Viele Kunden sind bereit, für nachhaltige Produkte mehr zu zahlen

Interview mit Dr. Hans-Ulrich Engel, CFO und CDO BASF

Interview mit Dr. Hans-Ulrich Engel, CFO und CDO BASF

Der Chemiekonzern stößt mit seiner Aufklärung über den CO2-Fussabdruck seiner Produkte auf große Resonanz. Die ehrgeizigen Klimaziele führen dazu, dass sich der Stromverbrauch an den großen Chemiestandorten verdreifachen bis vervierfachen wird. Dabei helfen Energiepartnerschaften.

1. Derzeit gibt es in den meisten globalen Wertschöpfungsketten Störungen, die zu Engpässen und Preissteigerungen führen. Einer Ihrer wichtigen Kunden, die Autoindustrie, ist dadurch beispielsweise vom Chipmangel betroffen, andererseits steigen aber auch Preise für Basis-Chemikalien. Wie wirken sich die Störungen auf Ihren Konzern aus?

BASF ist bisher gut durch die Zeit der Pandemie und deren Folgen für die Weltwirtschaft gekommen. Nach einem schwierigen Jahr 2020 verlief das Jahr 2021 sehr erfolgreich für die BASF-Gruppe, dies trotz der Beeinträchtigungen in den globalen Lieferketten, den stark gestiegenen Preisen für Rohstoffe, Energie und Logistik und den Schwierigkeiten im Automobilbereich. Das setzt sich so auch im 1.Quartal 2022 fort. Angesichts zusätzlicher Beeinträchtigungen in der Energie- und Rohstoffversorgung sowie weiterer Störungen in den Supply Chains durch den Krieg in der Ukraine, die Sanktionen und die sich ausweitenden Lockdowns in China bedarf es einer erhöhten internen Abstimmung und einer vertrauensvollen Zusammenarbeit mit unseren Kunden und Lieferanten weltweit. Klar ist, dass die aktuellen Entwicklungen zu erheblicher Verunsicherung führen. Aber es ist aus unserer Sicht noch zu früh, um zu beurteilen, welche gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen sie haben werden.

2. Ändert das Risiko von Lieferkettenstörungen ihre Strategie und Finanzplanung?

Natürlich haben die aktuellen geopolitischen Entwicklungen, die Pandemie, das Anspringen der Inflation und die damit insgesamt zusammenhängende Unsicherheit Auswirkungen auf unsere kurzfristige Liquiditäts- bzw. mittel- bis langfristige Finanzplanung. Wir analysieren kontinuierlich unterschiedliche Szenarien und treffen unsere Entscheidungen auf dieser Basis. Strategisch sehen wir uns gut aufgestellt. Insbesondere auch, weil wir in den Märkten für diese Märkte produzieren. Wir produzieren also da, wo unsere Kunden sind, und halten die Lieferketten so relativ kurz. Zudem kaufen wir für unsere Produktionsstandorte überwiegend von Partnern aus der jeweiligen Region ein. Das hat sich bewährt, nicht erst in der Pandemie, und darauf setzen wir weiterhin. Im Jahr 2021 haben wir Rohstoffe, Güter und Dienstleistungen im Wert von mehr als 40 Milliarden Euro bezogen. Davon wurden rund 90 Prozent in der Region beschafft, wo sie von uns auch genutzt werden.

Der Umgang mit Störungen in den Lieferketten unserer Kundenindustrien, unserer Lieferanten oder in unseren eigenen Wertschöpfungsketten gehört zum Risikomanagement und ist Teil des Geschäfts. Netzwerke, in denen wir eng mit unseren Kunden sowie Partnern in Einkauf, Transport und Logistik zusammenarbeiten, spielen dabei eine wichtige Rolle – ebenso wie der Einsatz von künstlicher Intelligenz. Zum Beispiel nutzen wir eine innovative Optimierungssoftware und automatisierte Datenflüsse, um unsere Lieferkettennetzwerke zu analysieren und diese kontinuierlich in Hinblick auf Service und Kosten zu optimieren. So können wir Entscheidungen über den Standort oder die Anzahl der benötigten Waren- oder Tanklager sowie über Transportwege und -arten schnell und fundiert treffen und die beste Lösung für uns und unsere Kunden umsetzen.

3. BASF verfolgt ehrgeizige Klimaziele für die kommenden Jahre und will bis 2050 klimaneutral produzieren. Für diese Transformation müssen Sie Techniken, Prozesse und Produktportfolio anpassen. Was sind die wichtigsten Herausforderungen dabei?

Bis zum Jahr 2030 will BASF ihre Treibhausgasemissionen im Vergleich zum Jahr 2018 um 25 Prozent senken und strebt bis 2050 das Ziel von Netto-Null-Emissionen an. Und das, obwohl wir unsere Produktion ausweiten werden und beispielsweise gerade einen neuen Verbundstandort in China bauen, der von der Fläche vergleichbar ist mit dem in Ludwigshafen. Unsere Ziele wollen wir unter anderem durch den massiven Einsatz von Strom aus erneuerbaren Quellen erreichen. Gleichzeitig arbeiten wir an der Entwicklung neuer CO2-armer und CO2-freier Verfahren für die Herstellung von petrochemischen Basischemikalien und Wasserstoff. Vereinfacht gesagt, ersetzen wir dabei fossile Energieträger wie Erdgas durch elektrischen Strom aus erneuerbaren Quellen. Dessen Verfügbarkeit in ausreichenden Mengen und zu wettbewerbsfähigen Preisen ist der zentrale Schlüssel für die Transformation von BASF. Unter den heute herrschenden Rahmenbedingungen sind viele der neuen Technologien noch nicht wirtschaftlich umsetzbar. Daher muss die Politik die Transformation durch günstige Rahmenbedingungen unterstützen.

4. Es ist absehbar, dass erneuerbare Energien in den kommenden Jahren noch knapper werden. Sehen Sie die Gefahr, dass dieser Engpass die nachhaltige Transformation der gesamten Wirtschaft ausbremst?

Der Bedarf an Strom aus erneuerbaren Quellen wird insgesamt erheblich zunehmen, sowohl in der Wirtschaft als auch im privaten Bereich. Für BASF rechnen wir damit, dass sich unser Strombedarf an großen Produktionsstandorten wie Ludwigshafen oder Antwerpen durch die Transformation verdreifachen bis vervierfachen wird. Das sind signifikante Strommengen, die nicht einfach am Markt eingekauft werden können. Deshalb investieren wir selbst in die Erzeugung von erneuerbarer Energie durch Beteiligungen an Offshore-Windparks und schließen großvolumige, langlaufende Lieferverträge für Strom aus erneuerbaren Quellen weltweit ab. Hinzu kommt: Die Elektromobilität und das Heizen mit elektrischen Wärmepumpen werden zu einem Nachfrageanstieg der privaten Haushalte führen. Der Krieg in der Ukraine führt zusätzlich zu einer Verschärfung der Energie- und Rohstoffversorgung in Deutschland und Europa.

Deshalb ist es wichtig, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien und der Transportnetze schneller als bislang vorankommt. Ich gehe davon aus, dass die Politik den Ausbau jetzt noch einmal beschleunigt. Es steht zu hoffen, dass Planungsprozesse und Genehmigungen schneller und einfacher werden.

5. Sie klären neuerdings Ihre Kunden über den CO2-Fussabdruck ihrer Produkte auf. Hat diese Information schon zu Nachfrageverschiebungen geführt?

BASF kann ihren Kunden inzwischen Product Carbon Footprints für nahezu das gesamte Portfolio anbieten. Diese berücksichtigen sämtliche Treibhausgasemissionen, die vom Rohstoff über die Produktion bis zum Verlassen des BASF-Werksgeländes entstehen. Möglich wird das durch eine eigene Softwarelösung, die unsere Produktionsdaten auch mit Daten unserer Zulieferer vernetzt und die inzwischen auch über unsere Lizenzpartner anderen Unternehmen zur Verfügung steht. Immer mehr Kunden wissen diese Transparenz, die uns auch vom Wettbewerb differenziert, zu schätzen. Wir haben mittlerweile in fast allen Industrien Kunden, die bereit sind, höhere Preise für Produkte mit einem niedrigeren CO2-Fußabdruck zu bezahlen – da dies nicht ohne Mehrkosten zu haben ist. Die gewonnene Transparenz hilft uns dabei, Reduktionen gezielt dort anzugehen, wo Hebel und Kundennutzen am größten sind.

Dass unsere Kunden sich zunehmend für nachhaltigere Produkte interessieren, zeigt eine neue Kooperation: Gemeinsam mit BASF wird Henkel in den nächsten vier Jahren mithilfe des sogenannten „Biomassenbilanz-Verfahrens“ fossile Rohstoffe für rund 110.000 Tonnen Inhaltsstoffe pro Jahr durch erneuerbare Rohstoffe ersetzen. Bekannte Marken wie Persil, Pril, und Schauma werden somit ihren CO2-Fußabdruck insgesamt um etwa 200.000 Tonnen CO2-Emissionen verringern.

6. Sie haben zu Beginn des Jahres ein größeres Aktienrückkaufprogramm angekündigt. Haben Sie keine Angst, dass Ihnen das Geld für Investitionen in die Zukunft fehlt?

Wir haben das Aktienrückkaufprogramm mit einem starken Geschäftsjahr 2021, einem Free Cashflow in 2021 von 3,7 Milliarden Euro und Erlösen aus den Devestitionen im Jahr 2021 von mehr als 2 Milliarden Euro im Rücken begonnen. Unverändert wird BASF in ihrer Mittelverwendung organisches Wachstum priorisieren, z.B. in Form des neuen Verbundstandorts in China und des Geschäfts mit Kathodenmaterialien für die Elektromobilität. Akquisitionen sind demgegenüber derzeit weniger relevant für uns. Zum organischen Wachstum gehören auch Investitionen in neue Technologien, die in den Jahren 2026 bis 2030 und noch stärker nach 2030 von besonderer Bedeutung sein werden. All dies haben wir entsprechend in unserer Finanzplanung berücksichtigt.

Die Fragen stellte Sabine Haupt