann Mediation ein geeignetes Mittel sein, die Nachfolgeplanung gemeinsam zu gestalten und Missverständnisse zu vermeiden.

Es ist dem Geschäftsführer aber selbstverständlich unbenommen, durch einseitige Verfügung im Rahmen eines Testaments oder Vermächtnisses die Zukunft des eigenen Unternehmens zu sichern.

Fazit:
Der Geschäftsführer muss sich rechtzeitig Gedanken machen, welche Informationen für seine Vertretung erforderlich sind. Er muss seine Vertretung für den Fall der unvorhergesehenen Verhinderung planen und den Fortgang der Geschäfte sicherstellen. Dazu kann er sich Vollmachten bedienen oder dafür sorgen, dass ein weiterer Geschäftsführer bestellt wird. Ist der Geschäftsführer zugleich Gesellschafter, ist eine vorausschauende Nachfolgeplanung angeraten.