Stephan Hahr, Director Corporate Pensions & Related Benefits, Robert Bosch GmbH
Kirsten Koslowski, Director, Head of Communication Consulting, Willis Towers Watson
User Experience, kurz UX, prägt schon lange die Software- und Produktentwicklung. Es geht dabei um das Nutzererlebnis, also die Erfassung aller Erfahrungen, die ein Nutzer bei der Interaktion mit einem Produkt bzw. einer Dienstleistung macht. Das UX-Konzept findet zunehmend auch im HR-Bereich Beachtung und kann mit dem Begriff der Employee Experience noch weiter gefasst werden als die Summe der Erlebnisse eines Mitarbeiters mit dem Unternehmen. Einzelne „Touchpoints“, die für Mitarbeiter bedeutend und bezogen auf das Unternehmen imageprägend sein können, stehen dabei im Fokus und sollen positive Eindrücke hinterlassen („moments that matter“). Somit hat auch die bAV das Potenzial, zu einer guten Employee Experience beizutragen.
Nutzerorientierung in der bAV
Dafür ist eine konsequente Nutzerorientierung notwendig, die in der bAV jedoch bislang erstaunlich selten verankert ist. Ein Grund mag sein, dass kaum ein Compensation & Benefit-Angebot so von Expertenwissen geprägt ist und kommunikativ aufwändig aufbereitet werden muss wie die bAV.
Als weiterer Aspekt kommt ein gesteigerter Nutzeranspruch hinzu, der die Notwendigkeit zum methodischen Umdenken erforderlich macht. Ein bAV-Portal muss sich mit vielen eindrucksvollen Websites wie den komfortablen, technisch aufwändigen und sehr ansprechenden Shopping- oder Banking-Websites messen lassen. Ein Anspruch, dem auch das bAV-Portal von Bosch gerecht werden möchte.
Steile Lernkurve mit dem Bosch-Portal
Bereits vor mehr als 10 Jahren wurde bei Bosch der Online-Konto-Service eingeführt, ein Portal mit allgemeinen Informationen zur Zusage, individuellen Übersichten zu Vorsorgeguthaben und Rentenrechnern. Aufgrund der dargestellten Beweggründe war der Entschluss für einen Relaunch des Portals konsequent.
Neue Features wie Single Sign-on, einfache Zwei-Faktor-Authentifizierung, Online-Entgeltumwandlung, Simulations- und Rentenlückenrechner, persönliche Postfächer, abonnierbare Push-Nachrichten, Mobiloptimierung für das Smartphone und vieles mehr waren als Projektziele schnell gesetzt.
UX im Fokus
Im Kern stand allerdings die UX-Methodik und damit die Frage „Was (davon) wollen die Mitarbeiter“? Die eigentliche UX-Arbeit liegt also in der intensiven Interaktion mit den Nutzern. Das klingt simpel, bedeutet aber eine konsequente Abwendung von einer einst expertenzentrierten Sichtweise und Aufbereitung.
Startpunkt des Portal-Relaunchs war die gemeinsame Entwicklung der Seiten-Architektur: Wie ordnen Mitarbeiter Themenblöcke an, welche Begriffe nutzen sie? Jeder Umsetzungsschritt wurde mit etablierten UX-Methoden an Mitarbeitern getestet: vom ersten Prototypen, der Klickwege abbildet, bis zu high fidelity-Mockups, die das fertige Portal simulieren.
Warum dieser Test-Fokus? Es ist das immanente Ziel von UX-Design, sich vom persönlichen Geschmack und Bauchgefühl zu befreien und Daten für begründete Entscheidungen zu generieren. Das gilt selbst für den Look: Auch hier wurden mehrere Konzepte getestet und nach klaren Kriterien bewertet. Das Siegerkonzept: eine Testimonial-Kampagne, die oft mit Witz und Blick für ungewöhnliche Motive Bosch-Mitarbeiter und ihren Bezug zur bAV bei Bosch einfängt.
Je intensiver der Dialog, desto eindeutiger wurde: One size really doesn’t fit all. Entsprechend wurde das Portal segmentiert: Jeder Nutzer wird beim Login einem von derzeit elf Segmenten zugewiesen. Basis sind Standarddaten wie Alter, Geschlecht oder Betriebszugehörigkeit. Je nach Segment sehen die User andere Startbilder, Topthemen und Handlungsfelder. Während der Fokus für Neueintritte beispielsweise darauf liegt, einen ersten Überblick zu erhalten und das Angebot zur Entgeltumwandlung kennenzulernen, stehen für rentennahe Mitarbeiter eine Übersicht zu Auszahlungsoptionen oder der Leistungsantrag im Zentrum des Interesses. Keinem Nutzer geht dabei Inhalt verloren. Inhalte werden vielmehr zielgruppenspezifisch in eine ideale Anordnung gebracht.
Zwischenfazit und Ausblick
Hat der neue Ansatz funktioniert? Eindeutig ja. Das Feedback zeigt, dass User mühelos die für sie wichtigen Inhalte und Services finden und sie zum Teil erst jetzt den Wert ihrer Altersversorgung erkennen. Dieser Erfolg ist auch durch die steigende Zahl der Online-Entgeltumwandlungen messbar, wodurch zugleich die Administration stark entlastet wird.
Ist der Relaunch mit dem Go-live abgeschlossen? Noch lange nicht. Denn die Mitarbeiter konsequent in den Mittelpunkt zu stellen heißt auch: im Dialog bleiben. Die Entwicklung geht weiter. Nur so kann das volle Potenzial eines digitalen und nutzerorientierten bAV-Angebots ausgeschöpft werden – und eine dauerhafte Win-Win-Situation für Bosch und die Begünstigten geschaffen werden.
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